Leben
Review

Über Romy Schneider schreiben, heisst weinen – zum Film «3 Tage in Quiberon»

«3 Tage in Quiberon»
Ist das Romy Schneider? Nein, es ist Marie Bäumer, die Romy spielt. Und zwar bäumig.Bild: LookNow!
Review

Über Romy Schneider schreiben, heisst weinen – ihr Leben endete zu traurig

Der Film «3 Tage in Quiberon» rekonstruiert Romy Schneiders Zeit in einer französischen Rehab und das brutal geführte «Stern»-Interview, das sich daraus ergab.
12.04.2018, 13:4913.04.2018, 06:08
Simone Meier
Mehr «Leben»

Nach dem Interview in Quiberon wird Romy Schneider noch vierzehn Monate leben. Nach dem Interview in Quiberon wird sie schon bald ihren vierzehnjährigen Sohn David verlieren: Er wird aufgespiesst, als er versucht, über den scharf zugespitzten Zaun seiner Grosseltern zu klettern. In Quiberon hegt sie noch die Hoffnung, dass er nach ihrer Scheidung von seinem Vater bei ihr bleiben will. David entscheidet sich für den Vater. 

Im bretonischen Quiberon gibt Romy Schneider ihr letztes Interview. Sie hat eingewilligt, im März 1981 mit dem «Stern» zu sprechen und zwar nicht irgendwo, sondern in der Rehab. Sie soll da von ihrer Alkohol- und Tablettensucht runterkommen. Oder diese wenigstens mal unterbrechen. Ihre Diät ist streng: kein Öl, Salz, Zucker, Brot, Fruchtsaft, keine Sahne. Eigentlich darf sie sich nur von Quark und Wasser ernähren. Sie macht den Entzug für David.

Die oesterreischische Schauspielerin Romy Schneider zusammen mit ihrem Verlobten, dem franzoesische Schauspieler Alain Delon, 1959 am Flughafen in Paris. (KEYSTONE/Str)
Verliebt, verlobt, aber nicht verheiratet: 1959 entführt Alain Delon Romy Schneider nach Frankreich.Bild: KEYSTONE

Sie lebt damals – kurz unterbrochen von einem Eheversuch in Deutschland – seit gut 20 Jahren in Frankreich, sie brannte als 21-Jährige mit Alain Delon durch, und Coco Chanel höchstselbst nahm den «kleinen Pummel» (Chanel) unter ihre Fittiche und verwandelte Romy in eine elegante Pariserin. Sie baute sich ein neues Leben und eine neue Karriere fern von «Sissi» auf, als scheinbar selbstbestimmter, sinnlicher Superstar. Deutschland und Österreich verziehen ihr dies nicht, sie wurde als «Franzosenflittchen» abgestempelt.

Romy Schneider – Die Unsterbliche

1 / 16
Romy Schneider – Die Unsterbliche
Mit 16 wurde Romy Schneider Sissi. Und ein Weltstar des Zuckertorten-Films.
quelle: keystone / str
Auf Facebook teilenAuf X teilen

«Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und ich heisse Romy Schneider», wird sie der «Stern» zitieren. Der Mann, der Antworten wie diese aus der Schauspielerin herausbricht, ist Michael Jürgs, wird später Chefredaktor des «Stern», aber kurz nach der Wende wieder entlassen, weil er schreibt, es wäre besser gewesen, die «Zonis» hinter der Mauer zu lassen. Später ist er bei «Tempo».

Er lässt Champagner in den Interviewraum bringen, weil er weiss, dass Romy unter Alkohol freigebiger wird. Am Ende des Gesprächs wird sie betrunken auf dem Teppichboden einschlafen, schliesslich hilft ihr ein Zimmermädchen.

Der Fotograf Robert Lebeck, ein Freund von Romy Schneider, macht 600 Fotos von Glanz und Elend in Quiberon. Als er Romy 1976 auf einem Dreh kennen lernte, steckte sie ihm einen Zettel unter seiner Zimmertür durch, auf dem stand: «Du machst mir Angst –und ich mach mir Angst, vergiss mich schnell, aber bitte sag mir gute Nacht.» Und so verbrachten der Star und der Fotograf ihre erste gemeinsame Nacht, ohne Sex, wie die Legende geht, ihre zweite verbringen sie in Quiberon.

«3 Tage in Quiberon»
Der Fotograf Robert Lebeck wird in «3 Tage in Quiberon» sehr berührend von Charly Hübner gespielt. Bild: LookNow!

Rund 600 Fotos schiesst Lebeck von den drei Tagen, die er mit Romys bester Freundin Hilde Fritsch und Michael Jürgs bei Romy verbringt. Nur 20 davon gelangen an die Öffentlichkeit. Die restlichen hat der 2014 verstorbene Lebeck der Filmemacherin Emily Atef zur Verfügung gestellt. Er und Fritsch haben viele Gespräche mit Atef geführt, gemeinsam rekonstruierten sie die Tage des Interviews. Das Ergebnis: «3 Tage in Quiberon». Ein Film, so schwarz-weiss wie die Bilder und bis ins kleinste Detail exakt. Jedenfalls so exakt, wie 600 Fotos und zwei Freunde dies zu sein vermögen. 

