Am Samstagabend war es auch in der Schweiz so weit: Im Kanton Bern wurde der erste Fall einer Erkrankung am Affenpocken-Virus bestätigt. Wie der kantonsärztliche Dienst des Kantons Bern (KAD) mitteilte, handelt es sich beim Betroffenen um einen Mann mittleren Alters. Er sei bei sich zuhause isoliert und habe nur leichte Symptome.
Dass das Virus sich derzeit in Europa ausbreitet, ist auch bei den Schweizer Behörden nicht unbemerkt geblieben. Im Hintergrund werden Vorkehrungen getroffen, damit man bei einer Zunahme der Infektionen rechtzeitig reagieren kann. Konkret werden drei Bereiche angegangen – in einem weiteren Bereich gibt es allerdings Fragezeichen.
Wie der KAD bekannt gab, nahm man nach der Diagnose sogleich das Contact Tracing auf, das man in der Schweiz seit dem Coronavirus gut kennt. Man habe alle Kontaktpersonen des Erkrankten informiert. Diese wurden darum gebeten, sich bei möglichen Symptomen sofort bei einem Arzt zu melden.
An weitere Massnahmen müssen sich die Kontaktpersonen nicht halten. Obwohl die Inkubationszeit relativ lange ist – das BAG schreibt von mindestens sechs bis 16 Tagen – soll sich das BAG im Laufe der Woche gegen eine Quarantäne-Empfehlung entschieden haben, schreibt die «NZZ am Sonntag».
Das BAG schreibt auf seiner Webseite, Verdachtsfälle sollten getestet und isoliert werden. Nicht klar wird dabei aber, wie lange die Isolation nötig ist – so heisst es weiter: «Zeitraum in Rücksprache mit den Kantonsärztinnen und Kantonsärzten.»
Die «NZZ am Sonntag» schreibt, dass sich aus den Empfehlungen an die Kantonsärzte eine Faustregel ableiten lasse: Demnach dürfen Infizierte erst dann wieder aus der Isolation, wenn aus den pockentypischen Bläschen auf der Haut Krusten geworden sind. Dies könne mehrere Wochen dauern.
Ein weiteres zentrales Thema ist es derzeit, die Ärztinnen und Ärzte für weitere Affenpocken-Fälle zu rüsten. «Wir bereiten ein Informationsschreiben für die Ärzteschaft vor, mit klaren Anleitungen für den Ernstfall», so die Berner Kantonsärztin Barbara Grützmacher gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Ziel ist es, dass Ärztinnen und Ärzte einen Verdachtsfall innerhalb von zwei Stunden sowohl beim zuständigen Kantonsarzt als auch beim BAG melden.
In einem Bereich gibt es in der Schweiz noch Fragezeichen – bei der Behandlung von Affenpocken-Fällen. Das BAG schreibt auf seiner Webseite, diese sei «hauptsächlich symptomatisch». Weiter steht, dass bei schweren Fällen eine antivirale Therapie mit dem Medikament Tecovirimat durchgeführt werden könne. Dieses ist in der EU zugelassen, in der Schweiz allerdings noch nicht.
Ebenfalls nicht zugelassen ist hierzulande der Pockenimpfstoff der dritten Generation, welcher in der EU eingesetzt wird. Dieser verleihe einen «guten Schutz», schreibt das BAG – allerdings würden auch die ersten beiden Generationen für einen «wirksamen Schutz» sorgen, steht weiter.
Swissmedic äusserte sich derweil gegenüber der «NZZ am Sonntag» bezüglich der fehlenden Zulassung. Man habe dazu in den vergangenen Jahren schlicht keine Anträge erhalten, lässt sich das Heilmittelinstitut zitieren. Die Pocken, die mit den Affenpocken eng verwandt sind, gälten als ausgerottet, weshalb die Pharmafirmen auf Neuzulassungen verzichtet hätten.
Es sei «dringend notwendig», das Bewusstsein für die Virenerkrankung zu erhöhen, hiess es Samstagnacht von der UN-Weltgesundheitsorganisation in Genf. Ausserdem müssten Fälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert werden, sowie Ansteckungswege rückverfolgt werden.
Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
Die Erkrankungen, die bisher in Europa, Nordamerika und Australien bekannt wurden, betrafen laut WHO hauptsächlich – aber nicht nur – Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Wegen der noch eingeschränkten Beobachtungslage sei es sehr wahrscheinlich, dass Fälle in weiteren Bevölkerungsgruppen und Ländern auftauchen.
«Die jetzt ausserhalb Afrikas auftretenden Fälle sind schon ungewöhnlich und müssen genau untersucht und eine etwaige weitere Verbreitung genau beobachtet werden», hiess es am Donnerstag vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI).
«In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung», sagte der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg der Deutschen Presse-Agentur. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.
Ausserhalb von Afrika wurden Affenpocken-Infektionen beim Menschen bisher überhaupt erst wenige Male nachgewiesen. Die Häufigkeit scheint allerdings zuzunehmen. Im Jahr 2021 gab es der WHO-Statistik zufolge fünf erfasste Infektionen im Vereinigten Königreich und in den USA. Dreimal waren Menschen betroffen, die sich in Nigeria aufgehalten hatten, bei einem dieser Patienten steckten sich in Grossbritannien zwei Familienmitglieder ab.
Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, sagen Forschende. Ob das Virus die Nische besetzt, die durch die Ausrottung der Pockenkrankheit freigeworden ist, sei momentan noch nicht abschätzbar, erklärte der Marburger Virologe Becker.
Als möglichen Grund nennen die Forschenden einen nachlassenden Immunschutz nach dem Stopp der Pockenimpfungen 1980. Auch Abholzung sei eine mögliche Ursache oder könne als Verstärker fungieren.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA
(dab/dsc)
Aaaausser man ist ein Antiwaxxer.
Tja.