Wegen eines Angriffs auf einen Türken am Rand einer Kundgebung 2015 in Bern ist ein Kurde zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach den Mann am Mittwoch ausser des Angriffs auch der Sachbeschädigung und des Landfriedensbruchs schuldig. Es verhängte eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu 100 Franken, also von 24'000 Franken. Zudem muss er Verfahrens- und Parteikosten von über 15'000 Franken zahlen.
Der Staatsanwalt hatte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten gefordert. Er hielt den Straftatbestand der versuchten schweren Körperverletzung für erfüllt. Das Gericht erachtete aber nur einen Angriff im Sinn des Strafgesetzbuches für erwiesen.
Gerichtspräsident Urs Herren sagte zur Begründung, der Angeklagte habe mit einem Stock auf den Türken eingeschlagen, der am besten mit einem Besenstiel zu vergleichen sei. Es sei ausgeschlossen, dass er mit einem Baseballschläger zuschlug, wie zuerst behauptet wurde.
Dem Mann könne nicht nachgewiesen werden, dass er auf den Kopf einschlug. Letztlich müsse deshalb offen bleiben, ob der heute 28-jährige Kurde aus Süddeutschland den Türken überhaupt verletzte. Andere Kurden hätten deutlich stärker auf den Türken eingeschlagen oder mit den Füssen gegen diesen getreten.
Den Angriff übte der Mann als Teil einer Gruppe aus. Diese befand sich auf der Schwellenmattstrasse, welche vom Kirchenfeldquartier hinunter zur Aare führt. In diesem Quartier war eine bewilligte Kundgebung von Türken im Gang. Kurden führten - getrennt von der Polizei - im gleichen Quartier eine Gegenkundgebung durch.
Plötzlich fuhren zwei mit Türken besetzte Autos auf dieser Strasse hinunter zur Aare und gerieten in die Kurdengruppe. Die Kurden griffen die türkischen Autoinsassen an, so auch der am Mittwoch verurteilte Mann. Dieser gab vor Gericht zu, mit einem Stück Fahnenstange auf einen Lenker und ein Auto eingeschlagen zu haben.
Der fragliche Lenker konnte sich schliesslich ins Auto retten und erlitt drei Rissquetschwunden am Kopf sowie Blutungen und Schürfungen.
Dieser Türke soll danach mit seinem Auto gewendet und in die Kurdengruppe hineingefahren sein. Mehrere Personen wurden verletzt, so auch der angeklagte Kurde. Dieser erlitt einen Schädel- und Schulterblattbruch und lag zwei Tage im Spital. Der Prozess gegen den Türken wurde kürzlich verschoben und soll später stattfinden.
Zum Zeitpunkt dieser Vorfälle im September 2015 tobte in Südostanatolien, in der Region der Stadt Cizre, ein heftiger Konflikt zwischen der türkischen Armee und Kurden. Über Cizre, welche als Hochburg der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gilt, wurde mehrere Tage lang eine Ausgangssperre verhängt.
Auf die Frage nach einem allfälligen Weiterzug des Urteils sagte Staatsanwalt Marco Amstutz nach der Urteilsverkündigung, die Staatsanwaltschaft werde das Urteil prüfen und dann entscheiden. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen rund um die Kundgebung und die Gegenkundgebung habe es über 100 Verfahren gegeben.
Es seien auch teilbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen worden. Polizei und Staatsanwaltschaft gaben nach den Kundgebungen bekannt, insgesamt 25 Menschen seien verletzt worden, darunter fünf Polizisten. Leute hätten mit Metallstangen auf die Köpfe von Polizisten eingeschlagen, sagte der Chef der Regionalpolizei.
Anfang 2017 veröffentlichte die Berner Kantonspolizei im Internet zuerst verdeckte, dann unverdeckte Bilder von Personen, nach denen sie fahndete. (sda)