Musig im Pflegidach

Musig im Pflegidach: Philip Dizack Quartett

Philip Dizack Quartett @ Musig im Pflegidach, Muri

Baumliebhaber frisch aus den USA

Am 30. 04. 2023 durfte das Philip Dizack Quartett mit Bandmitgliedern Philip Dizack, Joe Sanders, Mike King und Jeremy Dutton mit ihren äusserst verrückten, jedoch sensationellen Stücken im Pflegidach in Muri auftreten.
15.05.2023, 09:19
aisha pfund
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«Ich spürte so eine Art Gravitation zum Baum hin… und umarmte ihn dann. Es war komisch, aber gleichzeitig fühlte es sich richtig an.» Lautes Gelächter. Dieser Satz fiel am Sonntag dem 30.04 im Pflegidach von Muri. Ursprung dieser Aussage war der US-Amerikaner Philip Dizack, ein Grammy nominierter Musiker, der mit seiner Band an einem seiner Lieblingsorte, der Schweiz, musizieren durfte.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kantonsschule Wohlen. Im Rahmen ihres Deutschunterrichts verfassen die Schülerinnen und Schüler auch Konzertberichte, die in die Note einfliessen.

Einen Baum umarmen: bekanntlich nicht gerade die typische Alltagsbeschäftigung einer Person. Aber wenn diese Aussage einen schon aus dem Konzept wirft, so ist der Rest des Konzerts ein Schock, denn der Musikstil und die Art von Philip Dizack und seinen Bandmitgliedern Joe Sanders, Mike King und Jeremy Dutton ist alles andere als typisch. Viel eher ist es ein Experiment und ein Versuch, die Sprache der Menschen mit der Sprache der Instrumente zu verbinden.

Menschliche Instrumente oder doch instrumentelle Menschen?

Verwunderte Blicke, neugieriges Aufhorchen – man spürt die Verwirrung im Raum deutlich, so etwas hat man noch nie gesehen. Das Konzert beginnt ruhig, die musikalische Stimmung ist vergleichbar mit der eines schicken Restaurants am See, sanfte Klänge ertönen. Doch man merkt schon hier: Etwas ist anders. Man hört eine Stimme. Es wird gesungen, ohne dass gesungen wird. Alle hören genauer hin. Sie bemerken, dass der Gesang direkt aus Dizack’s Trompete stammt. Mit geschlossenen Augen und grosser Hingabe bläst er hinein, doch die Töne sind kaum vergleichbar mit der eines Instruments, dafür sind sie zu menschlich.

Die Leute sind fasziniert und verstehen jetzt langsam, dass das Ganze nicht gewöhnlich wird. Gebannt warten sie auf die nächste Neuartigkeit. Und tatsächlich: Etwas später – die Musik ist jetzt viel intensiver geworden – hört man einen zusätzlichen Bass im Hintergrund. Aber es ist nicht der Bass, es ist der Bassist, der diese Geräusche von sich gibt. Keine wirklich hörbaren Wörter, alles leicht abstrakt, aber eben, irgend etwas an dem Gesang hat etwas Bassähnliches an sich.

Philip Dizack - "You've Changed" @ musig im pflegidach, Muri

Verbindung statt Konsum

«Mir ist wichtig, dass die Leute sich mit der Musik verbinden können und dass diese Verbindung aktiv ist, nicht nur blosser Konsum», sagt Dizack, vielleicht eine Erklärung für seine aussergewöhnliche Musik. Ihm sei wichtig, dass die Zuhörer etwas beim Anhören der Musik empfinden. Den blossen Konsum vergleicht er mit dem angeblich gedankenlosen Netflix-Schauen, lacht dann aber, als er zugibt, selbst ein Opfer davon zu sein.

Damit sich das Publikum vollständig mit den Stücken verbinden kann, so meint der Trompetenspieler, müsse sich der Künstler die Stimmung, oder wie er es sagt, «Temperatur» im Raum, bewusstwerden. Ausserdem müsse aber das Publikum auch etwas spüren wollen. Sind sie bloss zum Konsum da, wird das Ganze nicht funktionieren. Aber heute ist ein guter Tag, die Verbindung zwischen Publikum und Spieler ist gelungen, gekonnt werden Emotionen erweckt und die Band setzt gekonnt Dizacks Konzept in die Tat um. «Wirklich, die Musik war sehr bewegend, keine Sekunde verging, ohne die ich nicht etwas Neues verspürte», eine Aussage aus dem Publikum, die den Erfolg des Quartetts nur weiter bestätigt.

Meinungsverschiedenheiten auf der Bühne

Trotz der bemerkenswerten Leistung findet der US-Amerikaner, dass es trotz allem Verbesserungsmöglichkeiten gäbe. Die Schwierigkeiten blieben auch dem Publikum nicht verborgen, denn während dem Stück «Arnold», welches übrigens einen Zusammenhang mit seiner Baumumarmungsgeschichte hat, fängt Sanders an zu spielen. Dizack dreht sich um und meint «nicht jetzt», leicht belustigt. Offensichtlich, ein Missverständnis. Beschwichtigend meint der Jazzmusiker aber, dass solche Kommunikationsfehler eben dazu gehören. Musik sei eine eigene Sprache und Diskussionen in irgendeiner Sprache unter vier Freunden können bekanntlich oft zu Missverständnissen führen.

Wie oft gesagt: ES braucht eine gewisse Verrücktheit, um in dieser Welt weiterzukommen. Und mit ihren Stücken, dem ganzen Baumumarmen, Instrumente nachahmen und der musikalischen Kommunikation hat diese Band genau dieses Level erreicht, um in der Erinnerung des Publikums zu bleiben. Das perfekte Level der Verrücktheit.

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quelle: patrick britschgi
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