Es ist erschütternd, was die Schweizer Schauspielerin Esther Gemsch (bekannt aus «Lüthi und Blanc») in der aktuellen Nummer der «Zeit» schildert. Nämlich ihr Martyrium unter dem deutschen Regisseur Dieter Wedel (75). Esther Gemsch ist dabei nur eine von mehreren Schauspielerinnen, die sich mit schweren Vorwürfen gegen Wedel richten.
Es war im Jahr 1980, Esther Gemsch hiess damals noch Esther Christinat, war 24 und wurde zum Casting für eine Hauptrolle im Achtteiler «Bretter, die die Welt bedeuten» nach Hamburg eingeladen. Und engagiert. Die Zusammenarbeit mit Wedel beschreibt sie so: Während des Drehs macht er sie fertig, jede Nacht ruft er sie an, klopft an ihre Hoteltür, verlangt Sex. Sie verweigert sich. Am 12. Dezember 1980 entschuldigt er sich, lädt sie zum Essen ein, lockt sie unter dem Vorwand, ihr einen Arbeitstext geben zu wollen, in sein Hotelzimmer. Als «blauäugig» bezeichnet Gemsch sich selbst heute in der «Zeit».
Im Hotelzimmer soll sich Folgendes abgespielt haben: «Er setzte sich rittlings auf mich, packte meinen Kopf bei den Haaren und schlug ihn immer wieder aufs Bett, einmal an die Wand und dann einmal auf die Bettkante. Er hat mir ins Gesicht gespuckt, seinen Speichel wieder abgeschleckt und gesagt: Wenn du mich küsst, kriegst du Schokolade.» Mit ihrem Schal habe er ihr die Kehle zugeschnürt. Es gelingt ihr, unter starken Schmerzen zu entkommen, ihr Halswirbel ist verletzt.
Die Dreharbeiten pausieren. Es heisst: «Heute kein Dreh wegen Halswirbelverletzung der Hauptdarstellerin». Sie versucht, die Arbeit wieder aufzunehmen. Wedel terrorisiert sie auf dem Set so lange, bis sie zusammenbricht. Teammitglieder bringen sie zu Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem langjährigen Mannschaftsarzt des FC Bayern Münchens. Die 24-Jährige geht nicht zur Polizei, aber zu einem Anwalt. Müller-Wohlfahrt bestätigt ihre Verletzungen, schreibt: «Diese Symptome können eindeutig als Folge der Gewalttätigkeit vom 12.12.80 angesehen werden.»
Wedel und seine Anwälte behaupten, nicht er habe sie belästigt, es sei im Gegenteil umgekehrt gewesen, und ihre Verletzung rühre von einem alten Unfall her. Er bedroht sie. Sie wagt nicht, weiter gegen ihn vorzugehen: «Ich war 24 und hatte kein Geld», zitiert sie die «Zeit». Als Schauspielerin ist sie gebrochen. Jahrelang zieht sie sich zurück. «Lüthi und Blanc» ist ihre Wiedergeburt.
In dem vielseitigen «Zeit»-Dossier zum Fall Dieter Wedel kommen mehrere Zeugen von damals zu Wort, alle bestätigen Esther Gemschs Schilderung, geredet haben sie damals nicht, aus Angst vor Wedel. Ihre Nachfolgerin Ute Christensen beschreibt, wie sie unter Wedels Belästigungen einen Nervenzusammenbruch erlitt und ihr Kind verlor. Eine weitere, anonym bleibende Schauspielerin sagt aus, sie sei von Wedel vergewaltigt worden. Es ist ein Dossier des Grauens.
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(sme)