Syrische Oppositionelle haben dem rund 3000 gehackte E-Mails aus dem Account von Diktator Baschar al-Assad zugespielt. Darin finden sich Konversationen mit ausländischen Journalisten und Regierungsvertretern, deren familiärer Ton eine gewisse Regimenähe vermuten lässt. libanesischen Nachrichtenportal «Now»
In einem dieser E-Mails taucht der Name eines Schweizers auf: Marc Gschwend. Der Westschweizer leitete von 2009 bis 2012 das Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Damaskus.
Laut «Now» bekam Assad am 12. Januar 2012 ein E-Mail von seiner Frau Asma weitergeleitet, das diese von Ghimar Deeb, einem damaligen Mitarbeiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), erhalten hatte. Dieser wiederum hatte ein E-Mail von Gschwend mit folgendem Wortlaut angehängt:
In der Ansprache vom 11. Januar 2012, auf die sich Gschwend bezog, warf Assad der Opposition vor, «Zerstörung, Tod und Verwüstung» über das Land zu bringen. Zusammen mit der Bevölkerung werde es gelingen, die «Verschwörung» zu besiegen, sagte er am Schluss.
In der anderen erwähnten Ansprache vom Vortag gelobte Assad, weitherhin mit «eiserner Faust» gegen Regime-Gegner vorzugehen. Gleichzeitig kündigte er ein Referendum über eine neue Verfassung an, das am 26. Februar 2012 stattfand.
Mit seiner wohlwollenden Interpretation von Assads Äusserungen stand Gschwend im Frühjahr 2012 ziemlich allein da. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 8000 Menschen bei mehrheitlich friedlichen Anti-Regime-Protesten erschossen worden. Seine Einschätzung deckte sich auch nicht mit der offiziellen Haltung des EDA, seinem Arbeitgeber. In einem Communiqué vom 6. Mai 2011 hatte das Departement für Auswärtige Angelegenheiten die offzielle Position der Schweiz im Syrien-Konflikt dargelegt:
Mit dem geleakten E-Mail konfrontiert, erklärt EDA-Sprecher George Farago: «Dieses nicht offizielle Mail enthält eine persönliche Interpretation der damals herrschenden Umstände und entspricht nicht der Haltung des Bundesrats.»
Gleichzeitig stärkt das Aussendepartement Gschwend den Rücken: «Er glaubte zu diesem Zeitpunkt, ermutigende Anzeichen zu beobachten, wonach Präsident Assad die Hardliner in seiner Regierung entfernt habe und nun eine Haltung des Ausgleichs einnehmen und versuchen würde, die Gräben in der syrischen Gesellschaft zuzuschütten», so Farago weiter. Gschwend sei damals überzeugt gewesen, dass die anschliessenden Wochen Syrien dem Frieden näher bringen würden. «Bekanntlich haben sich diese Hoffnungen leider nicht bestätigt.»
«Ich habe den Ausführungen des EDA nichts hinzuzufügen», erklärt Gschwend gegenüber watson. «Viele Leute haben sich damals getäuscht, ich war einer von ihnen.»