Es wurde vergangene Woche vereinbart und geht auf die Initiative von Didier Burkhalter als Präsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zurück. Der Aussenminister kündigte letzten Freitag auf Drängen des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier an, sich an höchster Stelle um eine Lösung im Ukraine-Konflikt bemühen zu wollen.
«Es ist nicht zu spät für eine Deeskalation», sagte Bundespräsident Burkhalter gestern. Er rief alle Konfliktparteien zum Dialog auf. Die Schweiz ist überzeugt, dass man die Anstrengungen zur Umsetzung des Genfer Abkommens vorantreiben muss. Dieses sieht unter anderem die Entwaffnung der prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine vor. Kontakte auf höchstem Niveau, namentlich das Treffen mit Wladimir Putin, sollen dazu konkret etwas beitragen.
Selbstverständlich. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern wollte diese aber nicht vor dem Treffen bekannt machen.
Nach Angaben des EDA geht es nur um die Situation in der Ukraine. Burkhalter sei als OSZE-Präsident und nicht als Schweizer Bundespräsident in Moskau. Auf der Website des Kremls hingegen steht, dass auch bilaterale Fragen wie das 200-Jahr-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen beider Länder auf dem Plan stehen.
Das Treffen an sich wurde von allen russischen Medien erwähnt – allerdings nur in den Newsspalten. Didier Burkhalter ist zwar dem einfachen Russen kein Begriff, aber die OSZE als Organisation schon. Die politische Elite nimmt das Treffen ernst, weil Russland die politische Isolation vermeiden will.
Die OSZE wird in Russland grundsätzlich geachtet. Höheres Prestige haben wohl nur die UNO und der Europarat. Russland kritisiert allerdings seit einigen Jahren, dass die Organisation Doppelstandards anwende – etwa bei der Bewertung von Wahlen, wo Russland regelmässig schlechte Noten bekommt. Andererseits hat Russlands Aussenminister Sergei Lawrow am Montag Burkhalter bei einem Telefonat selbst dazu aufgerufen, die Rolle der OSZE bei der Lösung der Krise in der Ukraine auszubauen.
Solche Zugeständnisse liegen im Bereich des Möglichen. Russland hat zuletzt selbst verstärkte internationale diplomatische Anstrengungen gefordert, um die Regierung in Kiew und die Separatisten an einen Verhandlungstisch zu bringen. Die Vereinbarung von Genf wird in Moskau allerdings als gescheitert angesehen.
Geplant ist ein relativ kurzes Arbeitstreffen. Allerdings ist für Putin der Begriff Zeit ein sehr relativer Begriff. Seine chronische Angewohnheit, sich zu verspäten, ist legendär, was wohl auch daran liegt, dass er in entsprechender Stimmung Treffen viel länger ausdehnen kann als geplant. Aber da die Visite auf einen Tag beschränkt ist, wird es nicht viel Spielraum geben.
Im Kreml. Dem Protokoll nach empfängt Putin seine Gäste dabei im Senatspalast, einem gelben Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert. Häufig finden die Treffen im sogenannten Repräsentationssaal statt, einem in grün gehaltenen, nicht allzu grossen Raum in klassizistischer Architektur, der von einem runden weissen Tisch in der Mitte beherrscht wird. Hier zieht sich Putin dann oft zu Tête-à-Tête-Gesprächen zurück.
Nein. Dieser wurde zwar auf unbestimmte Zeit verschoben, ist aber weiterhin separat geplant.
Auf jeden Fall. Die OSZE ist eine Organisation ohne eigene militärische Gewaltmittel. Sie dient in erster Linie dazu, Konfliktparteien eine Diskussionsplattform zu vermitteln und unabhängige Beobachtermissionen in Krisengebieten durchzuführen. Fachleute halten die OSZE für die neutralste Organisation, die in der Ukraine vermitteln kann. Neutralität bedeutet letztlich nur, dass sich die Schweiz keinem Militärbündnis anschliesst und ihr Territorium keinen fremden Truppen zur Verfügung stellt.
Der deutsche Aussenminister Frank Walter Steinmeier lobte bereits mehrfach die gute Zusammenarbeit mit der Schweiz. Beobachter werten es als «Glücksfall», dass die Schweiz derzeit den Vorsitz der OSZE innehat. Als neutrales Land sei sie besonders geeignet, als ehrliche Maklerin im Ukraine-Konflikt aufzutreten.
Das ist momentan nicht geplant.
Die Agenda bleibt dieselbe. Doch die Schweizer Diplomatie ist nun noch zusätzlich mit der Ukraine beschäftigt.
Die OSZE-Beobachtermission zählt aktuell rund 150 Beobachter, der weitere Ausbau auf bis zu 500 Beobachter ist in vollem Gang. Die Beobachter kommen in den neun im Mandat der Beobachtermission festgelegten Regionen zum Einsatz sowie in Kiew, wo sich das Hauptquartier befindet.
Bei der zivilen Beobachtermission sind fünf Schweizer: einer als stellvertretender Chef der Beobachtermission und vier Beobachter. Bei der Wahlbeobachtungsmission sind vier Langzeitbeobachter aus der Schweiz im Einsatz. Vom 20. bis 29. Mai – also im Umfeld der Wahlen vom 25. Mai – werden noch zehn Kurzzeitbeobachter aus der Schweiz dazustossen.
Militärische Inspektionen finden im Rahmen von OSZE-Abmachungen «zu vertrauens- und sicherheitsbildenden Massnahmen» statt (so steht es im sogenannten Wiener Dokument von 2011). Sie werden auf der Basis bilateraler Entscheide der an den Einsätzen teilnehmenden Staaten und in Einvernahme mit dem Gaststaat durchgeführt. Dem Vorsitz der OSZE kommt dabei keine Rolle – auch keine Informationsrolle – zu.
Putin improvisiert – wie alle anderen auch. Es ging ihm sicher zu Beginn darum, die Ukraine nicht aus dem eigenen Einflussgebiet zu verlieren. Die Ereignisse auf der Krim haben aber gezeigt, dass sich bestimmte Entwicklungen verselbstständigen können. Der mögliche Anschluss der Krim war zunächst wohl nur als Trumpf in den Verhandlungen mit Kiew gedacht, ehe Putin dann selbst nicht mehr zurück konnte. Die Übernahme der Ostukraine ist für Russland mit enormen Problemen – politisch und wirtschaftlich – verbunden und wäre daher nur eine absolute Notlösung. Das Chaos dort dient aber dazu, die Präsidentenwahlen am 25. Mai zu disqualifizieren. Denn Russland hat daran überhaupt kein Interesse, weil es derzeit keinen einzigen russlandfreundlichen Kandidaten gibt, der eine Gewinnchance hat.
Die Angaben hierzu sind unterschiedlich. Die Nato spricht anhand von Satellitenaufnahmen von etwa 35'000 bis 40'000 russischen Soldaten in unmittelbarer Nähe zur ukrainischen Grenze. Der Leiter des ukrainischen «Zentrums für militärische und politische Forschungen», Dmitri Tymtschuk, schätzt die Zahl sogar auf bis zu 50'000 russische Soldaten. Russland selbst hat keine offiziellen Angaben gemacht. Allerdings hat Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Mitte April erstmals eine Erhöhung des Truppenkontingents «zur eigenen Sicherheit» zugegeben.