Die Credit Suisse ist bald Geschichte. Die UBS wolle die am 19. März vom Bundesrat per Notrecht verordnete Übernahme des Konkurrenten im ersten Halbjahr 2023 abschliessen, sagte CEO Sergio Ermotti am Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse für das erste Quartal. Es fehlten noch einige Genehmigungen, doch das sei Formsache.
Um einiges länger wird die Integration der CS in die UBS dauern. Das gilt auch für die Aufarbeitung der Nachwehen. Dazu gehört der Ablauf des in einer Hauruck-Übung durchgezogenen Bankendeals. Bis fast zuletzt hätten die Chefs der CS den Ernst der Lage nicht wahrhaben wollen, erzählte ein in die Verhandlungen involvierter Insider.
Dabei habe man im Finanzdepartement in Bern angesichts des massiven Abflusses an Kundengeldern befürchtet, die Grossbank werde nicht einmal bis zu besagtem Wochenende durchhalten, so der Gewährsmann. Am Ende konnte der Deal mit Ach und Krach über die Bühne gebracht werden. Doch die Umstände der Übernahme erzeugen heftige Nebengeräusche.
Einige Aspekte waren und sind umstritten. Sie bedürfen einer gründlichen Aufarbeitung und dürften teilweise ein juristisches Nachspiel haben. Ohnehin gibt es rechtliche Stolpersteine, die die Übernahme noch auf Jahre hinaus belasten könnten.
«This is no bailout. This is a commercial solution», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter zu Beginn der Medienkonferenz an jenem Sonntagabend. Also keine staatliche Rettung, sondern eine privatrechtliche Lösung. Diese Interpretation war von Anfang an umstritten, denn faktisch kam der Deal nur durch das vom Bundesrat angewendete Notrecht zustande.
Zum wiederholten Mal in der jüngeren Geschichte hatte die Landesregierung zu diesem Instrument gegriffen. Seine Anwendung im konkreten Fall wird von Experten kontrovers diskutiert. Zu den Kritikern gehört Reto Müller, Dozent an der ZHAW School of Management and Law in Winterthur. Er äusserte sich diese Woche an einem Webinar der Weblaw AG.
Keller-Sutter begründete das Notrecht mit der Verhinderung einer möglicherweise globalen Finanzkrise. Für Müller aber ist es «sehr fraglich», ob Artikel 185 der Bundesverfassung, auf den sich der Bundesrat beruft, den Schutz des Finanzplatzes erfasst. Denn für solche Fälle wurde das «Too big to fail»-Gesetz geschaffen, das faktisch ins Altpapier spediert wurde.
Von einem Staatsnotstand, der Notrecht legitimieren würde, sei man im Fall der CS «weit entfernt» gewesen, meint Müller. Konkrete Folgen wird das kaum haben, doch ein führender Finanzplatz sollte «eine vorausschauende Regulierung pflegen, keine hinterherhinkende», fordert Müller. Dabei gehe es auch um die Frage, wie man eine noch grössere UBS retten wolle.
In einer ausserordentlichen Session Anfang April hätte das Parlament die Kreditgarantien des Bundesrats von 109 Milliarden Franken nachträglich absegnen sollen. Dabei ging es um eine Ausfallgarantie für die Liquiditätshilfe der Nationalbank von 100 Milliarden Franken und Garantien von 9 Milliarden Franken für die UBS zur Absicherung möglicher Verluste.
Der Nationalrat aber spielte nicht mit und versenkte das Geschäft mit den Stimmen von SVP, SP und Grünen. Sie taten dies in der Annahme, ein Nein werde keine Folgen haben, weil die Finanzdelegation (FinDel) von National- und Ständerat den Deal am 19. März abgesegnet hatte. Rechtsexperten allerdings halten ein Ja des Parlaments für zwingend.
Sie stützen sich auf das Finanzhaushaltsgesetz, das eine nachträgliche Genehmigung durch das Parlament vorsieht. Der Staatsrechtsprofessor Andreas Stöckli von der Universität Freiburg findet hingegen, die vom Bundesrat eingegangenen Verpflichtungen behielten «wegen der Rechtssicherheit» ihre Gültigkeit, wie er im besagten Webinar ausführte.
Mit der Nationalbank bestehe ein schriftlicher Vertrag, der eingehalten werden müsse, sagte Stöckli. Die 9-Milliarden-Garantie für die UBS hingegen existiert erst als mündliche Zusicherung des Bundesrats, doch damit sei «eine Vertrauensgrundlage geschaffen worden». Deshalb müsse dieser Vertrag trotz Nichtgenehmigung abgeschlossen werden.
Demokratiepolitisch sei dies nicht ideal, räumte Stöckli ein. Eine zweite Sondersession, wie sie der Zürcher Professor Andreas Kley forderte, wird es aber kaum geben. Denn auch der Bundesrat vertritt die Auffassung von Andreas Stöckli. Er sicherte vage zu, das Nein des Parlaments in den Verhandlungen mit der UBS zu berücksichtigen.
