«Nein heisst Nein», Kostenübernahme für Safer-Sex-Methode und Uhren-GAV: Am heutigen Montag treten in der Schweiz zahlreiche Gesetzes- und Verordnungsänderungen sowie weitere Neuerungen in Kraft. Hier behält ihr den Überblick.
Bund und Kantone starten heute eine Ausbildungsoffensive im Pflegebereich: Erstens unterstützen die Kantone Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen, die praktische Ausbildungsplätze für diplomierte Pflegefachkräfte anbieten, finanziell. Zweitens können sie Personen, die eine Pflegeausbildung an einer Fachhochschule oder höheren Fachschule absolvieren, finanziell unterstützen. Auch erhalten die Schulen Zuschüsse. Mit der Offensive sollen die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich verbessert und die Ausbildung gefördert werden. Beides waren Forderungen der 2021 von der Stimmbevölkerung angenommenen Pflegeinitiative. Insgesamt soll die Ausbildung während acht Jahren mit rund einer Milliarde Franken gefördert werden.
Die wichtigsten Stromproduzenten und -Netzbetreiber müssen neu Minimalstandards für Cybersicherheit erfüllen. Die vom Bundesrat geänderte Verordnung soll den Schutz vor Cyberangriffen auf Stromversorgungsunternehmen stärken. Eine Änderung der Energieförderungsverordnung legt zudem neu einen Höchstbeitrag für Investitionsbeiträge auch für Biogasanlagen fest. Damit werden diese Anlagen gleich behandelt wie Holzkraftwerke oder Kehrichtverbrennungsanlagen. In der Kernenergieverordnung erhält das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) derweil den Auftrag, den Nachweis der Langzeitsicherheit der Tiefenlager für Atommüll in seinen Richtlinien zu regeln. Und gemäss der geänderten Niederspannungs-Installationsverordnung dürfen Montage-Elektriker neu zuhause Installationsarbeiten vornehmen, die bisher nur Fachpersonen ausführen durften.
In der Uhren- und Mikrotechnikindustrie tritt ein neuer Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in Kraft. Dieser betrifft fast 55'000 Beschäftigte in über 500 Uhren- und Mikrotechnik-Firmen in der Schweiz. Der GAV sichert den absoluten Arbeitsfrieden in dem Industriesektor bis Ende 2029, wie die Sozialpartner mitteilten. Damit sind Kampfmassnahmen wie Streiks von der Arbeitnehmerseite oder Aussperrungen durch die Arbeitgeber untersagt. Im neuen GAV verlängert sich etwa der Mutterschaftsurlaub von 17 auf 19 Wochen. Der Arbeitgeberbeitrag an die Krankenkassenprämie steigt ab 2025 auf 195 Franken und die AHV-Überbrückungsrente bei frühzeitiger Pensionierung auf 30'000 Franken. Der GAV für die Uhrenindustrie war vor 87 Jahren der erste in der Geschichte der Schweiz.
Die Krankenkassen übernehmen für Personen mit erhöhtem Risiko neu die Kosten für die HIV-Präexpositionsprophylaxe. Letztere bezeichnet eine Safer-Sex-Methode vor einem möglichen HIV-Kontakt. HIV-Negative können dabei ein HIV-Medikament einnehmen, um sich bei einem Kontakt vor einer Ansteckung zu schützen. Die Anpassung erfolgt im Rahmen des vom Bundesrat verabschiedeten Programmes «Stopp HIV, Hepatitis-B-, Hepatitis-C-Virus und sexuell übertragene Infektionen (Naps)». Bis 2030 soll es in der Schweiz keine Ansteckungen mit dem Aids-Virus (HIV) und keine Infektionen mit Hepatitis B und C mehr geben.
