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Biels doppelte Nummer 1 kann die Meisterschaft entscheiden

Biels Torhueter Joren van Pottelberghe, rechts, und Harri Saeteri, nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen EHC Biel und SCL Tigers, am Freitag, 27. Januar 2023, in der Tiss ...
Zweimal Nummer 1, bitte: Harri Säteri (links) und Joren van Pottelberghe.Bild: keystone
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Biels doppelte Nummer 1 kann die Meisterschaft entscheiden

Biels Cheftrainer Antti Törmänen ist der erste Coach, der im Playoff-Final planmässig zwei gleichwertige Goalies einsetzen kann. Diese doppelte Goalie-Lösung kann Biel den vierten Titel bescheren und dem SC Bern den Weg aus der Krise weisen.
20.04.2023, 02:1520.04.2023, 21:29
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Am Anfang steht ein Transfer-Irrtum und dann folgt ein Unglück. Nur so ist diese wundersame Geschichte der «doppelten Finalgoalies», der doppelten Nummer 1 in Biel möglich geworden.

Im Dezember 2019 sind HCD-Sportdirektor Raëto Raffainer (heute Manager beim SCB) und Biels Sportchef Martin Steinegger ganz besonders fleissig. Der HCD hat mit Joren van Pottelberghe und Sandro Aeschlimann zwar zwei formidable Goalies unter Vertrag. Aber Detroit hält die Rechte am belgisch-schweizerischen Doppelbürger und Raëto Raffainer befürchtet trotz Vertrag einen Wechsel in die NHL. Also plant er weitsichtig: Er hat während seiner Tätigkeit als Verbandsportchef Robert Mayer kennen und schätzen gelernt. Nun holt er ihn von Genf nach Davos, stattet ihn mit einem Vierjahresvertrag aus und sucht nach einem Abnehmer für Joren van Pottelberghe.

Biels Torhueter Joren Van Pottelberghe im zweiten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem EHC Biel am Samstag, 1. April 2023 in der Swiss Life Arena in Zuer ...
Joren van Pottelberghe ist schwer aus der Ruhe zu bringen.Bild: keystone

Er muss nicht lange suchen. Martin Steinegger kann sein Glück kaum fassen. Er sucht nämlich einen Nachfolger für Jonas Hiller, der den Rücktritt per Ende Saison angekündigt hat. Biels Sportchef schätzt das enorme Potenzial des nicht mehr erwünschten HCD-Schlussmannes richtig ein und einigt sich mit Davos noch während des Spengler Cups 2019. So kommt es, dass Joren van Pottelberghe im Sommer 2020 nach Biel wechselt.

Nun folgt der Unglücksfall. Am 12. März 2022 wird Biels neuer Goalie durch einen heftigen Zusammenprall mit Zugs Jérôme Bachofner schwer verletzt. Er fällt mit einer Kreuzbandblessur monatelang aus. Biel braucht für die neue Saison einen Ersatz. Nach einigen Irrungen und Wirrungen landet schliesslich der finnische Weltklassegoalie Harri Säteri beim EHC Biel.

Biels Torhueter Harri Saeteri im dritten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen EHC Biel und ZSC Lions, am Montag, 3. April 2023, in der Tissot Arena in Biel. (KEYSTONE/Peter Kl ...
Weltklassemann: Der Finne Harri Saeteri.Bild: keystone

Am 27. Januar 2023 ist der ehemalige Zuger Junior wieder fit und gibt bei der Heimniederlage gegen Langnau (1:3) sein Comeback. Seither hat Trainer Antti Törmänen zwei Goalies zur Verfügung, die gut genug sind, um die Nummer 1 zu sein. Beide stehen noch bis Ende der nächsten Saison unter Vertrag.

Es ist der Anfang einer Geschichte, die Biel den ersten Titel seit 1983 einbringen kann.

Harri Säteri (33) spielt fortan zwar häufiger. Aber Joren van Pottelberghe (25) ist viel mehr als ein Ersatzgoalie. Auch er geniesst die Wertschätzung einer Nummer 1. Was sich im Halbfinal und im dritten Finalspiel ausbezahlt: Die Bieler sind schon im Halbfinal von den ZSC Lions über weite Strecken dominiert worden (92:120 Torschüsse). Gegen Servette stehen sie noch stärker unter Druck. 23:40 Torschüsse im ersten, 16:25 im zweiten und nun 28:47 im dritten Spiel. Das bedeutet viel Arbeit für den Torhüter. Bereits gegen die ZSC Lions haben die Bieler ihrem Weltmeister und Olympiasieger Harri Sätteri eine Pause gegönnt und Joren van Pottelberghe hat das zweite Halbfinalspiel in Zürich 4:0 gewonnen.

