Beginnen wir mit etwas Boshaftigkeit. Der Chronist denkt: Hat er diese Aussagen, diese Erklärungen und Analysen nicht schon oft nach bitteren Niederlagen bei den Schweizern gehört? Der Grundtenor ist nämlich: Es war eine tolle WM, aber diese Niederlage tut soooo weh.
Richtig: So war es für die Schweizer nach den Viertelfinals von 2019, 2021, 2022 und 2023. Vor allem 2022 und 2023, als uns das «Aus» nach Platz 1 in der Vorrunde jäh ereilt hat.
Die Österreicher haben das letzte Gruppenspiel gegen Absteiger Grossbritannien verloren. Bei einem Sieg nach 60 Minuten hätte es im Falle einer Niederlage der Finnen nach 60 Minuten gegen die Schweiz zum ersten Viertelfinal der Geschichte gereicht. Aber das ist nun kein Thema mehr. Es ist einerseits Österreichs bitterste Stunde.
Aber andererseits war es trotz allem Österreichs beste WM seit der Bronze-Medaille 1947 in Prag. Hinter der Tschechoslowakei und Schweden, aber vor der Schweiz. Noch nie hat Österreich im Ausland bei allen Partien vor so vielen Fans gespielt wie nun hier in Prag. Es waren so viele Anhängerinnen und Anhänger nach Prag gereist, dass es fast war, als würden wir noch in den alten Zeiten von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sissi leben: Damals gehörte Prag, das goldene, zum österreichisch-ungarischen Kaiserreich.
Die Niederlage der Mannschaft von Roger Bader (und natürlich auch von Arno Del Curto) ist ein Klassiker. Gut geeignet als Lehrfilm für ein Trainer-Ausbildungsseminar.
Ein Aussenseiter, der gegen die Titanen unbeschwert aufspielt, sensationelle Resultate erreicht (5:6 n. V. nach 1:6 gegen Kanada, 3:2 gegen Finnland) und dann auf einmal etwas zu verlieren hat und scheitert.
Ambris Dominic Zwerger, der das Herz auf der Zunge trägt und die Kunst der geschäftsmässigen Auskunft nicht beherrscht, sagt mit leerem Gesichtsausdruck: «Was soll ich sagen?» Seine Miene sagt mehr als tausend Worte. Immerhin kommt doch noch eine tröstende Erkenntnis: «Die positiven Erinnerungen werden überwiegen. Aber jetzt müssen wir erst diese Enttäuschung verarbeiten.» Eigentlich ist es ja für ihn wie meistens daheim in Ambri nach der Saison. Oder doch ähnlich. Wir haben bei dieser WM den besten Dominic Zwerger der Geschichte gesehen: 2 Tore und 6 Assists in 7 Spielen auf höchstem Weltniveau. Ein fliegender, schlauer, eleganter Künstler, Spielmacher, Leitwolf und Topskorer der Österreicher. Grande Zwerger!
Marco Rossi, beim ZSC ausgebildet, jetzt in der NHL unter Vertrag, analysiert es geschäftsmässig und bringt es auf den Punkt: «Es waren die Nerven.» Nach einem guten ersten Beginn (in der 23. Minute fiel das 1:0) habe man die Geduld verloren. Marco Rossi ist mit 6 Skorerpunkten (1 Tor / 5 Assists) leicht unter den Erwartungen geblieben. Und wenn wir schon bei den «Schweizern» sind: Bernd Wolf war der «Roman Josi des armen Mannes»: zwar nur ein Assist in sieben Spielen, aber mit Plus 7 (!) die beste Plus/Minus-Bilanz des Teams. Vielleicht hätte Lugano die Offerte von Kloten kontern sollen.
Nationaltrainer Roger Bader war im Erfolg bescheiden und sachlich und er ist jetzt auch nach einer enttäuschenden Niederlage ruhig und umsichtig. Seine Analyse ist im Kern die gleiche wie die von Marco Rossi: die Nerven.
Die Frage ist natürlich, warum Arno Del Curto nicht helfen konnte. Warum sein Mythos nicht wirkte. Marco Rossi sagt, es liege an den Spielern, nicht an den Trainern und fügt an: Arno sei super. «Ich hoffe, dass er auch künftig wieder dabei sein wird.»
So wie das echte Phantom der Oper den Medien nie Red und Antwort gestanden ist, so taucht Arno Del Curto, das Phantom dieser Wiener Hockey-Oper, auch nach dem letzten Spiel nicht in der Mixed Zone auf.
Was seiner Mystifizierung in keiner Weise schadet. Er ist nun eben ein echter Schweizer Mythos. In Davos oben war er zwar ein mehrfacher Meistertrainer. Also ein meisterlicher Mythos. Aber auf internationaler Ebene halt ein Schweizer Mythos: wunderbare Siege, tolle Emotionen, Dramen und Triumph – aber am Ende, wenn es wirklich zählt, reicht es halt doch nicht.
Aber vielleicht wird diese etwas boshafte Definition noch bei dieser WM im Viertelfinal von den Schweizern Lüge gestraft.