Die Fluggesellschaft Swiss reduziert ihren Verwaltungsrat auf drei von bisher fünf Mitgliedern. Dabei scheiden André Blattmann und Ashwin Bhat aus dem Gremium aus. Zudem wird der scheidende CEO Dieter Vranckx als Nachfolger von Remco Steenbergen neues Mitglied. Die Verkleinerung erfolgt laut der Lufthansa-Tochter im Zuge einer Restrukturierung. Als Konsequenz der Corona-Pandemie sei die Struktur der Fluggesellschaft überprüft worden. Die Verkleinerung sei eine Anpassung an die «neue Swiss» und von der Generalversammlung abgesegnet worden, hiess es. Im Verwaltungsrat verbleiben werden VR-Präsident Reto Francioni und Doris Russi Schurter. Dieter Vranckx wird als drittes Mitglied das Amt des Vizepräsidenten einnehmen.
Das Schweizer Detailhandelsunternehmen Migros setzt seine neue Struktur um. Im Zuge dessen will die Gesellschaft auch mehrere Fachmärkte und Tochtergesellschaften verkaufen, darunter den Elektronikfachhändler Melectronics. Das Unternehmen will im Zuge der Neuausrichtung rund 1500 Arbeitsplätze streichen. Eine erste Streichung von 150 Stellen gab die Migros Supermarkt AG Mitte Mai bekannt. Neben dem Stellenabbau kommt es bei der Migros Supermarkt AG zu diversen Sparmassnahmen. Eine davon betrifft das freiwillige Lebensmittel-Label Nutri-Score. Die Migros will den Nutri-Score schrittweise von seinen Produkten entfernen. Weiter wird die Verwaltung des Migros-Genossenschaftsbundes von 23 auf 13 Mitglieder verkleinert. Grund für die Verkleinerung der Verwaltung seien Massnahmen zur Steigerung der Effizienz, teilte das Unternehmen mit.
Bei der Post-Tochter Postfinance tritt der neue CEO, Beat Röthlisberger, sein Amt an. Zuvor arbeitete er als stellvertretender CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Sein Vorgänger als Postfinance-Chef, Hansruedi Köng, trat Ende Februar 2024 zurück. Köng arbeitete über zwei Jahrzehnte für Postfinance, seit Anfang 2012 als CEO. Mit Köng gehe eine Ära zu Ende, schrieb das Geldinstitut. Die Postfinance hatte während der Negativzinsära einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen müssen. Aber auch mit der Zinswende konnte das Finanzinstitut bisher keine Gewinnverbesserung erzielen.
Bei sexuellen Handlungen gilt mit dem Inkrafttreten des revidierten Sexualstrafrechts neu der Grundsatz «Nein heisst Nein». Eine Vergewaltigung, ein sexueller Übergriff oder eine sexuelle Nötigung liegen neu vor, wenn das Opfer mit Worten, Gesten oder durch Erstarren ausgedrückt hat, dass es mit der Handlung nicht einverstanden ist. Der Tatbestand der Vergewaltigung umfasst zudem neu nicht nur den Beischlaf gegen den Willen des Opfers, sondern auch «beischlafsähnliche Handlungen» die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Strafbar wird auch das sogenannte Stealthing. Dieser Tatbestand liegt bei einvernehmlichem Sex vor, wenn eine beteiligte Person aber heimlich und ohne vorgängiges Einverständnis der anderen Person das Kondom abstreift oder von Anfang an keines benutzt.
Nach der Geburt ihres Kindes können Parlamentarierinnen im Mutterschaftsurlaub neu ihre Parlamentstätigkeit ausüben, ohne den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung zu verlieren. Dementsprechend soll die Teilnahme von im Mutterschaftsurlaub stehenden Müttern an Sitzungen von Parlamenten nicht mehr als Aufnahme der Erwerbstätigkeit gelten. Dasselbe gilt für die Teilnahme an Kommissionssitzungen. Die Gesetzesänderung geht auf Standesinitiativen mehrerer Kantone zurück. Die neue Regelung wird auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene gelten.