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Darf ein Mann, ein Eishockeytrainer, der Boss einer Gang von harten Jungs, weinen? Arbeit für Küchentischpsychologen! Wenn wir jedoch bloss kurz innehalten, nicht philosophieren und lediglich in der Geschichte zurückblicken, dann sehen wir: Natürlich dürfen Männer weinen.
In den homerischen Epen, also im alten Griechenland, weinten die härtesten Männer. Je härter, desto hemmungsloser. Agamemnon, Oberkönig, Heerführer und Held im Trojanischen Krieg, heulte vor Wut, vor Schmerz und vor Kränkung. Achill, auch einer aus diesem Kriege, heulte vor Kummer. Und doch waren es wüste Kerle, die gar Frauen raubten, tauschten und verschenkten.
In vielen Kulturen gilt nicht einmal unter Soldaten und Generälen Weinen als unmännlich. Ja, eigentlich ist der tränenlose Mann eine Erscheinung der westlichen Welt des 20. und 21. Jahrhunderts. Sozusagen ein Produkt der Gangster-Rap-Kultur.
Wir sehen also: Ein weinender Hockeytrainer ist alles andere als ein Weichling. Um Kevin Schläpfers grandiosen Auftritt am Donnerstag bei der legendären Medienkonferenz in Biel gibt es sowieso Missverständnisse. Er weint nicht, weil es ihm Biel nicht erlaubt, Nationaltrainer zu werden. Er weint, weil ihm in diesem Augenblick bewusst wird, wie wichtig er in Biel ist. Welche Wertschätzung er tatsächlich geniesst.
Das gesamte Bieler «Hockey-Rösslispiel» ist aufgefahren um öffentlich zu bezeugen, wie sehr seine Arbeit geschätzt wird. Es ist ein grosser Moment für einen Jungen, der während seiner ganzen Karriere als Spieler immer um Anerkennung kämpfen musste, der als Trainer zwar in Biel den Status eines Hockey-Gottes geniesst und doch immer ein bisschen Spott der Chronisten herauszuspüren glaubt und einst von einem vorwitzigen Berichterstatter gar als «Clown» bezeichnet worden ist.
Die Frage ist nun: Welche Wirkung haben Kevin Schläpfers Tränen nach aussen? Nun, es ist ein Auftritt, der dem Baselbieter mehr Sympathien einbringt als eine gewonnene Meisterschaft.
Gerade für jene, die sich sonst nicht für Eishockey interessieren, ist er jetzt ein «Trainer der Herzen». Und selbst jene, die den Hockey-Machokult zelebrieren, überwiegt die Anerkennung für den Mut, Gefühle zu zeigen. Die Voraussetzung dafür ist schliesslich ein gesundes Selbstvertrauen.
Einer kann ja auch weinen, weil er von seiner eigenen Grösse und Bedeutung überzeugt ist. Und die US-Schriftstellerin Nora Ephron war eine böse Zynikerin, als sie einmal schrieb: «Nimm dich in Acht vor weinenden Männern. Männer, die weinen, hören auf Gefühle, aber in der Regel bloss auf die eigenen.» Was ist denn falsch daran, auf die eigenen Gefühle zu hören?
Kehren wir zum Eishockey zurück. Kevin Schläpfers Tränen vom Donnerstag sind die berühmtesten Medienkonferenz-Tränen im Eishockey, seit Wayne Gretzky am 9. August 1988 in Edmonton mit Tränen in den Augen seinen Transfer nach Los Angeles begründete. Die Biographie über den Grössten aller Zeiten, geschrieben von Stephen Brunt – eines der besten Hockeybücher überhaupt – trägt gar den Titel «Gretzky’s Tears» («Gretzkys Tränen»). Vielleicht wird der Titel eines Buches über Kevin Schläpfer sein: «Kevins Tränen».
Kevin Schläpfer wie Wayne Gretzky – das ist doch gar kein so schlechter Vergleich. Und eines können wir hier sagen: Kevin Schläpfer war zwar kein so guter Spieler wie Wayne Gretzky – aber als Trainer ist er viel besser als Gretzky, der sich als Cheftrainer in Phoenix blamierte. Ich warte jetzt nur noch auf den Tag, an dem Berns Trainer-Rumpelstilzchen Guy Boucher wegen einer Eishockey-Episode in Tränen ausbricht. Wahrscheinlich am ehesten wegen eines korrekten Schiedsrichterentscheides.
Das Schlusswort einer Abhandlung über weinende Männer und Eishockey in Biel überlassen wir einer Frau. Biels Verwaltungsrätin Stéphanie Merillat, eine erfolgreiche Immobilienunternehmerin, sagte beim Small Talk nach der bereits legendären Medienkonferenz mit der Weisheit einer lebenserfahrenen Frau: «Es stimmt halt schon: Wahre Emotionen lösen nur Sex und Eishockey aus …» Wo sie recht hat, da hat sie recht.
Kevin Schläpfer ist ein aussergewöhnlicher Trainer, der viel aus seinem Gefühl heraus und mit seinem Herzen entscheidet. Daher sind bei ihm immer viel Emotionen dabei und Emotionen müssen halt raus.
Er wird sich auffangen und nach wie vor mehr als 100% für seinen EHC Biel geben, weil er nicht anders kann.
Nach 2017 wird entweder der Posten des Nati-Trainers frei sein und er wird ihn übernehmen oder er verlängert seinen Vertrag (mit Ausstiegsklausel) beim EHC Biel.