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Wirtschaft

Switzerland first! Die Politik entdeckt den Wirtschafts-Nationalismus

Ferdinand Hodlers Wilhelm Tell: Der Nationalheld steht symptomatisch für «Switzerland first».
Ferdinand Hodlers Wilhelm Tell: Der Nationalheld steht symptomatisch für «Switzerland first».

Switzerland first! Die Politik entdeckt den Wirtschafts-Nationalismus

Die Schweiz gilt als liberaler Hort Europas. Doch mehr und mehr macht sich in der Wirtschaftspolitik eine «Wir zuerst»-Haltung breit: Staatsnahe Unternehmen und ganze Branchen werden vor ausländischer Konkurrenz geschützt.
12.03.2017, 12:4512.03.2017, 16:09
Othmar von Matt / Schweiz am Wochenende
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Der Kampf um die SRG begann schon letzte Woche. Am Mittwoch sagte der Ständerat Nein zur No-Billag-Initiative. Eine Abstimmung war gar nicht erst nötig, zu klar war die Haltung des Ständerats. «Schweizer Medienpolitik mit Schweizer Informationen von Schweizer Medien braucht es», schrieb FDP-Ständerat Ruedi Noser auf Twitter. «Eine schwache SRG stärkt die internationalen Medien.»

Am Dienstag debattiert der Nationalrat den Service-Public-Bericht. Auch hier geht es für viele um die Gleichung, die SP-Nationalrat Matthias Aebischer formuliert: «Die SRG ist die Schweiz.» Die Schweiz habe vier Landessprachen, drei Kulturen und einen Minoritätenschutz. Aebischer: «Das soll uns zuerst ein anderes Land nachmachen. Die SRG lebt das vor.»

Bollwerk des Patriotismus

Jetzt auf

Die SRG, das patriotische Bollwerk. Medial gegen internationale Medien. Und mit der Vermarktungsplattform Admeira von SRG, Swisscom und Ringier gegen Google und Facebook. In der Schweizer Politik hat ein neuer Wirtschafts-Nationalismus Einzug gehalten, eine Art «Switzerland first». Das zeigte sich in der Ständerats-Debatte um die «Knebelverträge» der Hotelplattform Booking.com für Schweizer Hotels. «Die Firma hat ihren Sitz in Amsterdam, gehört aber zum US-amerikanischen Priceline-Konzern», kritisierte CVP-Ständerat Pirmin Bischof (SO) in der Debatte. Besteuert werde nicht in der Schweiz, die Kommissionen flössen vollständig ab. «Wieso sollen wir einem amerikanischen Konzern folgen, der den Takt vorgibt?», fragte CVP-Ständerat Beat Rieder (VS) lakonisch. Und fügte hinzu: «Switzerland first!» Was Heiterkeit auslöste, wie das Protokoll vermerkt.

Findest du es richtig, dass die Politik die Schweizer Wirtschaft immer weiter schützt?

«In der Schweiz ist eine – auch wirtschaftliche – Gegenbewegung gegen die USA im Gange», sagt CVP-Ständerat Peter Hegglin (ZG). «Die USA haben unseren Bankenplatz massiv angegriffen und geschädigt. Dafür missachteten sie das Territorialprinzip, ein rechtliches Grundprinzip.» Das sei ethisch umso fragwürdiger, «als sich der US-Bankensektor heute damit brüstet, bessere Steueroptimierungen anzubieten als Schweizer Banken».

Das Epizentrum des neuen Wirtschafts-Nationalismus liegt nicht bei FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Sondern bei CVP-Bundesrätin Doris Leuthard. Als Ministerin für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation gibt sie die Stossrichtung in sensiblen Bereichen vor: Energie, Umwelt, Service Public, Digitalisierung, Kommunikation.

(Unter der Slideshow geht's weiter ...)

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Die wichtigen Schaltstellen befinden sich in CVP-Händen. Alt-Ständerat Urs Schwaller (FR) ist VR-Präsident der Post, Ex-Staatsrat Jean-Michel Cina (VS) VR-Präsident der SRG, Stefan Meierhans (BE) Preisüberwacher, Alt-Regierungsrat Hans Hollenstein (ZH) Präsident der Eidgenössischen Postkommission. Alt-Regierungsrat Jean-François Roth (JU) ist Präsident von Schweiz Tourismus, Präsident der Lotterie- und Wettkommission und SRG-Verwaltungsrat. Und der bald neu gewählte Walliser Staatsrat Christophe Darbellay ist Präsident des Casino-Verbands, der sich für Internetsperren gegen ausländische Internetportale mit Glücksspielen einsetzte.

