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Neue Foodwaste-Idee verdirbt Migros und Coop den Appetit

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Neue Foodwaste-Idee verdirbt Migros und Coop den Appetit

Die grossen Detailhändler lehnen den Vorstoss der GLP ab und setzen auf Freiwilligkeit.
28.08.2017, 10:0031.10.2017, 15:13
Benjamin Weinmann / Nordwestschweiz
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Es ist kein schöner Anblick, wenn frisches Essen im Abfall landet. Doch das ist bei den Schweizer Detailhändlern Alltag. Da werden Bananen und Brote entsorgt, obwohl sie noch nicht verdorben sind. Deshalb hat die grünliberale Nationalrätin Isabelle Chevalley kürzlich eine Interpellation zum Thema Foodwaste eingereicht.

Nationalraetin Isabelle Chevalley, GLP-VD, praesentiert an ihrem Insektenapero ein Schokolade Praline garniert mit einer jungen Feldheuschrecke, am Montag, 10. Maerz 2014 an der Fruehlingssession der  ...
Isabelle Chevalley hat eine Interpellation zum Thema Foodwaste eingereicht. Bild: KEYSTONE

Sie will, dass die Lebensmittelspenden vereinfacht werden. Konkret verlangt die Waadtländerin eine Zusammenarbeitspflicht, wie sie in Frankreich für Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern bereits gilt. Sie sind verpflichtet, mit einem Hilfswerk entsprechende Spendenvereinbarungen abzuschliessen.

Pferd am Schwanz aufzäumen?

Jetzt auf

Diese Forderung stösst dem Detailhandelsriesen Migros jedoch sauer auf, wie einem Lobbying-Schreiben an alle Parlamentarier zu entnehmen ist. Die Migros lehne eine solche neue Pflicht klar ab, heisst es darin. Und weiter: «Der Detailhandel ist mit gerade einmal gut vier Prozent dasjenige Glied der Wertschöpfungskette, bei dem am wenigsten Foodwaste anfällt.»

Mit 45 Prozent seien die privaten Haushalte die grössten Verursacher, schreibt die Migros mit Verweis auf Angaben des Vereins Foodwaste.ch. Zudem würden schon heute mit der Migros, Manor, Coop und Denner die grössten Lebensmittelanbieter der Schweiz mit gemeinnützigen Organisationen wie «Tischlein deck dich», «Schweizer Tafeln» oder «Partage» zusammenarbeiten.

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Ein weiteres Problem aus Migros-Sicht: «Für die sozialen Organisationen wäre es auch aus logistischen Gründen weder sinnvoll noch möglich, alle Filialen anzufahren.» Die Pflicht würde sich nicht umsetzen lassen. Stattdessen plädiert der orange Riese für eine freiwillige Zusammenarbeit, die bestens funktioniere. Ein neues Gesetz sei «absolut unnötig».

Sinnvoller erscheint der Migros hingegen die Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats, welcher die grosse Kammer in der Sommersession bereits zugestimmt hat. Mit einer massvollen Lockerung von Vorschriften liessen sich vermehrt Lebensmittel, die für den menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, als Tierfutter verwenden, heisst es in der Motion.

Mahlzeit im Eimer

Auch Coop wehrt sich gegen ein mögliches Gesetz. Man sei schon heute die grösste Spenderin von Lebensmitteln an die Organisation Tischlein deck dich und Schweizer Tafel, sagt Sprecherin Andrea Bergmann. Selber werfe man weniger als 0.2 Prozent der Lebensmittel weg.

Laut dem gemeinnützigen Verein Foodwaste.ch geht ein Drittel aller in der Schweiz produzierten Lebensmittel zwischen Feld und Teller verloren oder wird verschwendet. Das entspreche pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen Nahrungsmittel oder der Ladung von rund 140 000 Lastwagen, die aneinandergereiht eine Kolonne von Zürich bis Madrid ergeben würden. Fast die Hälfte der Abfälle werde laut dem Verein in Haushalten und der Gastronomie verursacht: Pro Person landen hier täglich 320 Gramm einwandfreie Lebensmittel im Abfall. Dies entspricht fast einer ganzen Mahlzeit. (aargauerzeitung.ch)

Schuld am Food Waste ist nicht der Supermarkt, sondern wir

Video: srf
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200 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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karl_e
28.08.2017 10:56registriert Februar 2014
Im Haushalt liesse sich viel Food Waste ("Gschände" auf Alt-Schweizerdeutsch) vermeiden, wenn die Grossverteiler endlich auch Packungsgrössen für Ein-Personen-Haushalte anböten.
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Blitzableiter
28.08.2017 10:59registriert Oktober 2015
Ich frage mich wie die, die Menge an verschwendeter Lebensmittel durch Private Haushalte ermitteln? Geht man einfach davon aus das jeder Haushalt tagtäglich sein Teller nicht aufisst und über kein Tupperware verfügt? Das wir unsere Teuer gekauften Lebensmittel stets im Schrank verderben lassen? Und werden im voraus Bananenschale, Steakknochen und Salzgurkenwasser als verschwendete Nahrung miteinberechnet?
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New Ling
28.08.2017 11:28registriert August 2016
Jetzt hab ich auch einen Bauern gefunden, der die freilebenden eigenen Tiere schlachtet. Jetzt kann ich x-Kilo gemischtes Fleisch, dh. vom ganzen Tier, kaufen und tiefkühlen und weiss, was sie zu fressen bekommen haben, wie sie gelebt haben und wenn ich will kann ich die Tiere auch besuchen. Klar, ist vielleicht mit etwas mehr Aufwand fürs Einkaufen verbunden, aber eben nur anfänglich ... ich finde, dass sich das für uns definitiv gelohnt hat.
Viele Menschen haben auch nicht gelernt, wie man nicht mehr so schöne Lebensmittel trotzdem noch verarbeiten kann ...
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