Der Vater war ein charismatischer Handelsreisender im Freiburger Sensebezirk. Dieses Talent hat sein Sohn geerbt: René Fasel (66) ist ein charismatischer Handelsreisender in Sachen Eishockey. Nicht nur in seiner Heimat. Als Präsident des Internationalen Hockeyverbandes (IIHF) und IOC-Mitglied reist er seit 1994 um die Welt. Um die Popularität und die Qualität «seines» Spiels zu verbessern.
Bei seinem ruhelosen Leben wäre es nur logisch, wenn er in der Altjahrswoche ruhen würde. Doch dies tut er nicht: René Fasel reist über die Festtage nach Davos. Der höchste Hockey-Funktionär der Welt macht dem Spengler Cup Jahr für Jahr seine Aufwartung. Er ist für Fasel eine Herzensangelegenheit und immer wieder freut er sich über das spektakuläre, offensive Spiel, das bei diesem Turnier gespielt wird. Die Reise nach Davos ist für ihn ein bisschen eine Reise an die Ursprünge des Hockeys. «Ich war vor 40 Jahren zum ersten Mal dabei. Als Linienrichter.» Er lehnt sich zurück und seufzt: «Stellen Sie sich vor: vor 40 Jahren! Wie die Zeit vergeht …»
Wenn die Altjahrswoche um ist, werden ihn die Verhandlungen mit NHL-Boss Gary Bettman wieder umtreiben. Bekommen die NHL-Stars für das olympische Turnier im Februar 2018 die Freigabe? «Ich schätze die Chancen nach wie vor auf 50:50», sagt René Fasel. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und alle Bedingungen, auch die finanziellen, Bedingungen erfüllt.» Er musste zusätzlich 10 Millionen Franken aufbringen, um alle anfallenden Kosten (Versicherungen, Reisen) für eine Teilnahme der NHL-Stars aufzubringen.
Fasels Hoffnung: Die NHL-Spielergewerkschaft will die Olympiateilnahme. Kann es sich Bettman leisten, die Gewerkschaft vor den anstehenden Verhandlungen eines neuen Gesamtarbeitsvertrages zu verärgern? Dieser GAV kann 2019 gekündigt werden. Und kann es sich die NHL leisten, 2018 abseits zu stehen und so einen Auftritt beim Turnier von 2022 in Peking, im riesigen chinesischen Markt, in Gefahr zu bringen?
Fasel schliesst dieses Szenario nicht aus: «Es ist unser Bestreben, die besten Spieler beim olympischen Turnier zu haben. Dafür tun wir alles. Aber wenn es für 2018 keine Einigung mit der NHL gibt, dann ist nicht ausgeschlossen, dass es im Eishockey für die olympischen Spiele eine ähnliche Lösung wie im Fussball gibt. Dass es nur noch ein U25- oder U23-Turnier sein wird.» Die Entscheidung wird bald fallen. «Ende Januar müssen die NHL-Organisationen wegen der Belegungspläne für die Stadien wissen, ob es eine Olympia-Pause gibt oder nicht.»
So oder so treibt René Fasel die Verbesserung des Spiels um. Die Diskussionen über neue Regeln laufen. Die Änderungen werden im September 2017 dem IIHF-Kongress vorgelegt und, wenn bewilligt, für die Saison 2018/19 eingeführt. Das Ziel der Regeländerungen ist es, das Spiel schneller, offensiver, attraktiver und sicherer zu machen. «Die Anzahl der Gehirnerschütterungen ist zurückgegangen», stellt René Fasel fest. «Die strenge Ahndung der Vergehen und die Sperren für fehlbare Spieler zeigen inzwischen Wirkung.» Er zeigt sich irritiert, dass die konsequente Regelanwendung in der Schweiz zu Beginn dieser Saison vernachlässigt worden ist und nun im Laufe der Saison die Schraube wieder angezogen werden muss.
Die wohl interessanteste Regeländerung: Künftig soll das Powerplay bei einem Ausschluss nicht mehr mit 5 gegen 4 Spielern sondern mit 4 gegen 3 gespielt werden. Bei einer weiteren Strafe mit 5 gegen 3. Die Begründung: «Die Statistik zeigt ganz klar, dass bei 4 gegen 3 mehr Tore fallen als bei 5 gegen 4.»
Damit eine Strafe noch mehr Auswirkungen hat, wird auch erwogen, dass der bestrafte Spieler eine Zweiminutenstrafe abzusitzen hat und nach einem Gegentreffer nicht vorzeitig aufs Eis zurückkehren darf. So war es ja schon einmal. Weil aber die Überlegenheit der Montreal Canadiens zu gross wurde und im Powerplay zu viele Tore fielen, war dem bestraften Spieler erlaubt worden, nach dem ersten Gegentor die Strafbank zu verlassen.
Überlegungen gibt es auch zur Verlängerung. Heute treten 3 gegen 3 Feldspieler an. René Fasel kann sich auch da eine Erhöhung des Spektakels vorstellen: «Es gibt einen Vorschlag, in der Verlängerung zusätzlich auf die Offside-Regel zu verzichten.» Das Spektakel wäre dann wohl im besten Wortsinne grenzenlos. Zur Diskussion stehen auch die Torhüter. Nicht ausgeschlossen, dass die Ausrüstung der Goalies kleiner gemacht wird und dass künftig die Torhüter die verlängerte Torlinie nicht mehr überschreiten dürfen, um den Puck hinter dem Tor zu stoppen.
Laufende Anpassungen also, um das Spiel besser zu machen – aber keine Änderungen in anderen Bereichen. Eine Frage, die im Hockey immer und immer wieder diskutiert wird: Braucht es die WM wirklich alle Jahre? Sind 16 Teams nicht zu viel? Warum im Mai? René Fasel meint dazu: «Wenn uns jemand eine bessere Lösung präsentiert, dann sind wir sofort bereit, etwas zu ändern. Aber wir haben bis heute keinen besseren Vorschlag bekommen.»
René Fasel ist jetzt 66 Jahre alt. Er ist gewählt bis 2020 und die Hockeywelt geht davon aus, dass er dann nicht mehr zur Wiederwahl antreten wird. Nun lässt er erstmals durchblicken, dass er 2020 noch einmal kandidieren könnte. «Ich schliesse nichts aus. Warten wir doch einmal ab, was 2020 sein wird …» Was für eine weitere Amtsperiode spricht: René Fasel gilt als erfolgreichster, bester Präsident in der mehr als hundertjährigen Geschichte des internationalen Eishockeyverbandes – und nach wie vor gibt es keine Kandidaten, die sich für seine Nachfolge positionieren.
Ist ja nur alle vier Jahre.