Im letzten Jahr sorgte ein Tier in der Schweiz für besonders viel Diskussionsstoff – der Wolf. Durch die zunehmende Wolfspopulation kam es immer wieder zu Konflikten mit der Landwirtschaft und auch zwischen Wölfen und Menschen nahm die Zahl an heiklen Begegnungen zu.
Die Politik entschied sich, aufgrund der vielen Beschwerden zu handeln: Seit dem 1. Dezember 2023 ist nun unter klar definierten Bedingungen die präventive Regulierung von Wolfsrudeln zur Verhütung zukünftiger Schäden erlaubt. Diese Anpassung der Jagdverordnung kam nicht bei allen gut an. Besonders Tierschützer wollten den präventiven Abschuss von Wölfen verhindern.
Der Wolf sorgt aber nicht erst seit den aktuellsten Ereignissen für Aufmerksamkeit. Wohl jeder kennt den bösen Wolf aus Märchen und Sagen. Wie kein anderes Tier wurde «Isegrim» zum Symbol des Schreckens in verschiedenen Kulturen. Für die Gebrüder Grimm (1887) war er sogar «das böseste aller Tiere».
Doch was wissen wir eigentlich wirklich über den Wolf? Hier bekommst du einen Überblick, wie und wo der Wolf lebt.
Wölfe sind extrem anpassungsfähige Tiere. Weltweit können sie in der Arktischen Tundra, Wäldern, Steppen, Wüsten und sogar stark zersiedelten Gebieten leben. Bezogen auf die Schweiz kommen Wölfe vor allem in den bewaldeten Gebieten der Alpen, Voralpen und im Jura vor. In Europa umfasst die durchschnittliche Rudelgrösse ungefähr fünf Tiere.
Der Wolf ist ein «Fleischmoudi»: Wann immer sich eine günstige Gelegenheit bietet, reisst er eine Beute. Das passiert deshalb, weil der Jagderfolg oft ausbleibt und die Tiere hungern müssen. Somit kann sich der Wolf keine Chance entgehen lassen und dieses Verhalten führt auch dazu, dass er in einer Schafweide mehr Tiere tötet, als er fressen kann.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Wolf in der Schweiz und in weiten Teilen von Europa fast komplett ausgerottet. Die Tiere wurden aufgrund der Konflikte zwischen Mensch und Wolf systematisch erschossen, gefangen und vergiftet. 1971 wurden die Tiere in Italien unter Schutz gestellt und tauchten dann auch vereinzelt wieder in der Schweiz auf. Hierzulande gilt der Wolf seit 1985 als geschützt, 1995 kehrte er erstmals wieder in die Schweiz zurück. Bis sich das erste Schweizer Rudel bildete, dauerte es aber bis 2012.
Die Population hat sich durch den Schutz und die gleichzeitige Zunahme wilder Beutetiere wieder erholt und 2022 konnten erstmals 240 Wölfe in der Schweiz nachgewiesen werden. Das Bundesamt für Umwelt schreibt in einer Medienmitteilung von 2023, dass aktuell sogar rund 300 Wölfe, also 36 Rudel, in der Schweiz leben.
Durch die ansteigende Population nahmen die Konflikte zwischen Mensch und Wolf wieder zu und die Politik erliess im Dezember 2023 eine Anpassung der Jagdverordnung. 446 Nutztiere hat der Wolf 2019 getötet, 2022 ist die Zahl auf 1480 gestiegen. Insbesondere Schafe reisst der Wolf (in 94 Prozent der Fälle) von allen Nutztieren am häufigsten. Die neue Verordnung ermöglicht den Kantonen, befristet (von Dezember 2023 bis Januar 2024) präventive Rudel-Regulierungen vorzunehmen.
Die präventive Regulierung (auch proaktive Regulierung genannt) bedeutet, dass die Kantone Wölfe erlegen können, um zukünftigen Schaden zu verhindern. Die reaktive Regulierung geschieht erst dann, nachdem Schaden entstanden ist. Der Bundesrat schreibt in einer Medienmitteilung:
Die Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) hat 2022 für den Europarat eine Beurteilung über den Wolf in Europa durchgeführt. Gesamthaft werden rund 21'500 Wölfe in Europa geschätzt. Die Wölfe werden in zehn ortsspezifische Gruppen unterteilt (Skandinavien, Karelien, Baltikum, Zentraleuropa, Karpaten, Dinardien-Balkan, Alpen, italienische Halbinsel, Nordwest-Iberien, Sierra Morena), wobei der Wolf in einer dieser Gruppen bereits ausgestorben ist. Im Gebiet Dinariden-Balkan werden am meisten Wölfe geschätzt, bis zu 6500. Im Gebirge von Spanien, Sierra Morena, gibt es heute keine Wölfe mehr.
Auch in unseren Nachbarländern hat sich die Wolfspopulation seit der Ausrottung im 19. Jahrhundert wieder erholt. In Italien lebten 2023 laut WWF rund 3300 Wölfe, in Deutschland sind es schätzungsweise 1339, in Österreich ungefähr 80 und in Frankreich rund 1100. Die folgende Grafik zeigt auf, in welchen Ländern es wie viele Wölfe gibt.
Da sich Wölfe oft nicht nur in einem Land bewegen, sondern ihre Territorien auch grenzüberschreitend sind, sind die obigen Zahlen mit Vorsicht zu lesen. Eine wissenschaftlichere Sichtweise zeigt die Grafik der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE), welche die Verbreitung des Wolfes grenzüberschreitend aufzeigt.
Wer von falschen Vorstellungen ausgeht, trifft halt auch falsche Entscheidungen.