6000 Rechtsextreme versammeln sich im beschaulichen Toggenburg und feiern ungestört ein Festival. Wie konnte das passieren? Und was bedeutet das? Der Schweizer Journalist und Szenekenner Fabian Eberhard beantwortet die wichtigsten Fragen.
Es gab in der Schweiz immer mal wieder Konzerte mit wenigen hundert Teilnehmern. Doch 6000 Rechtsextreme, das ist eine völlig neue Dimension. Das gab es in der Schweiz noch nie. Auch in Europa kann ich mich in den letzten Jahren nicht an Neonazi-Konzerte dieser Grössenordnung erinnern. Die Teilnehmer reisten aus Deutschland, Tschechien, den Niederlanden, Russland und weiteren Ländern an.
Solche internationalen Anlässe sind für die Vernetzung der Szene enorm wichtig. Die Konzerte werden zum Austausch genutzt und um neue Anhänger zu rekrutieren. Sie fördern das Gemeinschaftsgefühl und stärken die Szene. Dass ein solch riesiges Konzert von den Behörden geduldet wird, gibt den Extremisten zudem das Gefühl, dass ihre Ansichten legitim sind.
Die Schweiz gilt in der Szene als Konzertparadies. In Deutschland handhaben die Behörden solche Anlässe deutlich restriktiver. Die Schweizer belassen es meist beim Beobachten von Aussen.
Bericht der @antifa_bern:https://t.co/pVKeHHHv5n
— M.X. (@M000X) 16. Oktober 2016
(1.Bild innerhalb der Veranstaltungshalle, 2. Plakat mit angekündigten Bands) pic.twitter.com/JbhsovjAKi
In ländlichen Gegenden gibt es eher Vermieter, die Hand für solche Anlässe bieten. Zudem wollen die Rechtsextremen unter sich bleiben. Ohne ein Grossaufgebot der Polizei und ohne linke Gegenproteste.
Es gibt eine punktuelle Zusammenarbeit. Das meiste läuft über freundschaftliche Kontakte. Insbesondere zwischen Schweizer und deutschen Aktivisten von Blood and Honour, die den Anlass organisierten und in Deutschland verboten sind, bestehen enge Verbindungen.
+++ Zur Zeit findet in Unterwasser, St. Gallen ein Neonazikonzert mit weit über tausend Nazis aus ganz Europa statt. +++ pic.twitter.com/JbFm3XMGXr
— Antifa Bern (@antifa_bern) 15. Oktober 2016
Zumindest Rechtsextreme. Der Veranstaltungsort war bis zuletzt geheim. Nur Leute, die stark im rechtsextremen Milieu vernetzt sind, hatten Kenntnis vom Konzert. Die Bands stammen allesamt aus der militanten Neonazi-Szene. Bilder zeigen zudem einschlägiges Klientel.
Das Problem ist, dass die Gemeinde den Anlass bewilligte. Das darf nicht passieren. Die Polizei beobachtete dann nur. Ins Innere der Halle ging sie nicht. Kein Wunder also, dass keine Verstösse gegen die Rassismusstrafnorm festgestellt wurden. Die Bands hetzen in ihren Songs offen gegen Ausländer und Linke und rufen zur Gewalt gegen Andersdenkende auf. Das passierte sicher auch in Unterwasser.
Ja. Aber bei all dem Fokus auf den Islamismus wäre es wichtig, die rechtsextreme Szene nicht aus den Augen zu verlieren. Insbesondere in den umliegenden Ländern erstarkt die rechtsextreme Szene seit Jahren. In Deutschland brennen mittlerweile täglich Asylunterkünfte. Auch in der Schweiz gibt es rund 1000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Die Stimmung kann schnell kippen.
Ich meine, wäre ich einen niederländiischen oder russischen Nazi, dann könnte ich doch nicht im selben Raum mit deutschen Nazis feiern. Sie wollten doch meine Nation einnehmen und meine Bevölkerung vernichten ("meine" steht immer noch in hypothetischer Sicht, da hier ja viele Trolle gerne Rhetorik anwenden ;) ).
Und plötzlich sind alle Freunde?