Der Präsident der CVP, Gerhard Pfister, ist hin- und hergerissen angesichts der Entwicklung. Die Service-Public-Unternehmen seien zwar «ein stabilisierendes Element, weil sie dem Mittelstand Infrastrukturen geben», sagt er. «Im Gegensatz zum Trumpschen Service Public, bei dem der Mittelstand am meisten darunter leidet, dass die Infrastruktur und staatlichen Dienstleistungen verlottern.» Aber der Service Public in der Schweiz brauche «eine Verwesentlichung, eine Refokussierung auf das Kerngeschäft».

100 Prozent Schweizer Milch

Die Ursprünge von «Switzerland first» sind 2011 zu finden. Auf Schweizer Botschaften müsse Schweizer Wein ausgeschenkt werden, forderten Darbellay und SVP-Nationalrat Thomas Hurter. Es folgte das Ansinnen nach 100 Prozent Schweizer Milch und einem «Inländervorrang» für Holz. Selbst in der SP sind wirtschaftsnationale Tendenzen spürbar. Matthias Aebischer reichte eine Motion ein, in der er ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Produkte fordert. «Ich stehe zum Schweizerischen», sagt er: «Aus der Region für die Region.»

Auf Wein, Milch und Holz folgt nun die Internetsperre. Selbst FDP-Präsidentin Petra Gössi verteidigt sie. «Wenn ich sehe, welchen Krampf wir für die Altersreform haben und dort jeden Franken umdrehen, müssen wir uns nicht durch Online-Glückspiele beschneiden lassen, von denen vor allem ausländische Anbieter profitieren», sagt sie. Casinos finanzierten die AHV und Swisslos Kultur- und Sportvorhaben der Kantone. «Zuerst kommen wir», sagt Gössi. «Die anderen schauen auch für sich.»

Eine Gefahr für die liberale Schweiz ortet sie dennoch. Die Wirtschaft müsse sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein. «Sonst wird irgendwann der Druck auf die Politik so gross interventionistisch einzugreifen, dass wir früher oder später kein liberales Arbeitsrecht mehr haben.» CVP-Präsident Pfister geht deutlich weiter: «Wir sollten uns überlegen, ob die Digitalisierung nicht Chancen schafft für zusätzliche Liberalisierungen.»

Die härteste ordnungspolitische Analyse kommt von SVP-Präsident Albert Rösti. «Das Parlament in seiner Mehrheit ist drauf und dran, zunehmend zu verstaatlichen und national zu reglementieren», sagt er. Das zeige sich bei der Energiestrategie, die die SVP mit dem Referendum bekämpfe. Sie betreffe nicht nur neue Erneuerbare, sondern auch Mobilität und Gebäude. «Das ist der falsche Weg.»

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
12.03.2017 13:00registriert Februar 2016
Wenn Swissness mit Qualität statt Quantität zusammen geht, bin ich auch für Swissness!
Zum Beispiel: srf Radio+Fernsehen mit vielen Dokumentationen über Leute in unserem Land, die einfach zeigen, wie sie leben und was sie so tun und denken, ohne die Sensationslüsternheit privater Trash-TV-Sender, die immer auf besonders schillernde, oder abgestürzte Existenzen fokussieren.
Oder die SBB mit einem tollen ÖV-Netz bis in die hintersten Chrachen!
Aber Schweizer Billig-Ramsch ist wie jeder andere "Plastik-Seich" und darum auch nicht schützenswert.
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Pirat der dritte
12.03.2017 16:37registriert Februar 2014
Die Globalisierung ist aus dem Ruder gelaufen! Internationale Konzerne zahlen keine Steuern, Chinesische Staatsfonds kaufen westliche Kernindustrien etc. Der Nutzen für die Gesellschaft ist kaum noch wahrnehmbar. Da ist ein Gegentrend logisch.
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Döst
12.03.2017 14:57registriert Februar 2016
Vielleicht besser mal beim Personal anfangen, Stichwort MEI/PFZ.
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