Nach einigen Tagen in Äquatorialguinea haut mich nicht mehr so viel um. Ich traue dem kleinen Staat mittlerweile alles zu. So auch dies.
Ich fahre gerade durch die teilweise schon fertigen Strassen von Oyala (auch bekannt als Djibloho). Sie sind vierspurig, richtungsgetrennt. An den Rändern schon schön begrünt und Mitarbeiter sind gerade daran, die Pflänzchen zu bewässern. Bis zu 200'000 Leute sollen hier einmal leben. Noch wohnt niemand an diesem Ort. Jedes Mal, wenn ich daran denke, kommt mir nur eines in den Sinn: Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn.
Ausser Arbeitern und mir scheint niemand auf dem 81,5 Quadratkilometer grossen Areal (etwa so gross wie die Stadt Zürich) zu sein. Dafür wurden links und rechts der Verbindungsstrassen riesige Flächen des Urwalds gerodet. Umweltschützer kritisierten das Vorhaben vergebens.
Meist steht vor den Flächen einzig ein Schild mit einem Bild, was hier einmal stehen soll: Das Präsidentengebäude, die Universität, die Kathedrale (erreichbar mit einer Seilbahn), der Gerichtshof, die Oper, ein Wohngebiet, ein Shoppingcenter, das Parlament. Selbst ein Formel-1-Kurs könnte einmal durch die Stadt führen. Einfach alles.
Neben Spanisch sind die Plakate auch auf Chinesisch angeschrieben. Die Asiaten leisten hier einen Grossteil der Arbeit. Ich treffe zwei Arbeiter aus Angola. «Wir haben viel zu tun hier. Die Arbeit ist gut.», versichern sie mir und wollen ein Foto schiessen.
Oyala soll 2020 Malabo als Hauptstadt Äquatorialguineas ablösen. Allerdings dürfte sich das noch etwas verzögern. Fünf Jahre zuvor wage ich zu behaupten: Es müssen noch viele Chinesen eingeflogen werden, um die ambitionierten Zeitpläne einzuhalten.
Die Baustelle – die grösste Afrikas, vielleicht sogar der Welt – liegt rund 125 Kilometer von der Küste entfernt im Herzen des Landes. Eine wunderprächtige Autobahn sorgt für eine hervorragende Verbindung. Der Ort ist mit Bedacht gewählt.
In einem seiner seltenen Interviews hat Präsident Teodoro Obiang gemäss der BBC zu seinen Beweggründen für das Riesenprojekt erklärt: «Wir brauchen einen sicheren Platz für meine und zukünftige Regierungen.» In Malabo sei er zu leicht angreifbar. Zudem weise der Standort ein angenehmes Klima aus und werde – auch mit den Nachbarländern – gut erschlossen.
Woher die 200'000 Leute kommen sollen in einem Land mit geschätzt nicht ganz einer Million Einwohner? Man weiss es nicht. Pedro, der in Malabo ein Hotel führt, gibt mir die Antwort, welche ich in diesen Tagen von so vielen höre: «Wenn dort alle Regierungsgebäude und grosse Unternehmen ansiedeln, wird es Arbeit geben. Ja, vielleicht ziehe dann auch ich nach Oyala.»
Die Stromversorgung sollte ebenfalls gewährleistet werden. Der noch nicht lange eröffnete Djibloho-Damm, welcher den Wele-Fluss staut, wird genügend Energie liefern. Der Fluss fliesst übrigens auch durch die Stadt. Momentan sind acht Brücken geplant. Einige stehen schon, aber die Strasse dahinter ist noch immer nur eine Schneise im Urwald. Und falls der Fluss einmal Hochwasser führen sollte, wird dieses um die Stadt herum geleitet.
Aktuell stehen zwar schon Wegweiser wie «Centro Ciudad», aber das Stadtzentrum ist noch nicht zu erkennen. Fertig sind bisher: ein Luxushotel und ein Golfplatz – man muss die Prioritäten halt schon richtig setzen. Auch Teile der Universität seien schon praktisch bezugsbereit. Allerdings habe der Präsident ein Gebäude wieder abreissen lassen, weil es ihm nicht gefallen habe.
Bis zum Luxushotel mit 450 Zimmern und 50 Villen komme ich nicht. Grimmige Soldaten an der Strassensperre kurz vor dem Eingangsbogen zum Areal lassen uns nicht passieren. In der Distanz erkennt man unter anderem eine goldene Kuppel, aber Fotos sind verboten. Die Eröffnung des Kempinski ist im ersten Quartal 2015 geplant.
Als wir die Stadt verlassen – und erst die falsche Autobahn-Auffahrt erwischen – fällt mir ein kleiner Berg in der Nähe auf. Vielleicht wird er einmal das Tourismusmagnet oder das Naherholungsgebiet. Vielleicht bauen sie eine Seilbahn hoch. Vielleicht den höchsten Lift der Welt in einem Berg. Vielleicht auch ein Skigebiet mit Kunstschnee an 365 Tagen im Jahr. Vielleicht schütten sie den Berg auch auf, um den Kilimandscharo zu übertreffen. Ich traue ihnen alles zu. Alles.
Wieder einmal Danke für die tollen Berichte aus Äquatorialguinea!