Kloten besiegt Ajoie im ersten Finalspiel 5:2. Alles nimmt seinen gewohnten Lauf. Oder besser: Scheint seinen gewohnten Lauf zu nehmen. Wie erwartet. Kloten wird aufsteigen. Schliesslich haben die Zürcher die Qualifikation gewonnen und in drei von vier Spielen der Regular Season gegen Ajoie obsiegt. Der Chronist titelt:
Inzwischen führt Ajoie im Final 3:2. Noch eine Niederlage und Kloten steigt nicht auf.
Fehleinschätzungen gibt es immer wieder. Sogar bei so wichtigen Ereignissen wie der Wahl des US-Präsidenten: «Dewey Defeats Truman» («Dewey besiegt Truman») war die falsche Schlagzeile auf der Titelseite der ersten gedruckten Exemplare der «Chicago Tribune» vom 3. November 1948.
Präsident Harry S. Trumans Niederlage gegen den republikanischen Herausforderer Thomas E. Dewey war allseits erwartet worden – ähnlich wie jetzt Klotens Finalsieg und Aufstieg gegen Ajoie. Aber Truman gewann die Wahl. Ein berühmtes Foto zeigt, wie er belustigt ein Exemplar mit seinem vorzeitigen politischen Nachruf emporhält.
Nun denn: Kloten kann trotz der gestrigen Niederlage mit zwei Siegen doch noch aufsteigen. Es ist der einzige Weg zur Promotion. Liga-Direktor Denis Vaucher sagt nämlich unmissverständlich: «Kloten kann nur als Meister aufsteigen. Sollte Ajoie Meister werden und auf den Aufstieg verzichten, dann gibt es keinen Aufsteiger.» Also kein Erben. Kein Nachrutschen.
Wie kommt der Chronist zu seiner kapitalen Fehleinschätzung? Eine Fehleinschätzung ist es nämlich auch dann, wenn Kloten doch noch aufsteigen sollte. Die Party war, wie wir jetzt sehen, nach dem ersten Sieg der Zürcher ja nicht vorbei. Ganz im Gegenteil. Sie begann erst.
Es gibt eine Erklärung. Aber keinesfalls eine Entschuldigung.
Der Chronist hat sich von den Emotionen im Stadion, in den Kabinengängen und des Umfelds leiten lassen.
Kloten will unbedingt aufsteigen und hat eigentlich alles vorgekehrt. Die Liga möchte Kloten oben sehen. Die Regelung, dass es zwar keinen Absteiger, aber einen Aufsteiger gibt und die National League dann halt nächste Saison 13 Teams umfassen wird, ist ein wenig auch eine «Lex Kloten». Und da ist ja noch das Theater um die zwei kanadischen Leitwölfe Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen, die angeblich für nächste Saison schon bei Kloten unterschrieben haben – aber nur, falls Kloten aufsteigt.
Das ist nur eine Erklärung. Eine Ausrede ist das nicht. Weil es keine Ausrede gibt. Eigentlich hätte der Chronist wissen müssen, dass eine Best-of-Seven-Serie nicht im ersten Spiel entschieden wird. Dass all die Sprüche, über die gespottet wird – es ist alles erst vorbei, wenn es vorbei ist – eben doch ewige Wahrheiten sind.
Vor allem aber: Er hätte als Berner, der den Jura so oft bereist hat, wissen müssen, welch eigenwilliges Volk das Elsgau (deutsche Bezeichnung der Ajoie) bewohnt. Welche Emotionen gerade Auseinandersetzungen mit der alemannischen Schweiz zu wecken vermögen. Zu welchen Heldentaten Trainer Gary Sheehan seine Mannschaft zu führen versteht.
Hatte der Chronist Ajoies Cupsieg, die Triumphe über die Titanen Lausanne, Biel, die ZSC Lions und Davos denn schon vergessen? Und wie konnte er den Stolz, die Trotzreaktion von Devos und Hazen unterschätzen? Den Zusammenhalt der Mannschaft in dieser ganz besonderen Situation ausser Acht lassen?
Und war Kloten nicht auch im Frühjahr 2018 schon beinahe gerettet und scheiterte dann dann doch? Ein 0:2 gegen die Lakers hatten die Zürcher in ein 3:2 umgewandelt – und verloren die Liga-Qualifikation doch 3:4 und stiegen erstmals in ihrer Geschichte ab. Also wäre doch nach bloss einem Sieg im Final gegen Ajoie höchste Zurückhaltung das Gebot der Stunde gewesen. Oder?
Ja, so ist es. Es gibt nichts anderes als das Eingeständnis eines groben Irrtums. Ohne «wenn» und «aber».
Das Internet ist unerbittlich und verzeiht nichts. Die ersten «Screenshots» mit der Headline «Allen ist klar, dass die Party eigentlich vorüber ist – Kloten wird aufsteigen» sind gestern Abend schon angekommen.
Selbst wenn Kloten die Wende doch noch schaffen sollte – die Ehre des Chronisten wäre nicht gerettet. Es hilft nicht einmal Konrad Adenauers Spruch «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern». Er streut Asche auf sein Haupt und verspricht hiermit, sich zu bessern.
Oder es wenigstens, es zu versuchen.