Schweiz
Basel

Auto: 82-Jähriger gibt «Billett» zurück

82-Jähriger gibt sein «Billett» freiwillig zurück – und wird böse überrascht

Hansruedi Rentsch versteht die Welt nicht mehr. Noch immer sei er «gottsjämmerligg verruggt» auf die Behörden, sagt der 82-Jährige. «Ich komme mir vor wie ein Raser oder Blaufahrer.»
01.03.2019, 09:30
Benjamin Wieland / ch media
Mehr «Schweiz»
Über 60 Jahre unfallfrei, dann wird ihm der Führerausweis entzogen: Hansruedi Rentsch aus Allschwil.
Über 60 Jahre unfallfrei, dann wird ihm der Führerausweis entzogen: Hansruedi Rentsch aus Allschwil. Bild: Kenneth Nars

Im Oktober letzten Jahres gab Hansruedi Rentsch seinen Führerausweis zurück, kurz, nachdem er und seine Frau vom Oberbaselbiet nach Allschwil umgezogen waren. Die Tram- und Bus-Anbindung sei an ihrem neuen Wohnort ideal, sagt Rentsch. Sie hätten entschieden, aufs eigene Auto zu verzichten. «Ich bin 64 Jahre lang Auto gefahren. Irgendwann sollte man das Steuer den Jüngeren überlassen.»

Rentsch schickte den Ausweis der Motorfahrzeug-Kontrolle (MFK) Baselland. Wenige Wochen danach bestätigte die MFK schriftlich, sie habe das Dokument erhalten – und merkte an: «Auch wenn ein Führerausweis der Behörde freiwillig zurückgegeben wird, hat dies dennoch die Wirkung eines Entzuges.»

Behörde verteidigt sich

Für Rentsch ist das ungerecht. Zwar müsse sich die MFK ans Gesetz halten, habe gar keine andere Wahl, als die Rückgabe als Entzug zu behandeln. «Aber ich hätte zumindest ein paar Worte des Dankes erwartet. Das wäre doch nicht zu viel verlangt.» Man lese immer wieder von Senioren, die den richtigen Zeitpunkt zur Rückgabe des «Billetts» verpassten und im Strassenverkehr eine Gefahr darstellten, sagt Rentsch. «Diejenigen, die sich vorbildlich verhalten wollen, werden bestraft. Das ist kontraproduktiv: So gibt doch bald niemand mehr seinen Ausweis zurück.»

Pascal Donati, Leiter der Baselbieter Motorfahrzeug-Kontrolle, erklärt, der Behörde seien die Hände gebunden. «Wir sind von Gesetzes wegen verpflichtet, die Personen, die ihren Ausweis freiwillig abgeben, über die Folgen zu informieren.» Die Korrespondenz sei eine heikle Sache. «Da erträgt es keine Emotionen», sagt Donati. Die MFK informiere bewusst knapp, neutral und sachlich. «Die Ausweis-Rückgabe explizit zu verdanken, stünde uns als MFK gar nicht zu», ist Donati überzeugt. «Zudem könnten Dankesworte von den Empfängern falsch aufgefasst werden.»

Martin Matter, Mediensprecher der Grauen Panther Nordwestschweiz, bezeichnet die Praxis der Behörden trotzdem als «stossend» und «psychologisch nicht gut». Matter sagt, er würde sich, neben dem reinen Verwaltungsakt, «auch irgendeine Art positives Echo, ein Zeichen der Wertschätzung» wünschen.

Kategorie «freiwillige Rückgabe»

Rein rechtlich bestehe Nachholbedarf. Es brauche eine neue Kategorie neben dem Entzug, eine Art freiwillige Rückgabe. «Wenn sich herumspricht», sagt Matter, «dass die Rückgabe mit einem Ausweisentzug gleichgestellt wird, macht das doch keiner mehr.»

«Autofahrer sind recht mühsam»

Video: watson/Peter Blunschi, Emily Engkent

In der Verkehrszulassungsverordnung (VZV) steht: «Wird der Führerausweis der Behörde freiwillig zurückgegeben, so hat dies die Wirkung eines Entzuges.» Will jemand den Ausweis wieder zurück, muss er oder sie sich von einem Arzt untersuchen lassen. Solche Tests sind bei Senioren ab 75 alle zwei Jahre vorgeschrieben. Liegt die Rückgabe mehr als zwei Jahre zurück, ist zusätzlich eine Kontrollfahrt zu absolvieren. Nach Ablauf von fünf Jahren heisst es: Fahrprüfung wiederholen.

Zahlen über retournierte Fahrausweise würden nicht systematisch erhoben, lässt die MFK verlauten. Im Kanton Baselland kam es 2017 zu 2375 Ausweisentzügen, in Basel-Stadt waren es 1435. Das Bundesamt für Strassen schreibt, die Rückgaben aus freien Stücken seien darin nicht enthalten. «Wir kennen die Zahlen nicht.»

Kanton Luzern machts vor

Dass die Behörden Spielraum hätten, beweist Luzern. Dort kann man den Führerausweis befristet einziehen lassen. Das Strassenverkehrsamt bietet ein Verzichtsformular an. Im Baselbiet gibt es die Möglichkeit nicht. Die MFK schreibt, es sei kein solches Angebot vorgesehen.

Mit diesen 12 Autofahrern willst du keine Spritztour machen

Video: watson/Knackeboul, Gina Schuler
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
97 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
c-bra
01.03.2019 09:57registriert April 2016
Habe schon oft ein amtliches Schreiben erhalten auf dem ein Post-It draufgeklebt war mit ein paar persönlichen Worten und zB einem Smilie drauf. Dies freut mich jeweils und machen doch die Beamten in ihren trockenen, offiziellen Dingen sympatisch und menschlich. ;-)

Nur so am Rande, auf diese Art wäre das vielleicht schon erledigt gewesen. ;-)
64512
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mimi la belle
01.03.2019 09:52registriert März 2019
So ein Quatsch! Meine Mutter hat ihren Führerschein sich freiwillig abgegeben und die mfk St.Gallen hat ihr einen wirklich netten Brief geschrieben. Er waren nur zwei, drei Sätze, dass sie ihr gratulieren zu diesem Entschluss. Es geht auch anders, wie man sieht!
6188
Melden
Zum Kommentar
avatar
locheha1
01.03.2019 09:54registriert Februar 2016
Wieso soll dieses vorbildliche Verhalten nicht mit ein paar netten Worten schriftlich verdankt werden können? Warum soll etwas, das im Kanton Aargau (!!) geht, im Baselbiet nicht möglich sein? Meine Mutter hat vor Jahren ihr"Billet" abgegeben und das daraufhin erhaltene Schreiben der Behörden gerahmt und in der Wohnung aufgehängt. Sie ist heute noch stolz darauf.
4858
Melden
Zum Kommentar
97
Nur 9 Monate im Amt: UBS-Boss Ermotti streicht Monster-Bonus für 2023 ein
UBS-Chef Sergio Ermotti hat mit seiner Rückkehr zur Grossbank ordentlich mehr Lohn kassiert. Für neun Monate 2023 verdiente er 14,4 Millionen Franken.

Für UBS-Chef Sergio Ermotti hat sich die Rückkehr zur Grossbank auch mit Blick auf den Gehaltscheck gelohnt. Überhaupt verdienten die Top-Kader und Verwaltungsräte der UBS deutlich mehr.

Zur Story