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#AssadLeaks: Der syrische Diktator und sein «Freund» im Schweizer Aussendepartement

#AssadLeaks: Der syrische Diktator und sein «Freund» im Schweizer Aussendepartement

01.06.2015, 09:4502.06.2015, 13:49
Kian Ramezani
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Syrische Oppositionelle haben dem libanesischen Nachrichtenportal «Now» rund 3000 gehackte E-Mails aus dem Account von Diktator Baschar al-Assad zugespielt. Darin finden sich Konversationen mit ausländischen Journalisten und Regierungsvertretern, deren familiärer Ton eine gewisse Regimenähe vermuten lässt.

In einem dieser E-Mails taucht der Name eines Schweizers auf: Marc Gschwend. Der Westschweizer leitete von 2009 bis 2012 das Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Damaskus.

Laut «Now» bekam Assad am 12. Januar 2012 ein E-Mail von seiner Frau Asma weitergeleitet, das diese von Ghimar Deeb, einem damaligen Mitarbeiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), erhalten hatte. Dieser wiederum hatte ein E-Mail von Gschwend mit folgendem Wortlaut angehängt:

«Hallo Ghimar! Ich habe glaube ich sehr gute Neuigkeiten! Baschar tauchte gerade überraschenderweise an einer Pro-Regime-Kundgebung auf dem Omajadenplatz auf. Er wandte sich direkt nicht nur an die Teilnehmer, sondern an die ganze syrische Bevölkerung. Diese Überraschung bestätigt meine Analyse seiner gestrigen Ansprache (und nicht nur seiner Worte, sondern auch seiner Einstellung): Ihm ist offenbar in den vergangenen Monaten ein ‹Soft-Putsch› innerhalb seines Umfelds gelungen, und er scheint jetzt in der Lage, seine eigene Agenda durchzusetzen. Wenn ich mich nicht sehr täusche, erleben wir in Syrien gerade eine Wendepunkt. Wir können nach vorne schauen (auch wenn es Hürden geben wird). Wir können das besprechen, wenn du zurück bist. Jetzt geniess erst einmal deine Ferien, aber du wirst in ein anderes Land zurückkehren ;-) Beste Grüsse»

In der Ansprache vom 11. Januar 2012, auf die sich Gschwend bezog, warf Assad der Opposition vor, «Zerstörung, Tod und Verwüstung» über das Land zu bringen. Zusammen mit der Bevölkerung werde es gelingen, die «Verschwörung» zu besiegen, sagte er am Schluss.

Assad-Rede vom 11.01.2012YouTube/Truth Syria

In der anderen erwähnten Ansprache vom Vortag gelobte Assad, weitherhin mit «eiserner Faust» gegen Regime-Gegner vorzugehen. Gleichzeitig kündigte er ein Referendum über eine neue Verfassung an, das am 26. Februar 2012 stattfand

Assad-Rede vom 10.01.2012YouTube/SyriansWorldwide

Widerspruch zur offziellen Position der Schweiz

Mit seiner wohlwollenden Interpretation von Assads Äusserungen stand Gschwend im Frühjahr 2012 ziemlich allein da. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 8000 Menschen bei mehrheitlich friedlichen Anti-Regime-Protesten erschossen worden. Seine Einschätzung deckte sich auch nicht mit der offiziellen Haltung des EDA, seinem Arbeitgeber. In einem Communiqué vom 6. Mai 2011 hatte das Departement für Auswärtige Angelegenheiten die offzielle Position der Schweiz im Syrien-Konflikt dargelegt:

«Das EDA fordert die syrischen Behörden auf, die Repression unverzüglich einzustellen und die Grundrechte der Syrerinnen und Syrer, darunter die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, zu achten. Es verurteilt insbesondere den Einsatz von Schusswaffen gegen die Demonstrierenden.»

Mit dem geleakten E-Mail konfrontiert, erklärt EDA-Sprecher George Farago: «Dieses nicht offizielle Mail enthält eine persönliche Interpretation der damals herrschenden Umstände und entspricht nicht der Haltung des Bundesrats.»

Gleichzeitig stärkt das Aussendepartement Gschwend den Rücken: «Er glaubte zu diesem Zeitpunkt, ermutigende Anzeichen zu beobachten, wonach Präsident Assad die Hardliner in seiner Regierung entfernt habe und nun eine Haltung des Ausgleichs einnehmen und versuchen würde, die Gräben in der syrischen Gesellschaft zuzuschütten», so Farago weiter. Gschwend sei damals überzeugt gewesen, dass die anschliessenden Wochen Syrien dem Frieden näher bringen würden. «Bekanntlich haben sich diese Hoffnungen leider nicht bestätigt.»

«Ich habe den Ausführungen des EDA nichts hinzuzufügen», erklärt Gschwend gegenüber watson. «Viele Leute haben sich damals getäuscht, ich war einer von ihnen.»

Die Ende Februar 2012 geschlossene Schweizer Botschaft in Damaskus.
Die Ende Februar 2012 geschlossene Schweizer Botschaft in Damaskus.bild via botschaftsantenen.blogspot.ch
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