In Frankfurt verhafteten deutsche Beamte einen mutmasslichen Schweizer Spion. Seither schwelt die neueste Schweizer Spionage-Affäre. Die Schweiz fungierte besonders während des Kalten Krieges als Drehscheibe internationaler Geheimdienste. Hier sieben wahre Spionagegeschichten mit Schweizer Bezug:
«An ihrem Busen ruhte das halbe Parlament», titelte der «Blick». Gemeint ist Alexandrea, eine ehemalige Bardame des Nobelhotel «Bellevue Palace» in der Nähe des Bundeshauses. In der Bar des Hotels sollen sich in den 80er-Jahren während den Sessionen Politiker, Journalisten und eben auch Spione getroffen haben.
Die Bardame Alexandrea mit «grossem Busen» und «draller Figur» soll Anfangs der 80er-Jahre den Parlamentariern an feuchtfröhlichen Abenden Staatsgeheimnisse entlockt haben. Für 14'000 Schweizer Franken soll sie im Auftrag des libyschen Geheimdienstes gehandelt haben. Rekrutiert wurde sie von ihrem Geliebten, Mohammed Abdel Malek.
Aufgeflogen sei die ganze Affäre, weil die schweizerische Spionage-Abwehr entdeckte, dass Ghaddafis Abgesandte stets erstaunlich gut über die Vorgänge im Parlament informiert gewesen seien. Das Leck wurde schliesslich 1983 entdeckt und in aller Stille geschlossen. Alexandrea wurde im Geheimen von einem Berner Einzelrichter zu zweieinhalb Monaten Gefängnis verurteilt. Für die Parlamentarier gab es keine Folgen.
Der Schweizer Armee-Offizier Jean-Louis Jeanmaire ist der ranghöchste verurteilte Landesverräter der Schweiz. In den 70er-Jahren hatte der Brigardier Schweizer Armee-Geheimnisse an den sowjetischen Militärgeheimdienst weitergegeben. Als das Informationsleck entdeckt wurde, befürchtete die Schweizer Wirtschaft Sanktionen durch die USA.
Deshalb wurde Jeanmaire umgehend vor Gericht gestellt und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine ebenfalls angeklagte Frau wurde freigesprochen. Sein Anwalt plädierte darauf, das Strafmass zu senken, da Jeanmaire nicht ideologisch motiviert gewesen sei, sondern aus Groll auf die Schweizer Armee gehandelt habe. Er habe sich bei den Beförderungen übergangen gefühlt.
Die Scham darüber, dass ein Schweizer Offizier zu so etwas fähig ist, war gross. So gross sogar, dass eine Gruppe Nationalräte den Spion zum Selbstmord gedrängt habe. Die «Schweizer Illustrierte» schrieb in einer Ausgabe, die kurz vor dem Gerichtsurteil erschien, folgendes: «Ein Nationalrat be- stätigte jetzt nämlich der Schweizer Illustrierten das Gerücht, wonach Jeanmaire in der Untersuchungshaft eine Pistole angeboten worden ist.» So sollte die Sache «offiziersmässig» aus der Welt geschafft werden. Jeanmaire lehnte aber ab.
1996 wurde der Schweizer Botschafter Jean-Pierre Vettovaglia in Bukarest zurück in die Schweiz beordert und gefeuert. Der Grund war eine Affäre mit einer «rassigen, rothaarigen Spionin», schrieb der «Blick» damals. Vettovaglia sei so verliebt gewesen, dass er nur noch die «vollbusige Floriana» auf Empfänge mitnahm. Seine Frau liess er zu Hause. Die Geschäfte der Botschaft habe er derweil «schlittern» lassen.
Vier Jahre, nachdem der Skandal aufflog, wurde der in Ungnade gefallene Botschafter wieder rehabilitiert. Im Jahr 2000 erhielt er einen diplomatischen Posten in Paris, der Stadt der Liebe.
Floriana Jucan war auch nicht untätig und veröffentlichte 1996 ihr Buch «Ambasadorul», über ihre Liebesaffäre mit Vettovaglia.
