Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Auf Rudolf Elmers Kopf sind die Haare rar geworden. Er verlor sie im elfjährigen Krieg gegen die Bank Julius Bär. Und neben Elmers Haaren liegt auch das Schweizer Bankgeheimnis auf dem Schlachtfeld.
Die einen halten diesen Mann für einen heldenhaften Whistleblower, der das einst so lukrative Tabu unseres Landes brach. Die anderen sehen in ihm ein kleines Banker-Würstchen auf einem persönlichen Rachefeldzug. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Und die Bauteile dafür findet man zum einen im kürzlich erschienen Buch von Carlos Hanimann «Elmer schert aus», und zum anderen im Dokfilm «Offshore» von Werner Schweizer, der ab heute im Kino läuft.
Elmers Geschichte beginnt Mitte der 90er Jahre. Er ist Revisor bei der Bank Bär in Zürich. Doch weil er ein sehr pedantischer, ehrgeiziger Mann ist, bietet man ihm an, als Direktor auf die Cayman Islands zu gehen. Dort steht die ausgelagerte Vermögensverwaltung der Bank. Mitten im karibischen Paradies, wo man keine Regeln und keine Steuern kennt. Offshore. Elmer räumt die Bank auf, in der die Angestellten auf steinzeitlichen Computern herumtippen, die Füsse und Akten auf den Bürotischen parken und Sitzungen auf dem Golfplatz abhalten.
Doch nur ein paar Jahre später wird die Cayman-Tochter der New Yorker Filiale unterstellt. Jobs werden gestrichen, die Stimmung sinkt, Dossiers mit wichtigen Kundendaten verschwinden. Der neue Chef verdächtigt Elmer, der sofort an einen Lügendetektor angeschlossen wird. Ob er etwas getan habe, wofür man ihn feuern könnte, fragen ihn die Männer. Und Elmer schwitzt, während der Polygraph seine Atmung, seinen Puls und Blutdruck in verheissungsvollen Kurven aufzeichnet.
Eine Woche später erhält Elmer die Kündigung. Und darin keine Spur von der Abfindung, die er sich vorgestellt hatte. Obwohl die verschwundenen Akten inzwischen wieder aufgetaucht sind. Sie wurden nur falsch abgelegt.
Doch Elmer besitzt noch immer seinen alten Hurrikan-Laptop, auf dem er seine Bankgeschäfte erledigte, wenn die Stürme über die Cayman Inseln fegten. Mit ihm wurde er jeweils nach Miami evakuiert. Und im Kinderwagen unter seiner kleinen Tochter lag das Tape mit allen Kundendateien.
Das kramt er jetzt hervor. Seine Lebensversicherung, wie er es nennt. Und er beginnt Drohbriefe an Bär-Kunden zu schreiben. Sie sollen mit der Steuerhinterziehung aufhören. Er schickt die brisanten Daten auch an Steuerbehörden auf der ganzen Welt. Aber es passiert nichts. Dem Wirtschaftsmagazin «Cash» spielt er anonym eine Daten-CD zu, doch es berichtet nur vom Datenleck. Und schickt die gesamten Informationen an die Bank Bär zurück.
Bär selbst reagiert auf Elmers Vorstoss mit der Beschattung ihres ehemaligen Mitarbeiters. Dunkle BMWs stehen vor seinem Haus, sie verfolgen seine Frau. Und ein Mann im Anzug reicht der kleinen Tochter auf dem Schulweg einen Apfel.
Elmer dreht durch. Er legt Nagelbretter gegen die schwarzen Detektiv-Wagen auf die Strassen. Und er droht seinem Ex-Arbeitgeber direkt. Mit Neonazis und dem Tod. Die Antwort der Bank lautet:
Anfangs ging es Elmer allein um eine anständige Entschädigung für seine Kündigung. Aber nun beginnt er, sich aufzuschwingen zum Henker aller Steuersünder, zur Stimme der Gerechtigkeit, die die korrupten Machenschaften des Bankwesens schamlos aufzudecken versucht. Man sollte diesen Mann für verrückt halten. Und Elmer wird tatsächlich verrückt.
2005 wird er wegen «Drohung etc.» verhaftet. Und hinter den Mauern des Bezirksgefängnis in Zürich fühlt sich der 50-jährige Elmer das erste Mal seit langem wieder sicher.
Danach verschlägt es Elmer nach Mauritius. Und wieder arbeitet er offshore, für die Standard Bank of Africa, während er gleichzeitig gegen genau dieses Bankensystem feuert: 2007 schickt er dem noch unbekannten Enthüllungs-Startup WikiLeaks seine Bär-Daten unter vollem Namen. Das bringt Elmer eine Menge Presserummel, eine abermalige Kündigung und eine posttraumatische Belastungsstörung ein.
Doch der Stein kommt ins Rollen und ist nicht mehr aufzuhalten. WikiLeaks verliert zwar den Prozess gegen Julius Bär und muss ihre Website vom Netz nehmen, doch das macht sie erst berühmt. Der Stein rollt weiter, er rollt über die LGT in Lichtenstein, über die UBS und die HSBC. Elmer hat ihn angestupst. Und Heinrich Kieber, Bradley Birkenfeld und Hervé Falciani haben dafür gesorgt, dass er nicht anhält. Bis das Bankgeheimnis restlos zermalmt ist.
Elmers Daten erzählten «nur» von mittelgrossen Steuerhinterziehern, das eigentlich Skandalöse war das Steuermodell der Bank Bär selbst. Nach Elmers Einschätzung betrugen die mit gewieften Offshore-Tricks produzierten Steuerausfälle zehn Millionen Franken pro Jahr.
2011 erhält er von Julius Bär Schmerzensgeld für die Überwachung. 600'000 Franken für die unheimlichen BMWs, die er in einem Offshore-Trust auf Jersey anlegt. Für seine Tochter.