Wenn er sich da nur nicht irrt. Bayern-Captain Philipp Lahm sagt: «Im Kampf um die Meisterschaft ist Leipzig von der Besetzung her nicht so aufgestellt, dass es über die gesamte Saison hinweg um die vordersten Plätze mitspielen könnte.» Aber: Nach acht Spieltagen liegt der Aufsteiger nur zwei Punkte hinter Bayern auf Rang zwei.
Bereits sind sie in Deutschland die «Bayern-Jäger» gegen ihren Willen. In Leipzig versucht man alles, um tiefzustapeln. Sportdirektor Ralf Rangnick sagt: «Wenn wir nach dem zehnten Spieltag noch da stehen, wo wir jetzt stehen, können wir sagen, dass wir gut gestartet sind.»
Rangnick weiss, wovon er spricht. Als Trainer der TSG Hoffenheim ist er im Aufstiegsjahr 2008 vor Bayern Herbstmeister geworden – und in der Rückrunde noch bis auf Rang sieben zurückgefallen. Leipzig-Stürmer Davie Selke sagt denn auch: «Wir sind nur ein Aufsteiger, der sehr dankbar ist, dass es gerade so läuft, wie es läuft.» Understatement – und hoffen auf den Leicester-City-Effekt. In England dachten in der vergangenen Saison auch viele, der Underdog ziehe seine Erfolgsserie niemals bis zum Ende durch. Das Ergebnis ist bekannt: Leicester wurde sensationell Meister.
Bis dorthin ist es für Leipzig noch ein sehr weiter Weg. Als neutraler Zuschauer freut man sich vor allem darüber, dass die Bundesliga aktuell so spannend ist wie lange nicht mehr. Selke sagt: «Wann spielen wir gegen Bayern? Dann sprechen wir über Bayern.» Am 21. Dezember ist es so weit. Am letzten Spieltag der Vorrunde. Bis dahin geniesst Leipzig die Rolle der weiterhin Unterschätzten.
Die Premier League ist die Liga der Trainer mit den grossen Namen. Es gibt José Mourinhos Manchester United. Jürgen Klopps Liverpool. Arsène Wengers Arsenal. Und doch stellt einer alle in den Schatten: Pep Guardiola. Er hat im Sommer Manchester City mit einer Wucht übernommen, die erstaunlich ist. Die ersten zehn Spiele gewann sein neustes Projekt alle. In München begann man derweil zu merken, dass die Kritik nach dem erneuten Out im Champions-League-Halbfinal vielleicht doch etwas überzogen war. Gerade weil die Bayern nicht mehr derart überzeugen.
Doch Pep, der Perfektionist, wäre nicht Pep, wenn er nicht auch seine Ideen und Ideologien über den Fussball hinaus im Verein implementieren wollen würde. Und das geht dann so: Alle Junioren bei Manchester City tragen ab sofort nur noch schwarze Schuhe! Farbige Treter? Verbiegen höchstens den Charakter und lassen die Junioren womöglich glauben, sie seien etwas Besseres. Doch auch für die Profis gelten neue Regeln. Frühstücken und Mittagessen? Gemeinsam mit dem Team! Internet auf dem Trainingsgelände? Fehlanzeige! Würde nur ablenken. Fussballer sind dafür bezahlt, sich über den Fussball Gedanken zu machen. Sagt Pep.
Nach diesem Raketenstart mit zehn Siegen glaubten viele Guardiola und sein City bereits entrückt. Es kam anders. Seit dem missglückten Auftritt in der Champions League bei Celtic Glasgow (3:3 unentschieden) geht plötzlich nichts mehr. Sechs Spiele ist City mittlerweile ohne Sieg – und darum die Spitze in der Premier League zusammengerückt.
Und Guardiola? Der findet das gut. Ein bisschen zumindest. Sein City ist nicht einfach eine automatische Siegesmaschine. Und darum kann er nun zeigen, dass er tatsächlich jener Magier ist, für den ihn ohnehin fast alle halten.
Am Samstag das 1:0 gegen Serienmeister Juventus Turin, am Dienstag das 0:3 in Genoa: Die AC Milan ist stark in die Saison 2016/17 gestartet, zeigt aber zwei Gesichter. Im Wissen, dass mit Gianluigi Donnarumma ein 17-jähriger Torhüter, mit Alessio Romagnoli ein 21-jähriger Innenverteidiger und mit Manuel Locatelli ein 18-jähriger Mittelfeldspieler in der Startformation standen, ist ein Rückschlag wie derjenige gegen Genoa erklärbar. Die Form von Talenten unterliegt grösseren Schwankungen als diejenige von routinierteren Spielern. Dieses Risiko geht man also bei der AC Milan offensichtlich ein.
Der Kampf an der Tabellenspitze in der Serie A ist spannend. Juventus Turin, die AS Roma, Napoli, Milan und Lazio Rom sind nach zehn Runden nur durch sechs Punkte getrennt. Dass Milan trotz keiner grossen Transfers vor der Saison vorne mithalten kann, ist überraschend. Der Hauptgrund für den Höhenflug ist Trainer Vincenzo Montella.
Der 42-jährige Römer und frühere Klasse-Mittelstürmer löste zu Beginn dieser Saison den Serben Sinisa Mihajlovic ab und führte die Mailänder dank erfrischendem Offensivfussball auf die Erfolgsspur.
Die AC Milan auf Meisterkurs? Nein! Natürlich wünschen sich die Tifosi in Mailand sehnlichst einen Titelgewinn. Schliesslich warten sie schon seit 2011 auf einen grossen Coup. Es wäre allerdings vermessen, in dieser Saison auf den «scudetto» zu hoffen. Aber nach dreijähriger Abstinenz auf der europäischen Bühne liegt die Qualifikation für die Europa League durchaus drin.
Unai Emery, der Sevilla zu drei Europa-League-Titeln in Serie coachte? Weg! Captain Coke? Weg! Regisseur Krychowiak? Weg! Superstar Gameiro? Weg! Flügelflitzer Konoplyanka? Weg! Die vier besten Torschützen der vergangenen Saison? Weg!
Man könnte meinen, Jorge Sampaoli habe im Sommer ein Himmelfahrtskommando übernommen. Der Chilene beerbte auf dem Trainerstuhl der Andalusier Unai Emery – und das Eintreffen eines ungeschriebenen Fussballgesetzes schien programmiert: Der Nachfolger eines langjährigen Erfolgstrainers scheitert.
Das Mitleid mit Sampaoli wuchs nach dem Blick auf die sommerlichen Neuzugänge: No Names von Mittelklasseklubs aus Italien und Frankreich. Bezeichnend: Der hierzulande bekannteste Zuzug war Hiroshi Kiyotake von Bundesliga-Absteiger Hannover.
Und dann das: Nach 9 Spieltagen ist der FC Sevilla Teil der Spitzengruppe – auf Platz 2 im Sandwich zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Zuletzt gewann Sevilla 1:0 gegen Atlético Madrid und erbrachte so den Beweis, zu Recht da oben zu stehen.
Baumeister Sampaoli hat alle überrascht. Aber irgendwie auch nicht: Schliesslich machte sich der umtriebige Argentinier bereits einmal einen Namen als Trainer einer namenlosen Truppe: Sampaoli formte als Trainer von Chile aus den Südamerikanern ein Spitzenteam, das an der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien mit offensivem Kampffussball entzückte. Die Krönung war im Jahr 2015 der Sieg bei der Copa America – im Final gewann Chile ausgerechnet gegen Sampaolis Heimatland Argentinien. Nun macht sich Sampaoli an, Europa zu erobern. Der Start ist schon mal gelungen.