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SP Schweiz will EU-Beitritt in mehreren Etappen

SP Schweiz will EU-Beitritt in mehreren Etappen

30.10.2022, 14:4630.10.2022, 15:48
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Die SP Schweiz wünscht einen EU-Beitritt in Etappen. Der Parteitag stimmte am Sonntag in Basel mit 293 zu 84 Stimmen bei 20 Enthaltungen einem Positionspapier zu. Dieses hält den Fahrplan der SP in der Europapolitik fest.

«Für die SP ist klar, dass ein gut ausgehandelter EU-Beitritt die beste Option bleibt», heisst es im Papier mit dem Titel «Aufbruch in ein soziales und demokratisches Europa». Ein vom Parteipräsidium eingesetzter Ausschuss hat es erarbeitet.

Das Papier schlägt als ersten Schritt eine Assoziierung vor. Diese soll in mehreren Schritten erfolgen. Als Erstes müsse die Schweiz nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Institutionellen Abkommen im Mai 2021 kurzfristige «vertrauensbildende Massnahmen» ergreifen. So schlägt die SP vor, dass sich die Schweiz in der europäischen Migrationspolitik solidarisch zeigt und deutlich mehr Flüchtlinge aufnimmt. Zudem solle sie höhere Kohäsionszahlungen entrichten.

Die Schweiz müsse zudem die wichtigsten Prinzipien der Europäischen Säule sozialer Rechte umsetzen. Dazu gehören unter anderem die Elternzeit, Durchsetzung der Lohngleichheit und Richtlinien zu den Mindestlöhnen. Zudem müsste sie die Absprache mit der EU in Sachen Steuerstandards anstreben. Im Papier ist von einem Mindestsatz für die Besteuerung gewinnbringender Unternehmen die Rede sowie von einer Besteuerung multinationaler Konzerne dort, wo sie Gewinne erzielen. Zudem soll sich die Schweiz zu einer Kooperation bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bekennen.

SP wünscht überparteiliche Europa-Koalition

In einer folgenden Etappe könne die Schweiz ein «befristetes Stabilisierungsabkommen» mit der EU anstreben. Dieses soll eine Teilnahme an Forschungs- und Bildungsprogrammen wie Horizon Europe und Erasmus+ regeln. Ab 2023 seien Verhandlungen über ein Wirtschafts- und Kooperationsabkommen anzustreben.

In einer folgenden Etappe schlägt das Papier ein Europagesetz vor. «Um in einer Volksabstimmung bestehen zu können, muss eine Klärung der institutionellen Fragen von der klassischen Europa-Koalition, d. h. von allen Parteien ausser der SVP, getragen werden», heisst es weiter. So ein Gesetz könne eine Europa-Koalition wiederherstellen und dem Bundesrat den Auftrag für die Verhandlungen mit der EU geben. In einem nächsten Schritt sei der EU-Beitritt in Form eines Beitrittsgesuchs aufzugleisen. Eine konkrete Jahreszahl für dieses Ziel wird auf Wunsch entsprechender Änderungsanträge am Parteitag nicht genannt.

Parteiinterne Kontroverse bei der EU-Frage

Die Verabschiedung des Europa-Papiers sorgte am Parteitag im Congress Center Basel für eine lange Diskussion. Unter anderem äusserten sich Vertreterinnen und Vertreter der Jungpartei kritisch. Mirjam Hostetmann (Juso) legte dem Parteitag vor der Schlussabstimmung nahe, das Papier abzulehnen. Ein EU-Beitritt mit Abstrichen sei nicht der einzige gangbare. Hostetmann sprach von einer «unkritischen Haltung» gegenüber der Flüchtlings- und Liberalisierungspolitik in der EU. Ein Anliegen der Juso sei es gewesen, rote Linien zu definieren, um zu den sozialdemokratischen Grundwerten zu stehen.

Jon Pult, SP-GR, spricht waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 17. Maerz 2022, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Jon Pult.Bild: keystone

SP-Nationalrat und Vizepräsident Jon Pult hingegen empfahl das Papier zur Annahme und sagte, es gehe nicht darum, unter allen Umständen und bedingungslos beizutreten. «Wir negieren im Papier überhaupt nicht, dass es auch Nachteile und Herausforderungen gibt», sagte Pult. So etwa beim Service public und der direkten Demokratie. Dennoch sei es wenig sinnvoll, hier «starre rote Linien» festzulegen. Die Anwesenden folgten nach mehrstündiger Erörterung des Papiers schliesslich dem SP-Präsidium. (saw/sda)

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120 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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In vino veritas
30.10.2022 16:30registriert August 2018
Offenbar ist man bei der SP bemüht, an den nächsten Wahlen krachend zu scheitern.

Schon das Rahmenabkommen ist aufgrund der unüberwindbaren Differenzen zwischen Brüssel und Bern gescheitert (automatische Rechtsübernahme, Unionsbürgerrichtlinie, Lohnschutz, fremdes Gericht im Streitfall, Beschneidung der direkten Demokratie, usw). Diese Differenzen konnten über Jahre nicht überwunden werden, auch wenn man das in der SP nicht einsehen möchte. Wie soll in der aktuellen Situation ein EU-Beitritt mehrheitsfähig sein? Warum nicht zuerst den EWR-Beitritt anstreben? Dieser wäre zumindest realistisch.
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Maya Eldorado
30.10.2022 15:35registriert Januar 2014
Bedingung für einen Beitritt ist für mich, dass die direkte Demokratie erhalten bleiben kann, so wie sie jetzt ist. Und das könnte zum Problem werden.

Viel eher sollten wir uns überlegen der EFTA oder der EWR beizutreten.
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Patho
30.10.2022 16:51registriert März 2017
Haben die denn nichts gelernt? Vernünftige Beziehungen zu der EU aufbauen, unbestritten, aber bei dem Verein mitmachen und dafür Abstiche in der Demokratie machen, warum?

Das wäre ja wie wenn man derzeit in die CS investieren würde, ohne Reformen zu verlangen, kein vernünftig denkender Mensch würde das tun🤷🏼‍♂️
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