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Motzen, Pöbeln, Drohen – so ist es, Amateur-Fussball-Schiri zu sein

Motzen, Pöbeln, Drohen – so ist es, Amateur-Fussball-Schiri zu sein

Andreas Aerni ist seit zehn Jahren Schiedsrichter im Aamateur-Fussball und Mitglied der Schiedsrichterkommission beim Fussballverband Nordwestschweiz. Er spricht über Pöbeleien und Drohungen auf dem Platz – und weshalb er trotzdem Spass hat.
26.10.2017, 06:41
Nadine Böni / az Aargauer Zeitung
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In dieser Woche war es ein ganz Grosser, der die Diskussion wieder einmal entfachte: Neymar, der brasilianische Superstar in Diensten von Paris Saint-Germain, sagte nach seinem Platzverweis im Spiel gegen Marseille in die TV-Kameras: «Der Schiedsrichter wollte im Mittelpunkt stehen.»

Schiedsrichter Regionalfussball
Eine Idee des Fussballverbands ist es, dass junge Schiedsrichter über den Juniorenfussball den Einstieg schaffen.Bild: Aargauer Zeitung/ Hans Peter Schläfli

Es ist ein ewiges Thema; kaum ein Schiedsrichter schafft es, ein Fussballspiel zu pfeifen, ohne mindestens einmal für Diskussionen zu sorgen. Das ist in der Glitzerwelt von Neymar so und genau gleich auf den Fussballplätzen bis hinunter in die untersten Ligen der Schweiz.

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250 Amateur-Spiele werden dieses Wochenende allein in der Region Nordwestschweiz ausgetragen, dazu 150 im Kinderfussball. Und: «Bei jedem einzelnen davon wird der Schiedsrichter ein Thema sein», sagt Andreas Aerni, Mitglied der Schiedsrichterkommission beim Fussballverband Nordwestschweiz (FVNWS). Dem Verband gehört ein Grossteil der Fricktaler Fussballklubs an.

Sei es ein Offside, ein Foul-Pfiff oder eine vermeintlich unberechtigte gelbe Karte – Spieler, Trainer, Funktionäre und Zuschauer sind oft uneinig mit dem Schiedsrichter. Und sie sagen das, manchmal laut und deutlich. «In den allermeisten Fällen ist das nach dem Spiel wieder gegessen», sagt Aerni.

Aber es gibt eben auch die anderen Fälle. Die Fälle, in denen Schiedsrichter nach Spielende beleidigt werden, bedroht oder gar körperlich angegriffen. Die Wettspielkommission des FVNWS muss sich nach jedem Wochenende mit fünf bis zehn solcher Vorfälle auseinandersetzen und mit Schiedsrichtern und Vereinen sprechen. Den Tätern drohen Bussgelder oder Spielsperren; den Vereinen Punkteabzüge oder gar der Ausschluss von der Meisterschaft.

Der verlorene Hoyycharakter

Aerni ist selber seit zehn Jahren als Schiedsrichter im Amateur-Fussball engagiert. Und auch wenn die Strafstatistiken der Wettspielkommission keine drastische Zunahme zeigen, so hat er schon das Gefühl, dass sich auf dem Platz einiges geändert hat. «Der Fussball wird immer ernster genommen. Der Hobbycharakter ist teilweise verloren gegangen», so Aerni.

330 Schiedsrichter...
... sind aktuell für die Vereine im Fussballverband Nordwestschweiz tätig. Das sind so wenige, dass jeder praktisch jedes Wochenende ein Spiel oder gar mehrere pfeifen muss.

Das führt dazu, dass vor allem Trainer und Funktionäre unter einem Leistungsdruck stehen – oder zumindest das Gefühl haben, es sei so. «Entsprechend ist die Fehlertoleranz gegenüber dem Schiedsrichter gesunken», so Aerni.

Ein Schiedsrichter braucht ein dickes Fell. «Es gibt Momente, in denen ich mich frage: Warum tust du dir das noch an?», sagt Andreas Aerni. Gerade wenn das Gemotze und die Pöbeleien von Zuschauern kommen, ist eine Sanktion schwierig. Vereinsoffizielle wie Trainer, Funktionäre oder Spieler kann er ermahnen oder des Feldes verweisen, bei Unbeteiligten ist das nicht möglich. «Da bleibt mir nur, wegzuhören – auch wenn es grausam nervt.»

Und es hilft, den Fokus auf die positiven Aspekte zu lenken. Denn Aerni betont auch: «Es gibt die Spiele, in denen es läuft, und dann macht es richtig Spass – und das sind die Mehrheit der Spiele.»

Das Amt und die Schiedsrichter selber aber haben unzweifelhaft mit einem Image-Problem zu kämpfen. «Klar, das ist so», sagt Aerni. Das zeigt sich gerade in der Rekrutierung. Jeder Verein ist verpflichtet, eine gewisse Anzahl Schiedsrichter zu stellen; sonst muss er Strafgebühren zahlen. Interessenten für die Schiedsrichterkurse aber sind rar. So landen in den Kursen häufig einfach nur schlechte Nein-Sager statt echter Interessenten.

Verband hilft Vereinen

Der Verband hat die Problematik erkannt. Zu heiklen Spielen schickt er zwei Beobachter, als Unterstützung für die Unparteiischen. Oder er setzt einzelne Schiedsrichter auf eigenen Wunsch nicht mehr für bestimmte Mannschaften ein. «In den Trainerkursen thematisieren wir ausserdem die Sozialkompetenz und Vorbildfunktion, die auch im Umgang mit dem Schiedsrichter gelebt werden soll», sagt Andreas Aerni.

Hoffnung steckt er auch in ein neues Projekt: Im Sommer hat der FVNWS seine Schiedsrichterkommission um eine Abteilung erweitert. Sie soll die Vereine für die Arbeit der Schiedsrichter und deren Rekrutierung sensibilisieren und sie dabei unterstützen.

«Die Idealvorstellung ist es, dass künftig mehr geeignete Kandidaten gefunden werden», sagt Aerni. Eine Idee sei es, dass gerade junge Schiedsrichter über den Kinderfussball den Einstieg finden – und aus Spass bleiben. (aargauerzeitung.ch)

A props Fussball

Video: watson/Quentin Aeberli, Emily Engkent
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