Die Empörung liess nicht lange auf sich warten. Von «unnötigem Aktionismus» spricht SVP-Nationalrat Christian Imark, der einen «Rückfall ins autofeindliche Zeitalter unter Bundesrat Moritz Leuenberger» befürchtet. Derweil kritisiert Andreas Burgener, der Direktor von Auto-Schweiz, dass «Simonetta Sommaruga alte Feindbilder aus der Mottenkiste holt».
Die neue Umweltministerin setzt erste Akzente – ein Interview mit der «NZZ am Sonntag» nutzte sie für eine Breitseite gegen Offroader. «In der Schweiz werden viele schwere und grosse Autos gekauft», kritisiert die SP-Bundesrätin. Die Neuwagenflotte habe europaweit den höchsten CO2-Ausstoss. Sommaruga sagt, dass die meisten Offroader nicht etwa im Berggebiet, sondern im Flachland verkauft würden. «Da müssen wir nochmals über die Bücher.» Die Vorschriften beim Import verbrauchsstarker Autos dürften nicht unterlaufen werden.
Die Äusserungen von Sommaruga sorgen bei der Autobranche für Erstaunen. Verbands-Chef Burgener hält sie für undifferenziert: «Die neue Umweltministerin macht den Offroader pauschal zum Sündenbock und ignoriert, welche Bestrebungen auf politischer Ebene bereits laufen», sagt Burgener. Unklar sei etwa, warum Sommaruga erklärt, wie wichtig bei den Emissionszielen für Neuwagen ein «Gleichklang mit der EU» sei, wo doch dieser längst bestehe.
Tatsächlich betont eine Sprecherin der Bundesrätin gegenüber dieser Zeitung, Sommaruga habe bloss «die bereits heute geltenden Vorschriften für Neuwagen und den Stand bei den CO2-Emissionen angesprochen». Das freilich tat sie offenbar in einer für die Vertreter der Autobranche ungewohnten Deutlichkeit.
Andreas Burgener verweist auf das gute Einvernehmen, das seine Branche zuletzt mit Sommarugas Vorgängerin Doris Leuthard (CVP) gehabt habe. Noch im Dezember unterzeichneten Vertreter von Auto-Schweiz und anderen Organisationen mit der damaligen Umweltministerin eine Roadmap, wonach bis 2022 der Anteil neu zugelassener Elektrofahrzeuge auf 15 Prozent erhöht werden soll.
Es ist eine Tatsache: Hochmotorisierte Offroader sind bei Schweizer Autofahrern so beliebt wie nie. Im Jahr 2018 hatte fast jeder zweite Neuwagen einen Allradantrieb. Dass auf hiesigen Strassen mehr Geländelimousinen verkehren, ist einer der Gründe dafür, dass es klimapolitische Ziele im Verkehrssektor schwer haben.
Im Jahr 2017 sind die CO2-Emissionen von Neuwagen erstmals seit 1996 gewachsen; ein Fahrzeug stiess durchschnittlich 134 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Das Bundesamt für Energie führt die Zunahme einerseits auf den höheren Anteil an Allradfahrzeugen zurück, andererseits auf die allgemein schwerer gewordenen Neuwagen. Branchenvertreter verweisen zudem auf die rückläufigen Verkaufszahlen bei den Dieselfahrzeugen, die weniger CO2 verursachen.
Ab Ende 2020 gelten analog zur EU verschärfte Ziele: Neuwagen sollen im Schnitt noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen dürfen. Die Vorgabe ist eine Folge der Energiestrategie 2050. Erreichen Autoimporteure diese nicht, müssen sie mit saftigen Bussen rechnen. Das Umweltdepartement betont auf Anfrage, es seien «erhebliche Anstrengungen fast aller Importeure notwendig, um dieses Ziel zu erreichen». Wie die genaue Regelung aussehen wird, muss das CO2-Gesetz klären. Nachdem dieses im Nationalrat gescheitert ist, beginnen die Beratungen im Ständerat von vorne.
FDP-Nationalrat und TCS-Vizepräsident Thierry Burkart sieht die Aussagen von Bundesrätin Sommaruga denn auch vor diesem Hintergrund: «Sie will Druck machen mit Blick auf die Revision des CO2-Gesetzes.» Die Autobranche pocht angesichts der ambitionierten Vorgaben auf Übergangslösungen, wie sie der Bundesrat bereits auf dem Verordnungsweg eingeführt hat. So dürfen etwa emissionsarme Autos mehrfach der Fahrzeugflotte eines Importeurs angerechnet werden. Politiker von links bis in die Mitte sind gegen diesen «klimapolitischen Sündenfall», wie es GLP-Präsident Jürg Grossen nennt. (aargauerzeitung.ch)