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Ständerat will Wechsel zur Individualbesteuerung diskutieren

Die Mitglieder der Grossen Kammer diskutieren ueber Energieversorgung, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 4. Maerz 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Va ...
Die Frühjahrssession läuft vom 3. bis 21. März.Bild: keystone

Für und Wider zur Individualbesteuerung halten sich die Waage

04.03.2025, 12:3304.03.2025, 14:03
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Zur Einführung der Individualbesteuerung unabhängig vom Zivilstand halten sich im Parlament das Für und das Wider annähernd die Waage. Der Ständerat ist zwar mit knappem Mehr auf die Vorlage des Bundesrates eingetreten, hat aber aus Zeitmangel noch nicht abschliessend entschieden über den fundamentalen Systemwechsel.

Mit 23 zu 22 Stimmen trat die kleine Kammer am Dienstag auf das Gesetz über die Individualbesteuerung ein. Dafür stimmten Vertreterinnen und Vertreter von FDP, SP, Grünen und GLP, dagegen die Mitglieder von Mitte und SVP.

Der knappe Entscheid war zu erwarten gewesen, denn die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) hatte die Vorlage nur mit hauchdünnem Mehr gutgeheissen, mit Stichentscheid ihres Präsidenten Hans Wicki (FDP/NW). Der Nationalrat hatte der Vorlage im September 2024 als Erstrat zugestimmt, ebenfalls relativ knapp.

Das Gesetz über die Individualbesteuerung soll indirekter Gegenvorschlag sein zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP Frauen. Der Ständerat konnte die Vorlage am Dienstag nicht zu Ende beraten. Die Debatte geht voraussichtlich am Montag weiter.

Bundesgerichtsentscheid von 1984

WAK-Präsident Wicki erinnerte an den Bundesgerichtsentscheid von 1984, wonach die Heiratsstrafe verfassungswidrig ist. «Nach über vier Jahrzehnten mit Initiativen, Vorstössen und Abklärungen haben wir jetzt die Möglichkeit, die Heiratsstrafe zu beseitigen.» Zudem setze die Vorlage Erwerbsanreize für Zweitverdiener.

«Es kann doch nicht sein, dass das Steuersystem mir vorgibt, ob ich heiraten soll oder nicht.»
Thierry Burkart, FDP/AG

Die von der Gegnerschaft geltend gemachte Wirtschaftsgemeinschaft gebe es nicht nur bei der Ehe, sondern auch beim Konkubinat oder beim gemeinschaftlichen Eigentum, so Thierry Burkart.

Thierry Burkart, FDP-AG, rechts, spricht neben Hans Wicki, FDP-NW, links, waehrend des Diskussionspunktes "24.4255 Mo. SiK-S. Die Hisbollah verbieten",waehrend der Wintersession der Eidgenoe ...
Thierry Burkart (Archivbild).Bild: keystone

Die Befürworterseite argumentierte auch mit den neuen Realitäten in der Gesellschaft und neuen Lebensmodellen. Den Kantonen, die die Vorlage in der Vernehmlassung ablehnten, wies Mathias Zopfi (Grüne/GL) eine Nebenrolle zu. Wolle man einen grundsätzlichen Systemwechsel, sei der Bund in der Hauptrolle.

Auf der Gegnerseite verwiesen etliche Voten auf die Kantone, die die Heiratsstrafe abgeschafft oder gemildert hätten. Werner Salzmann (SVP/BE) sprach von «ungerechtfertigten Eingriffen in die Lebensformen von Familien». Auch die vom Bundesrat prognostizierten Beschäftigungseffekte stellte er in Frage.

«Zu mehr Arbeit erziehen»

Marianne Binder (Mitte/AG) warnte vor einem Steuermodell, das dazu erziehen wolle, mehr zu arbeiten. Hannes Germann (SVP/SH) forderte, es solle zuerst über die Initiative abgestimmt werden. Danach könne das Parlament gegebenenfalls handeln anstatt nun einen indirekten Gegenvorschlag zu beraten.

Marianne Binder-Keller, Mitte-AG, verfolgt die Debatte, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 12. Dezember 2023 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Marianne Binder will keine erzieherischen Anreize (Archivbild).Bild: keystone

Die Vorlage begünstige Doppelverdiener und belaste Familien mit einem Einkommen massiv mehr, sagte Pirmin Bischof (Mitte/SO). «Reichlich absurd» sei, dass alle Kantone ihr Steuerrecht korrigiert hätten nach dem Bundesgerichtsurteil. Der Bund hingegen habe nichts getan und wolle nun die Kantone zu Umstellungen zwingen.

Die Heiratsstrafe müsse weg, doch Vorschläge für Reformen hätten bisher keine Mehrheiten gefunden, stellte Finanzministerin Karin Keller-Sutter fest. Die Vorlage sei so gestaltet, dass eine Mehrheit der Steuerpflichtigen profitiere. Und: Es gehe nicht an, wegen des erwarteten Aufwandes auf die Umstellung zu verzichten.

Rücksicht auf ungleiche Einkommen

Mit Rücksicht auf ungleiche Einkommen eines Elternpaares beschloss der Ständerat, dass kinderbezogene Abzüge von einem auf den andern Elternteil übertragbar sein sollen. Geschehen soll dies im Umfang des Betrages, den ein Elternteil von den Steuern nicht abziehen kann. Ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, spielt keine Rolle.

Um die Auswirkungen auf den Haushalt abzufedern, erhöhte der Ständerat den Kinderabzug weniger stark als dies Bundesrat und Nationalrat wollen. Von 6800 Franken soll er lediglich auf 10'700 statt auf 12'000 Franken angehoben werden.

Eine Minderheit um Eva Herzog (SP/BS) wehrte sich vergeblich dagegen. Die Erwerbsanreize würden mit der Übertragung teilweise rückgängig gemacht und der Ist-Zustand zementiert, sagte sie. Nun hat der Nationalrat darüber zu entscheiden.

Bei der direkten Bundessteuer führt die Vorlage pro Jahr zu 870 Millionen Franken weniger Einnahmen für Bund und Kantone im Jahr. Das ergaben neueste Schätzungen. (sda/thw)

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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mMn
04.03.2025 14:04registriert September 2020
Es ist doch nicht so schwierig. Natürlich braucht es die Individualbesteuerung. Also führt sie endlich ein. Heiratsstrafe ist eine willkürliche Steuer und somit gegen unsere Verfassung. Wenn ihr nicht mal das hinbekommt, wechselt doch gleich alle Ständeräte aus.
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