Und nun ist er am Dienstag im dritten Spiel in Genf zum ersten Mal im Final zum Einsatz gekommen und hat den Sieg mit einer Fangquote von grandiosen 97,92 Prozent festgehalten. Der coole Blocker hat sich in den Playoffs so gut bewährt, dass er eigentlich für die WM gesetzt sein müsste. Er hat Postur (191 cm) und Stil, die heute auf internationalem Niveau gefragt sind.

Und was für eine Ironie der Hockey-Geschichte: Joren van Pottelberghe und Robert Mayer, die beide in Davos aus laufenden Verträgen verabschiedet wurden (im Frühjahr 2021 musste auch Robert Mayer den HCD verlassen), sind sich am Dienstag zum ersten Mal im Final begegnet.

Noch nie seit Einführung der Playoffs hat ein Coach im Final planmässig nach vorher festgelegtem Turnus zwei Torhüter eingesetzt. Die Einsätze von Joren van Pottelberghe sind nicht das Resultat einer spontanen Entscheidung. Sondern der Absprache und Planung mit Goalietrainer Marco Streit. Dazu sollten wir erwähnen: In keiner Schweizer Familie ist so viel Wissen über Eishockey-Torhüter gesammelt worden wie in der Familie Streit.

Kennst du die Schweizer Eishockey-Goalies hinter ihren Masken?
Die Maske von Marco Streit war auch speziell.
Marco Streit, im Einsatz für die Rapperswil-Jona Lakers.Bild: comments://933383855/2228442

Vater Fritz Streit (mit dem berühmten Mark Streit nicht verwandt) war einst beim SCB die Nummer zwei. Nach seinem Rücktritt ist er der erste, der in der Schweiz die Arbeit der Torhüter akribisch analysiert, statistisch auswertet und am Winkelspiel arbeitet wie ein Ingenieur. Er ist ein Pionier. Doktor Goalie sozusagen. Seine beiden Söhne Flavio und Marco haben es beide bis in die höchste Liga gebracht und Marco Streit ist seit 2013 Torhütertrainer in Biel. Sozusagen nebenbei arbeitet er erfolgreich als Torhüter-Maskendesigner. Er hat unter anderem die Masken von Leonardo Genoni, Philip Wüthrich, Sandro Aeschlimann und … Joren van Pottelberghe gestaltet.

Viel mag im Eishockey Glück, Zufall oder die Gunst der Hockeygötter sein, die es gerade in Zeiten der Playoffs lieben, zu würfeln. Aber Biel tut mehr als die meisten anderen Teams, um wenigstens das Berechenbare in Griff zu bekommen. Es ist kein Zufall, dass die Bieler seit Jahren bei den Torhütern alles richtig machen.

Berns Torhueter Philip Wuethrich lueftet seinen Helm nach dem dritten Gegentor, im sechsten Eishockey Playoff Viertelfinalspiel der National League zwischen dem SC Bern und EHC Biel, am Sonntag, 26. M ...
Philip Wüthrich verlor das Goalie-Duell gegen van Pottelberghe und Säteri im Viertelfinal.Bild: keystone

Biels doppelte Goalie-Lösung sorgt im Bernbiet inzwischen für Unruhe: Beim SC Bern ist intern ein Glaubensstreit entbrannt: Brauchen wir einen ausländischen Torhüter oder ist Philip Wüthrich gut genug? Der SCB ist im Viertelfinal gegen Biel auch gescheitert, weil Philip Wüthrich nicht gut genug war.

Und nun zeigt Biel, dass das Zusammenspiel zwischen einem ausländischen und einem einheimischen Goalie sehr wohl funktionieren kann. Wenn der SCB wieder ruhmreich werden will, braucht er nicht bloss einen guten, sondern einen grossen Goalie.

Grosse Goalies gibt es nur auf dem internationalen Transfermarkt.

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quelle: keystone / ennio leanza
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