1979 beauftragt Oberst Albert Bachmann der Schweizer Armee den Spion Kurt Schilling damit, die österreichischen Stellungen an der Grenze zu Ungarn auszukundschaften. Ziel sei es herauszufinden, wie lange die Österreicher einem sowjetischen Angriff standhalten könnten. Als Schilling in der Nacht von österreichischen Soldaten entdeckt wird, gibt er ganz offen zu, Truppenbewegungen zu beobachten.
Drei Tage später wird er von der Staatspolizei verhaftet. Er wird zu fünf Monaten bedingt verurteilt und in die Schweiz abgeschoben. Das geringe Strafmass ist darauf zurückzuführen, dass der Richter das Vorgehen des Spions für derart stümperhaft hielt, dass davon keine Gefahr ausgegangen sei.
Laura D'Oriano hatte 1931 in Marseille einen Schweizer Armeeverweigerer geheiratet, womit sie automatisch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Nazis Paris besetzten, wurde sie von den Alliierten als Spionin angeworben. In Paris sollte sie den deutschen Offizieren Truppenbewegungen entlocken.
Später wurde sie zuerst nach Bordeaux und später nach Genua geschickt. Dort sollte sie die Schäden der Bombenangriffe auf den Hafen aufzeichnen und verschlüsselt an die Alliierten weiterleiten. Die Botschaften wurden aber abgefangen und D'Oriano 1943 verhaftet. Sie wurde zum Tode verurteilt und einen Tag später erschossen. Damit war sie in Italien die einzige zum Tode verurteilte Frau, deren Urteil vollstreckt wurde.
Die Geschichte D'Orianos diente später Alex Capus als Inspiration zu seinem Buch «Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer».
Am 11. August 1957 wurde in Prag ein Schweizer wegen Spionagetätigkeit verhaftet. Doch Friedrich Jegerlehner hatte nicht für den Schweizer Geheimdienst spioniert, sondern für den Amerikanischen. Er bedauerte seinen Verrat derart, dass er nach Verkündung seines Urteils über Radio zum tschechischen Volk sprechen wollte.
Dies wurde ihm gewährt. «Ich wurde in München für die amerikanische Spionage gewonnen, und ich erachte es als meine Pflicht, dem tschechischen Volke zu sagen, was ich getan habe, da ich hier so gastfreundlich empfangen wurde», soll er laut dem damaligen NZZ-Korrespondenten in Wien gesagt haben. Er bedaure zutiefst und werde nie mehr in gleicher Weise handeln.
Die NZZ äusserte damals ernsthafte Bedenken daran, ob es sich bei Friedrich Jegerlehner tatsächlich um einen Schweizer handelte.
1986 wurden in Sambia sechs Schweizer Touristen vom Militär festgenommen und in einem Militärgefängnis zwei Wochen lang verhört. Danach habe man mit ihnen ein «grausames Katz-und-Maus-Spiel» getrieben, titelte der «Blick» damals. Sie seien wiederholt freigelassen und wieder festgenommen worden.
Zu dieser Zeit wurden in Sambia immer wieder weisse Touristen verhaftet und in das Gefängnis in Kasama gebracht. Sie standen unter Generalverdacht, für die südafrikanischen Apartheid-Regierung spioniert zu haben. Eine österreichische Touristin beschrieb im «Blick» ihren Aufenthalt in der «Hölle von Kasama»: «Ich musste mich nackt ausziehen, man verband mir die Augen. Ich wurde ins Gesicht und auf die Brüste geschlagen.» Sie wurde unter Folter zu einem Geständnis gezwungen und schliesslich des Landes verwiesen.
Drei Wochen nach der ersten Festnahme erwirkten der Schweizer und der österreichische Botschafter schliesslich die Freilassung der letzten Touristen aus dem Gefängnis. Der Zwischenfall wurde auf die «Nervosität in der Region» zurückgeführt. Sambia befürchtete, dass die südafrikanischen Rassisten einen Anschlag auf die Ölleitungen geplant hätten. Zuvor hatten südafrikanische Spione ANC-Stellen in Sambia in Brand gesteckt.