1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken beim Menschen für ausgerottet. Man stoppte die flächendeckende Impfung und das Virus existierte offiziell nur noch in zwei Hochsicherheitslaboratorien in den USA und Russland. Nun sind die mit dem Virus verwandten Affenpocken auf dem Vormarsch – die Nachbarländer der Schweiz melden bereits erste Fälle und auch in der Schweiz ist das Affenpockenvirus bereits angekommen – es gibt zurzeit je einen bestätigten Fall in Zürich, Bern und Genf. Doch wie gefährlich ist das Virus? Alles, was du jetzt wissen musst:
Zurzeit häufen sich die (Verdachts-)Fälle von Affenpocken in den USA (10), Grossbritannien (90), Kanada (62), Portugal (58), Spanien (140), Deutschland (13), Frankreich (7), Niederlande (12), Belgien (7), Italien (11) und weiteren Ländern. In der Schweiz gibt es zurzeit vier bestätigte Krankheitsfälle. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bittet die Bevölkerung um Wachsamkeit und ruft zur Kontaktverfolgung der Infizierten auf. Stand heute, am 26. Mai 2022, gibt es weltweit 332 bestätigte Fälle von Affenpocken. Der erste Fall wurde anfangs Mai in Grossbritannien festgestellt und wird von der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgeführt.
Das Affenpocken-Virus ist eng verwandt mit dem herkömmlichen Pockenvirus – die Erkrankung verläuft jedoch milder. Affenpocken sind somit harmloser als die Pocken, die im 20. Jahrhundert für den Tod von 300 Millionen Menschen verantwortlich waren. Erstmals wurden sie 1958 bei Affen festgestellt – daher der Name. Dieser ist jedoch etwas irreführend, da man davon ausgeht, dass Affen bloss Fehlwirte waren und das Affenpocken-Virus vor allem unter Nagetieren zirkuliert. Die erste Übertragung auf einen Menschen geschah 1970 in der Demokratischen Republik Kongo. Bei den Affenpocken handelt es sich um eine Zoonose: Das Virus kann vom Tier auf den Menschen überspringen. Dass das Virus auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wurde erst in den letzten Jahren vermehrt beobachtet.
Das Labor Spiez – welches dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz unterstellt ist – schätzt die Sterblichkeit im Falle einer Ansteckung in Afrika auf zwischen 1 und 10 Prozent ein. In Europa sollte sie angesichts der besseren medizinischen Versorgung tiefer liegen. Hinzu kommt, dass es sich bei den bisher identifizierten Fällen um die westafrikanische Virusvariante handelt, deren Verlauf im Gegensatz zur zentralafrikanischen Variante milder ausfällt. Gefährlich ist das Virus vor allem für Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
Der Krankheitsverlauf ähnelt dem der normalen Pocken sehr, nur dass die Affenpocken milder verlaufen. Zu den Symptomen gehören plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten und oftmals auch geschwollene Lymphknoten. Das eindeutigste Symptom ist jedoch der für Pocken typische Ausschlag, der meistens im Gesicht beginnt und sich von da aus über den ganzen Körper ausbreiten kann. Die Pocken können Narben hinterlassen und in seltenen Fällen führt eine Infektion mit dem Affenpocken-Virus zu Erblindung.
Das Virus verbreitet sich über den engen Kontakt zu infizierten Tieren, beispielsweise über deren Körperflüssigkeiten oder des Verzehrs ihres Fleisches. Das Virus kann von Mensch zu Mensch bei engem Kontakt über Körperflüssigkeiten übertragen werden. Wie der Virologe Stephan Becker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagt, sei eine Ansteckung über Aerosole zurzeit unwahrscheinlich. «Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders», so Becker. Viele der festgestellten Fälle betreffen homosexuelle Männer – das könnte laut aktuellem Stand der Forschung jedoch reiner Zufall sein.
Es gibt kaum Mittel, um eine Infektion mit dem Affenpocken-Virus zu behandeln. Teilweise können die Symptome etwas abgeschwächt werden, diese sollten aber spätestens nach einigen Wochen von selbst abklingen. Eine Impfung gegen das Virus gibt es nicht – Studien zeigen jedoch, dass eine reguläre Pockenimpfung relativ gut und zudem lebenslang vor einer Ansteckung mit Affenpocken schützt. Für Risikopersonen kommt also präventiv eine Impfung gegen Pocken infrage.
Bisher gab es vor allem in Zentral- und Westafrika immer wieder Fälle von Menschen, die sich mit dem Affenpocken-Virus infiziert hatten. Die Fachzeitschrift «Plos Neglected Tropical Diseases» hat eine Analyse publiziert, die zum Schluss kommt, dass sich die Fälle mehr als verzehnfacht haben. Das könnte laut Experten daran liegen, dass der Immunschutz langsam abnimmt, nachdem die flächendeckende Impfung 1980 eingestellt wurde. Auch die Abholzung würde diesen Effekt verstärken. Dadurch wird der Lebensraum diverser Tiere so verkleinert, dass sie gezwungen sind, immer näher an den Wohnraum des Menschen zu kommen.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht zurzeit davon aus, dass das Virus keine Gefahr für die breite Bevölkerung darstelle – es behält die internationale Lage jedoch genau im Auge. Und weiter: «Die nationalen und internationalen epidemiologischen Daten deuten zurzeit auf eine Begrenzung der Ausbrüche auf spezifische Risikogruppen hin. Es muss davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz neue Fälle auftreten werden.»