Es riecht nach Frittieröl und gebratenem Fleisch. Die ehemalige Spitalkirche «Heiliggeist» im deutschen Mainz beherbergt nicht etwa Armengenössige oder Kranke, sondern gut betuchte. Denn der historische Bau mit seinen hohen Rundbögen und Reliquien ist heute ein bekanntes Restaurant. Aus dem Gotteshaus wurde ein profaner Fresstempel.
Profanierung – was für ein Wort. Bei den Katholiken bezeichnet es üblicherweise die von einem Bischof vorgenommene Entwidmung eines sakralen Gegenstands. Eben: zu einem profanen, also weltlichen oder alltäglichen Objekt. Zum Beispiel einer Kirche zum nicht-sakralen Ort: Zum Restaurant, Hotel, Partytempel oder sogar zu einer Gebetsstätte für Andersgläubige, wie das Beispiel einer zur Moschee umgebauten Kirche in diesem noch Text zeigen wird.
Immer mehr Kirchen droht dasselbe Schicksal. In der Schweiz ist die Entwicklung weniger weit fortgeschritten als in Deutschland. Ausser an Ostern oder Weihnachten bleiben die Kirchenbänke auch hierzulande leerer und leerer. Seit Jahren laufen den Landeskirchen die Gläubigen davon. Und mit den Kirchenaustritten steigen die Probleme: zum Beispiel beim aufwändigen Unterhalt der Bauten.
So verwundert es nicht, dass Schweizer Kirchgemeinden immer häufiger über eine Umnutzung ihrer Kirchen nachdenken. Die Diskussion kennt keine Tabus. So ist an einer Tagung heute in Bern die Rede von Vermietung, Verkauf und sogar Abriss. Das theologische Institut der Uni Bern hat diesen «Ersten Schweizer Kirchenbautag» organisiert. Anhand einer Ausstellung über realisierte und geplante Projekte will es die Diskussion in der Schweiz fördern.
Einen Gläubigenschwund erlebte zum Beispiel die reformierte Kirchgemeinde im Stadtzürcher Quartier Wollishofen. 2012 stand sie vor einem schwierigen Entscheid. Zwei Kirchen waren zu viel, ihr Unterhalt zu teuer. Für Gottesdienste reichte die kleinere, ältere Kirche vollkommen aus. Doch was sollte aus der anderen werden? Die Kirchgemeinde lancierte einen Ideenwettbewerb. Zahlreiche Vereine reichten ihre Ideen ein. Bis hin zu einer islamischen Organisation des bekannten Muslime-Vertreters Farhad Afshar. Er wollte aus der Kirche ein islamisches Zentrum machen.
Die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz wächst und die islamischen Vereine haben genug von ihren Hinterhof-Moscheen in Industriegebieten. Selbstbewusst drängen sie in die «Mitte der Gesellschaft». Sie fordern Moscheen, die einen solchen Namen auch verdienen.
Eine Moschee mit Kirchturm? Das ist heikles Terrain, hat die Schweiz den Muslimen mit dem Minarettverbot doch Gotteshäuser mit Türmen verboten. In Wollishofen wurde Afshars Vorschlag mit Hinweis auf eine Ausschlussklausel abgelehnt. In der Ausschreibung des Ideenwettbewerbs hatten die Kirchenoberen geschrieben: «Ausgeschlossen ist eine Nutzung durch nichtchristliche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften oder Gruppen».
Und wieder lohnt sich der Blick nach Deutschland, genauer nach Hamburg. Dort haben Gläubige der islamischen Gesellschaft Al-Nour diesen Sommer das Kreuz auf dem Kirchturm einer evangelischen Kirche aus den 1960ern mit dem arabischen Schriftzug «Allah» ersetzt. Frevel? Mitnichten. Die evangelische Kirchgemeinde hatte das Gotteshaus vor mehr als zehn Jahren aufgegeben. Ein Privatkäufer hatte das unter Denkmalschutz stehende Gebäude übernommen. Der Verkauf spülte dringend benötigtes Geld in die Kasse der Kirchgemeinde. Die Muslime kauften das Gebäude erst 2012. Der Privatmann hatte die Kirche im Internet zum Kauf angeboten. Ende Jahr soll der Umbau zur Moschee abgeschlossen sein. Das Geld dazu stammt aus den Arabischen Emiraten.
Aussen Kirche, innen Moschee – mit der Hagia Sofia in Istanbul oder der Mezquita im spanischen Córdoba gibt es berühmte historische Beispiele. Im Zürcher Quartier Wollishofen aber stand ein Familienhotel mit Indoorspielplatz im Kirchenschiff, ein Begegnungszentrum mit Restaurant sowie das Siegerprojekt, eine Orgelausstellung zur Disposition.
In der Kirche Wollishofen sollen also weiterhin Orgelklänge ertönen. Und sogar weiterhin Gottesdienste stattfinden, sofern es Bedarf gibt. Die Kirchgemeinde Wollishofen begnügte sich mit einer erweiterten Nutzung ihrer Kirche. Und erhofft sich so eine bessere Auslastung und Zuschüsse für die gebeutelte Kasse.
Ähnliche Beispiele gibt es viele in der Schweiz. Etwa mit der Luzerner Kirche Maihof, die nun – ganz profan – ein Quartierzentrum ist. Oder dem «Temple de St. Luc», den ein privater Verein für seine Kinder- und Erwachsenenarbeit nutzt und den Bewohner für Privatanlässe mieten können.
Weniger Berührungsängste als die Landeskirchen mit Verkäufen haben zum Beispiel die Methodisten. In Bern ist die «Capella» heute bekannt für Bühnenkunst. Andere ehemalige Methodistenkirchen dienen heute als Lofts.