Der zweite Champions-League-Abend dieses Jahres ist einer zum Vergessen – zumindest aus Schweizer Sicht. Einen einzigen Torschuss bekommt der FC Basel im Achtelfinal-Hinspiel gegen das himmelhoch überlegene Porto während 97 Spielminuten zustande. Der Ballbesitz sinkt zeitweise unter 35 Prozent, das sind dramatische Werte.
Nur weil die FCB-Zaubermaus Derlis Gonzalez in der 11. Minute eiskalt zuschnappt – und dabei Kopf und Kragen riskiert – darf der Schweizer Meister lange Zeit von einem Wunder träumen. Basels Coach Paulo Sousa liegt wohl wieder einmal goldrichtig, wenn er in der Analyse nach dem 1:1 vom schlechtesten internationalen Auftritt seiner Mannschaft in dieser Saison spricht.
Für neutrale Beobachter hat die Partie trotzdem einen seltenen Leckerbissen zu bieten – und dieser kann gar nicht genug gewürdigt werden. Verantwortlich dafür ist das englische Schiedsrichtergespann um Mark Clattenburg.
Nach 48 Minuten kommt Luca Zuffi bei einem Abpraller vor dem eigenen Tor nicht schnell genug in die Gänge. Portos Brasilianer Casemiro nimmt die Offerte dankend an und bugsiert den Ball an Tomas Vaclik vorbei in die Basler Maschen. Keine Offside-Fahne wird gehoben und Referee Clattenburg zeigt zum Anspielkreis. Die zahlreich aus der ganzen Schweiz angereisten Porto-Supporter sind im siebten Himmel.
Das neue Resultat von 1:1 steht bereits auf der Anzeigetafel. Doch während Porto seinen wohlverdienten Ausgleich frenetisch feiert, dämmert dem Schiedsrichtergespann langsam, dass es wohl gerade einen Fehler begangen hat. Tatsächlich sehen die TV-Zuschauer in der Zeitlupen-Wiederholung, dass Superstar Jackson Martinez und Marcano beim Tor passiv im Abseits stehen und dabei FCB-Keeper Vaclik die Sicht entscheidend versperren.
Der Videobeweis zeigt klar, dass die Porto-Spieler Jackson Martinez und Marcano den FCB-Keeper Vaclik behindern.
Doch die Schiedsrichter können auf dieses Hilfsmittel nicht zurückgreifen und so passiert lange Zeit erst einmal gar nichts. Dann fasst sich Assistent Stuart Burt ein Herz. Während sich die Spieler schon wieder im Anspielkreis formieren, sprintet der 34-Jährige von der Seitenlinie zu seinem Boss und redet intensiv auf ihn ein. Mittlerweile ist bereits mehr als eine Minute seit dem Tor vergangen, doch Burt will seinen Fehler unbedingt korrigieren. Er weiss jetzt, dass er die Offside-Flagge hätte heben müssen.
Schliesslich ist auch Mark Clattenburg überzeugt und zeigt wahre Grösse. Er annulliert den Treffer und setzt sich dem portugiesischen Volkszorn aus. Die blau-weissen Fans toben, die Mannschaft schreit Zetermordio – sogar der begünstigte Trainer Paulo Sousa ist komplett fassungslos.
Nun lässt sich fragen, was denn an dieser Entscheidung so grossartig ist. Ganz einfach: Das Schiedsrichtergespann hätte sie nicht treffen müssen. Über Passiv-Abseits lässt sich immer diskutieren. Bei der Analyse im Hinterzimmer hätten die Referees im Notfall höchstens eingestehen müssen, dass man diesen Treffer auch hätte aberkennen können. Vielleicht hätten sich einige FCB-Spieler oder der Trainer im Interview nach dem Spiel beschwert, doch das ist eine Dutzendszene und verhallt meistens ungehört.
So aber haben die Schiedsrichter auf der ganz grossen Fussballbühne eine Schwäche eingestanden und sie im Sinne der Fairness ohne Rücksicht auf ihre persönliche Karriere korrigiert. Medien und Fans zerreissen Schiedsrichter nach Fehlentscheidungen regelmässig in der Luft. Entsprechend sollte ihnen auch Respekt gezollt werden, wenn sie sich in einem Champions-League-Achtelfinal dermassen exponieren und damit auch noch richtig liegen.
Das gilt besonders für Schiri-Assistent Stuart Burt. Der Mann aus Northamptonshire, dem Basel die korrigierte Entscheidung und die verbleibende Chance auf ein Weiterkommen letztlich zu verdanken hat, macht sich nämlich auch so seine Gedanken.
Als er 2013 erstmals beim englischen Cupfinale im Wembley assistieren darf, hat er nach dem Schlusspfiff einen regelrechten Gefühlsausbruch: «Ich werde diesen Moment nie vergessen, ich war den Tränen nahe. Es ist alles gut gegangen und da fällt einem eine riesige Last von den Schultern. Es steht unglaublich viel auf dem Spiel und Millionen von Menschen schauen uns zu. Wenn wir Schiedsrichter einen Fehler machen, dann schaden wir uns und dem Sport. Es ist eine Horror-Vorstellung, sich am Ende seiner Karriere an einen Fehler in einem solchen Match zu erinnern.»
Zumindest gestern haben Burt und seine Kollegen alles richtig gemacht. Good job guys, keep it up!