Der vielleicht umstrittenste Aspekt betrifft die Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) der Credit Suisse. Dabei handelt es sich um Obligationen, die als spekulativ bewertet werden, aber auch einen höheren Zins als üblich bieten. Die AT1-Anleihen der CS hatten einen Umfang von 16 Milliarden Franken und wurden von der Finma am 19. März für wertlos erklärt.
Bei den Obligationären sorgte dieser Totalverlust für grosse Aufregung, denn sie werden schlechter behandelt als die Aktionäre, die dank des Übernahmepreises von 3 Milliarden Franken nicht völlig leer ausgehen. Experten halten diese Ungleichbehandlung jedoch für zulässig. Ohne den Entscheid der Finanzmarktaufsicht hätte der CS der Konkurs gedroht.
Nicht alle AT1-Obligationäre wollen sich das bieten lassen. Bereits wurden Klagen am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen und beim Finanzdepartement in Bern eingereicht. Auch in den USA, Singapur und im Nahen Osten sind Verfahren absehbar. Mehrere Anwaltskanzleien kündigten am Freitag an, sie wollten ihr Vorgehen koordinieren.
Und auch bei den Aktionären könnte es zu einem juristischen Nachbeben kommen, denn sie wurden durch das Notrecht faktisch enteignet. In der Schweiz sind die rechtlichen Hürden hoch, weil keine Sammelklagen möglich sind. Das ist im Ausland nicht der Fall. «Es wird Klagen geben», orakelte der Bankenexperte Peter V. Kunz im «Blick».
Ein wenig beachteter Aspekt betrifft die Liquiditätshilfe-Darlehen der Nationalbank (SNB). Sie dürften gemäss Nationalbankgesetz nur gegen «ausreichende Sicherheiten» gewährt werden, doch die gibt es nicht. Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse kritisierte dies scharf: «Der Bundesrat hat via Notrecht zentrale Prinzipien der Schweizer Geldpolitik ausgehebelt.»
Zwar erhielt die Nationalbank ein Konkursprivileg, doch das sei «nicht der Rede wert, es bietet schlicht keine Sicherheit», so Avenir Suisse. Bei der Nationalbank scheint man es ähnlich zu sehen. Finanzministerin Keller-Sutter räumte an der Sondersession ein, die Gespräche mit SNB-Präsident Thomas Jordan seien nicht ganz einfach gewesen.
Zu den Problemen rund um die Übernahme gesellen sich Altlasten aus der langen Liste an Skandalen, die sich die Credit Suisse in den letzten Jahren geleistet hatte. Sie dürften die UBS noch lange beschäftigen. Dazu gehören hängige Klagen in Zusammenhang mit den Spekulationsvehikeln Archegos und Greensill, in denen die CS Milliarden «verlocht» hatte.
Im Oktober findet in London zudem laut dem «Tages-Anzeiger» ein Mammutprozess zu den Milliardenkrediten für eine Fischfangflotte in Mosambik statt. Mitarbeiter der CS in London hatten sich eigenmächtig daran beteiligt und wohl auch bereichert. Die Kredite erwiesen sich als nutzlos und stürzten das bitterarme ostafrikanische Land in den Staatsbankrott.
Hinzu kommen weitere offene Rechtshändel. Der frühere georgische Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili hat die CS in mehreren Ländern verklagt, weil er sich von einem Kundenberater betrogen fühlt. Und wenige Tage vor der Rettungsaktion wurden in den USA Sammelklagen gegen die CS wegen mutmasslich falscher oder irreführender Angaben eingereicht.
Dann gibt es Fälle, die weit zurückreichen. So hat der US-Senat Vorwürfe gegen die Credit Suisse erhoben. Ihre Vorgängerin, die Schweizerische Kreditanstalt, habe Gelder von Nazis verwaltet, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien geflüchtet waren. Das erinnert an die Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen in den 1990er-Jahren.
Die Liste zeigt, dass der grosse Bankendeal juristisch noch lange zu reden geben dürfte. In mehreren Fällen gingen Bundesrat und Finma mit dem Notrechts-Entscheid zumindest an die Grenze des Zulässigen, wenn nicht darüber hinaus. Die Gerichte werden am Ende entscheiden müssen, und auch die UBS hat einige «Aufräumarbeiten» zu erledigen.
Das Spektrum ist weit. So erhält der Bund eine Prämie für die Garantien. Im besten Fall wird er mit der Übernahme einen netten Gewinn erwirtschaften. Genauso gut aber kann der Mega-Deal Bund und UBS teuer zu stehen kommen. Denn für eine vertiefte Buchprüfung fehlte die Zeit. Es könnten also weitere «Leichen» im Keller der CS auftauchen.
In allen anderen Bereichens heisst es dann "Das Recht wurde gebrochen".
Darin sind wir Weltmeister. Im Nachhineinein hyperaktiv herumzumäandern. Sich aufzuplustern, was wir jetzt imfall alles tun können.
Das ödet einfach nur an.
Jahrelang schleifen lassen. Und jetzt wird vom Bundesrat, dem Parlament und den Medien dieses Rösslispiel veranstaltet. Der Berg wird eine Maus gebären. Es wird sich nichts ändern.