Es ist ein spezieller Moment in einer Ausnahmesituation: Während 36'000 Menschen im St. Jakob-Park Taulant Xhaka einen rauschenden Abschied bereiten, betritt sein Bruder Granit an der Seite des Vaters und der Frau und den Kindern von Taulant das Spielfeld, schreitet das Spalier aus FCB-Mitarbeitern und der ersten Mannschaft ab, und bekommt sogleich das Mikrofon gereicht.
Es ist dann ein einziger Satz, mit der Geste eines Volkstribuns gesprochen, die eine ekstatische Reaktion auf den Rängen auslöst:
In einem Moment, in dem der FC Basel nach dunklen Jahren zurück ist im Licht und seinen 21. Meistertitel feiert, nach einer Saison, in der Xherdan Shaqiri als grosser Heimkehrer der Mannschaft eine neue Winnermentalität verliehen hat, elektrisiert die Leute diese kraftvolle Ansage von Granit Xhaka.
Er, der im selben Sommer den FC Basel verliess wie Shaqiri. Damals, 2012, als 19-Jähriger zu Borussia Mönchengladbach und mit einer Transfervereinbarung samt Bonuszahlungen und Beteiligungen, die fast wie eine frühe Blaupause für die Weiterverkaufsstrategie in der Ära Degen ist. Und dem FCB unter der Führung von Bernhard Heusler und Georg Heitz noch Jahre später und vor allem mit dem Wechsel von Gladbach zu Arsenal 2016 einen Gesamterlös eintrug, der gegen die 20 Millionen Franken ging.
Seit zwei Jahren spielt Granit Xhaka für Bayer Leverkusen, und er hat mit dem Meistertitel 2024 Bundesligageschichte geschrieben und obendrein das Double mit der Werkself gewonnen. Jetzt geht Meistertrainer Xabi Alonso zu Real Madrid, und nach einer Saison, die Leverkusen als Zweiter hinter Bayern München abschloss und in deren Endphase der Dauerläufer Granit Xhaka einen überspielten Eindruck machte, gibt es Spekulationen um den 133-fachen Schweizer Nationalspieler. Bei Galatasaray Istanbul wird er heiss gehandelt.
Und spätestens seit diesem Samstag auch in Basel. Zumindest bei den Fans. Die FCB-Verantwortlichen machen hingegen einen eher überrumpelten Eindruck. «Es ist natürlich eine Ehre, dass er das sagt», meint Klubchef David Degen, «aber er hat Vertrag bis 2028 und ist ein Leistungsträger in Leverkusen. Stand heute ist das kein Thema.»
Noch nicht vergessen sind die kleinen Scharmützel, die sich Granit Xhaka mit der aktuellen Klubführung geliefert hat, ausgelöst durch den Umgang mit seinem Bruder und ausgetragen in den sozialen Medien. Degen beteuert an diesem Samstag: «Wir haben uns noch nie Gedanken über eine solche Eventualität gemacht.» Und Xhakas «bald» ist natürlich ein dehnbarer Begriff.
Mit 32 Jahren steht Granit Xhaka immer noch in der Blüte seiner Karriere und näher als eine vorzeitige Rückkehr zu seinem Jugendklub läge von aussen betrachtet gar, dass Xabi Alonso darüber nachdenken könnte, seinen Mittelfeldstrategen mit nach Madrid zu lotsen. Zumal da in Luka Modrić ein anderer Lenker und Denker im Alter von 39 Jahren vor zwei Tagen das Ende seiner Real-Ära verkündet hat.
Xherdan Shaqiri wurde, kaum hatte er den Meisterkübel in den Abendhimmel über dem Joggeli gestemmt, selbstredend umgehend nach seinem Weggefährten von der FCB-Juniorenabteilung bis zur ersten Mannschaft und in der Nati gefragt. «Das wäre natürlich ein Traum für viele und für mich auch. Ex-Spieler, die aus der Region kommen und viel geleistet haben für den FC Basel, sind immer sehr willkommen», sagt Shaqiri, schränkt jedoch ein:
Womöglich muss dieses «Ein Xhaka geht, aber bald ist der andere auch wieder da» vorsichtiger gedeutet werden, als es den FCB-Fans lieb ist.
Zumindest kurzfristig dürfte ihnen das aber auch egal sein. Schliesslich gab es neben dem Kantersieg gegen Luzern auch den Meistertitel oder eben die Verabschiedung von Granits grossem Bruder Taulant oder Assistenztrainer Davide Callà zu feiern.
(bzbasel.ch/con)