Der Bundesrat lehnt die RASA-Initiative ab, die eine ersatzlose Streichung des Verfassungsartikels 121a anstrebt. Er hat zwei Versionen eines Gegenvorschlags zuhanden der Vernehmlassung verabschiedet. Bei beiden Varianten bleibt der Auftrag zur Steuerung der Zuwanderung in der Verfassung bestehen. Gleichzeitig soll der Fortbestand der bilateralen Verträge gesichert werden.
Justizministerin Simonetta Sommaruga kam vor den Medien auf den Entscheid des Parlaments zurück. Dieser setzt die Masseneinwanderungs-Initiative nur beschränkt um. «Die direkte Demokratie muss glaubwürdig bleiben. Deshalb meint der Bundesrat, dass die Bevölkerung nochmal abstimmen soll», begründete die Bundesrätin den RASA-Gegenvorschlag.
Die beiden Varianten:
In einer ersten Variante des Gegenentwurfs soll Artikel 121a durch eine Bestimmung ersetzt werden, wonach bei der Steuerung der Zuwanderung völkerrechtliche Verträge berücksichtigt werden sollen, die von grosser Tragweite für die Stellung der Schweiz in Europa sind. Diese Variante berücksichtigt, dass die Bevölkerung den bilateralen Weg mehrmals an der Urne bestätigt hat. Die dreijährige Übergangsfrist würde zudem gestrichen.
Eine zweite Variante sieht vor, die Übergangsbestimmung zu Artikel 121a zu streichen. Der Artikel selbst soll nicht geändert werden. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, das die Stossrichtung des Zuwanderungsartikels aufnimmt, ohne allerdings den Normenkonflikt aufgelöst zu haben. Mit der Streichung der Übergangsbestimmungen bleibt die Möglichkeit offen, in Verhandlungen mit der EU eine Anpassung des Freizügigkeitsabkommens zu erreichen.
Der Bundesrat steht unter einem gewissen Zeitdruck, er muss bis 27. April 2017 die Botschaft zum Gegenvorschlag vorlegen. Deshalb werden die beiden Varianten laut Sommaruga in eine verkürzte Vernehmlassung geschickt, damit der Bundesrat die Botschaft fristgerecht verabschieden kann.
Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative sei «zu einer schier unmöglichen Mission angewachsen», bilanzierte Sommaruga. Die Ausgangslage habe sich mehrmals grundlegend geändert. Die Justizministerin verneinte die Frage eines Journalisten, ob die zwei vorliegenden Varianten auf eine Uneinigkeit im Bundesrat hindeuten. Eine solche Interpretation liegt jedoch auf der Hand.
Sommaruga deutete an, der Bundesrat wolle sich mit den beiden Varianten alle Optionen offen halten, nicht zuletzt mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen. Diese könnten allerdings lange dauern. Sie nimmt auch die MEI-Initianten – sprich die SVP – in die Pflicht, die keine Kündigung der Personenfreizügigkeit verlangt und den Auftrag zu Nachverhandlungen erteilt haben.
In der Abstimmung über den Gegenvorschlag werde die politische Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Offen bleibt, ob eine Annahme als Bekenntnis zu den Bilateralen interpretiert werden könnte. Sommaruga äusserte sich dazu nicht konkret, sie bleibt in der Medienkonferenz ziemlich vage.
Was es bedeuten würde, wenn das Stimmvolk sowohl die RASA-Initiative als auch den Gegenvorschlag ablehnen würde, liess Sommaruga offen. Dieser Entscheid könnte entweder bedeuten, dass die Stimmbürger mit dem Entscheid des Parlaments zur Umsetzung zufrieden seien. Oder es könnte bedeuten, dass das Stimmvolk eine strikte Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative auf Kosten der bilateralen Verträge wolle.
Sommaruga wies auch darauf hin, dass bereits eine Initiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens angekündigt sei. Eine Umsetzung der MEI mit einer Verordnung, wie von der SVP gefordert, sei im Bundesrat kein Thema gewesen. Das Parlament habe dazu ein Gesetz beschlossen. Fazit der Medienkonferenz: Die Bastelarbeit in Sachen MEI geht weiter. (pbl)