Trailer zu «3 Tage in Quiberon»

Der Film ist stylish – das schicke 70er-Jahre Hotel, in dem Romy gastierte, steht noch genau so, die Felsen am Meer, auf denen sie für Lebeck herumturnte und sich schliesslich einen Knöchel brach, sind ebenfalls unverändert. Marie Bäumer, die immer schon ausgesehen hat wie Romy, hat sich jetzt endlich breitschlagen lassen, die Ikone zu spielen und sie macht das so grosszügig offen, verletzlich und auf anstrengende Art bedürftig, wie Romy selbst gewesen sein soll. Man möchte sie gleichzeitig beschützen und zum Mond schiessen.

Vor allem aber ist der Film medienhistorisch bedeutsam: Wahnsinn, wie höflich die Journalisten seit damals geworden sind! Jürgs Interviewtaktik war brutal, sexistisch und manipulativ. Er erfand frühere Begegnungen mit Romy Schneider, um sie offener zu machen. Er erniedrigte und beleidigte sie, und sie liess es geschehen, denn sie war eine Frau und er war ein Mann und so war das nun mal zu jener Zeit. 

«3 Tage in Quiberon»
Romy (Marie Bäumer) mit Freundin Hilde (Birgit Minichmayr). Die Hotelfassade von einst sieht auch heute noch so aus.Bild: LookNow!

Als Jürgs den Film schliesslich Anfang Jahr an der Berlinale sah, musste er sich gleich mit drei Seiten in der «Süddeutschen Zeitung» rechtfertigen. Sich als Unterstützer und Befreier einer Frau feiern, die doch enorm viel grösser als er selbst gewesen war. Oder, um es in seinen eigenen Worten zu sagen: «Der grösste weibliche Star Europas.»

Am 29. Mai 1982 wird Romy Schneider, eine unglückliche Frau von 43 Jahren, tot an ihrem Schreibtisch gefunden. Unter den trauernden Freunden sind auch Alain Delon, Michel Piccoli und Gérard Depardieu. Delon legt einen letzten Brief auf ihr Grab: «Tu n’as jamais été aussi belle, tu vois j’ai appris quelques mots d’allemand pour toi: Ich liebe dich meine Liebe.»

«3 Tage in Quiberon» läuft jetzt im Kino.

Apropos Interviews mit schwierigen Stars: Vom Crush zum Crash – Hugh Grant am Zürich Film Festival

Video: watson

Schwierige Menschen im Film

1 / 13
Psychische Störungen im Film
Posttraumatische Belastungsstörung: «The Hurt Locker» (2008)
Zahlreiche Filme mit Kriegsszenen greifen deren psychische Folgen auf. Der Oscar-prämierte Film «Hurt Locker» etwa spielt im Irak. Der Soldat im Fokus der Geschichte kann sich zurück zu Hause kaum in das normale Leben einfügen. Die Szenen sind realistisch – im Krieg wie daheim.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
5 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Calvin Whatison
12.04.2018 15:31registriert Juli 2015
Sissi war wohl mehr Fluch als Segen, für diese am Leben zerbrochene, schönen und talentierten Frau.

Merci Frau Meier, gefälliger Artikel.👍🏻😊
20
Melden
Zum Kommentar
avatar
soischeshald
12.04.2018 16:16registriert Januar 2017
Danke für diesen schönen und doch traurigen Artikel. Diese Frau war, ist und wird immer faszinierend bleiben.
Kinobesuch ist gebucht.
10
Melden
Zum Kommentar
avatar
Baba ♀️
12.04.2018 17:44registriert Januar 2014
Danke Frau Meier für diesen feinen Artikel über die grossartige Schauspielerin Romy Schneider.

Man stelle sich vor: dieses Ar**h von Journi bringt ihr Champagner in die Rehab, wo sie von ihrer Alkohol- und Tablettensucht wegkommen soll. Bloss, um mehr aus ihr herauszubekommen. Das ist an Niedertracht schwerlich zu übertreffen!

Hier eine sehenswerte Doku über die letzten Tage dieser aussergewöhnlichen Frau.
00
Melden
Zum Kommentar
5
Neues Tool von OpenAI: So täuschend echt sehen die KI-Videos aus

Das weltweit führende KI-Start-up OpenAI hat seine mit Spannung erwartete Software Sora auf den Markt gebracht, mit der man Videos mit künstlicher Intelligenz aus Text-Vorgaben erzeugen kann. Die Macher des KI-Chatbots ChatGPT wiesen zum Marktstart darauf hin, dass das neue Tool jedoch noch «viele Einschränkungen» hat, die die von Nutzern erstellten Videos beeinflussen können.

Zur Story