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Bürgerliche opfern für Waffenexporte die Schweizer Neutralität

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Die Schweizer Armee nutzt schon heute Mini-Drohnen zur Aufklärung. Nun sollen auch Kampfdrohnen entwickelt und hergestellt werden.bild: VBS/DDPS
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Für Waffengeschäfte opfern Bürgerliche die Neutralität

Bürgerliche Ständeräte wollen, dass NATO-Staaten auch im Konfliktfall Kriegsmaterial aus der Schweiz erhalten. Die Rüstungsindustrie ist für sie wichtiger als die Neutralität.
10.04.2025, 15:0610.04.2025, 16:53
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Bei der Drohnentechnologie ist die Schweiz ein globaler Champion. Davon will die Armee profitieren. Das Verteidigungsdepartement (VBS) hat eine Task-Force für die Entwicklung von Kampfdrohnen und den Umgang mit ihnen eingesetzt, schrieb die «NZZ am Sonntag». Sie verfügt für die nächsten drei Jahre über ein Budget von 47 Millionen Franken.

Das ist nachvollziehbar. Der Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig der Einsatz von bewaffneten Drohnen auf dem Schlachtfeld geworden ist. Die von der Schweiz mit Verzögerung beschafften israelischen Aufklärungsdrohnen wirken im Vergleich wie Dinosaurier. Das VBS will deshalb hiesige Firmen dazu motivieren, derartige Kampfdrohnen zu produzieren.

In this photo provided by Ukraine's 93rd Kholodnyi Yar Separate Mechanized Brigade press service, a soldier gets ready to fire FPV drones towards Russian positions in a shelter in Kramatorsk dire ...
Im Ukraine-Krieg sind Drohnen unverzichtbar.Bild: keystone

Neben ethischen Bedenken gibt es jedoch ein Problem: «Ganz allein für die Schweiz eine militärische Drohnenindustrie aufzubauen, ist sehr schwierig», sagte der ETH-Forscher Roland Siegwart der «NZZ am Sonntag». Serienreife Produkte industriell herzustellen, sei ein komplexer und auch sehr teurer Prozess. Dazu sei der Schweizer Markt viel zu klein.

Niemand will kaufen

Deshalb müssten heimische Hersteller zwingend exportieren können, meint Siegwart. «Doch die Schweiz wird im Ausland nicht als zuverlässiger Partner angesehen. Praktisch niemand will Schweizer Rüstungsgüter kaufen.» Es ist ein grundsätzliches Problem: Während ganz Europa aufrüstet, sind die Schweizer Waffenexporte im letzten Jahr gesunken.

Bei einem Frühstück mit Parlamentariern hatte der deutsche Botschafter Michael Flügger in der Frühjahrssession gewarnt, sein Land werde «kaum noch Rüstungsgüter in der Schweiz bestellen». Das verschärfte Kriegsmaterialgesetz mache sie «zu einem unzuverlässigen Partner». Dabei war Deutschland bislang der wichtigste Abnehmer der Schweizer Waffenproduzenten.

Waffen für kriegführende Länder

Solche «Alarmsignale» sowie Hilferufe aus der Branche haben das Parlament aufgeschreckt. Letzte Woche beschloss die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Ständerats, dass der Waffenexport in 25 «vertrauenswürdige» Länder grundsätzlich bewilligt werden soll, und zwar selbst dann, wenn sie sich in einem internen oder externen Konflikt befinden.

Pikant daran: Zu diesen Ländern gehört ein Grossteil der 32 NATO-Staaten, inklusive USA. Falls die deutsche Bundeswehr in Osteuropa in einen Krieg mit Russland verwickelt werden sollte, könnte sie folglich hoffen, von der Schweiz weiterhin mit Rüstungsgütern beliefert zu werden. Im heutigen Kriegsmaterialgesetz sind Exporte in Krieg führende Länder verboten.

Weiter als der Bundesrat

Zwar hat die Kommission eine Art Hintertür eingebaut: Der Bundesrat könnte Exporte in diese Länder ablehnen, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen und die aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz eine Ablehnung erfordern. Dennoch geht ihr Vorschlag weiter als die vom Bundesrat vorgeschlagene «Abweichungskompetenz».

Er wurde in der Kommission mit 8 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen, also praktisch von allen bürgerlichen Mitgliedern. Sie demonstrieren damit, dass der Erhalt der Schweizer Rüstungsindustrie für sie höhere Priorität als die strikte Auslegung der Neutralität hat. Denn sie ist das Haupthindernis, nicht das ominöse Kriegsmaterialgesetz.

Geschäft vor Prinzip

Bislang stellte sich der Bund eisern auf den im Haager Abkommen von 1911 festgehaltenen Grundsatz, dass neutrale Staaten im Fall eines Krieges alle Parteien gleich behandeln müssen. Damit verhinderte er die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern durch Drittstaaten an die Ukraine, zum grossen Missfallen nicht zuletzt der NATO.

Plakate fotografiert waehrend einer bewilligten Spontankundgebung gegen Waffenexporte, am Dienstag, 4. September 2018 in Bern. Die Teilnehmer der Kundgebung fordern den Bundesrat, Staenderat und Natio ...
Kundgebung gegen Waffenexporte im September 2018 in Bern. Die Gegner stehen erneut bereit.Bild: KEYSTONE

Alle Versuche, diese Praxis etwa an die UNO-Charta anzupassen, sind bislang gescheitert, auch in der Ständeratskommission. Gleichzeitig pochen die Bürgerlichen unter Führung der SVP nach wie vor auf eine «strikte Wahrung der Neutralität». Mit dem Entscheid von letzter Woche aber stellen sie klar: Rüstungsgeschäfte sind wichtiger als Prinzipientreue.

GSoA droht mit Referendum

«Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral», lässt sich wieder einmal konstatieren. Es wäre ehrlicher, man würde dazu stehen, doch die Neutralität ist eine «heilige Kuh». Immerhin wird das Parlament schon bald über die rechtsbürgerliche Neutralitätsinitiative beraten. Es wäre eine Chance für eine grundsätzliche Debatte. Ob sie genutzt wird, ist zweifelhaft.

In diesem Sommer will das VBS erste Drohnentests durchführen. Sie könnten gemäss NZZ am Sonntag im abgelegenen Val Cristallina in Graubünden stattfinden. Ob daraus ein «Exportschlager» wird, bleibt offen. Der Ständerat wird vermutlich im Juni über die beantragte Lockerung beraten. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) droht bereits mit dem Referendum.

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quelle: x00866 / © yuri gripas / reuters
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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gurgelhals
10.04.2025 15:38registriert Mai 2015
Also ehrlich gesagt ist es mir 100 mal lieber, wenn die Schweiz offiziell Rüstungsgüter an NATO Staaten liefert, als wenn es immer wieder solche Vorfälle gibt wo aus „mysteriösen“ Gründen plötzlich CH Technologie in Waffensystemen von Schurkenstaaten auftaucht.
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En Espresso bitte
10.04.2025 15:30registriert Januar 2019
Die Grundfrage, die man sich stellen muss, ist diejenige, ob das Prinzip der dauernden Neutralität in der heutigen, in allen Belangen verknüpften und verbundenen Welt überhaupt noch tragbar ist.
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MaskedGaijin
10.04.2025 15:26registriert Oktober 2014
Die Schweiz sollte der NATO beitreten und die Neutralität begraben.
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