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Frauenfussball: Die erste lizenzierte Fussballerin war eine Schweizerin

Die ehemalige Schweizer Fussballspielerin und erste lizenzierte Frau im Schweizer Fussball Madeleine Boll posiert in der Pop-up-Ausstellung Here to Play - die Geschichte des Frauenfussballs in der Sch ...
Sie war die erste lizenzierte Fussballerin der Welt: Madeleine Boll.Bild: KEYSTONE

Fussball wurde ihr verboten – als Trost schenkte ihr der Schweizer Verband einen Teller

Madeleine Boll ist eine Pionierin des Frauenfussballs. Als ihr im Alter von 12 Jahren die Lizenz entzogen wurde, ging es ihr jedoch einfach darum, wieder spielen zu dürfen. 60 Jahre später findet in ihrem Heimatland eine Europameisterschaft statt – noch ist die Entwicklung in ihren Augen aber nicht abgeschlossen.
04.06.2025, 12:1804.06.2025, 15:04
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Wenn Madeleine Boll über den Fussball der Frauen und die bevorstehende Europameisterschaft in der Schweiz spricht, ist ihre Begeisterung und Leidenschaft für den Sport sofort zu spüren. Mit viel Freude und voller Elan berichtet sie über ihre Geschichte und die Entwicklung des Fussballs der Frauen. Und die 71-Jährige hat eine Menge zu erzählen.

1965 war sie die erste lizenzierte Fussballerin der Welt. Weil die Walliserin vor einem Europacup-Spiel des FC Sion mit den C-Junioren spielen durfte, ging ihre Geschichte um die Welt. Dadurch bemerkte der Schweizerische Fussballverband (SFV) aber seinen Fehler und entzog Boll ihre Lizenz wieder. Damals durften nur Jungen Fussball spielen, für Mädchen sei es zu gefährlich, habe ein Arzt dem Verband attestiert. Als Trost erhielt die damals Zwölfjährige vom Verband einen Holzteller.

Vor diesem steht Boll 60 Jahre später im FIFA-Museum in Zürich. Der Teller ist Teil der Pop-Up-Ausstellung «Here to Play – The History of Women’s Football in Switzerland», welche die Geschichte des Frauenfussballs in der Schweiz zeigt und die für die Öffentlichkeit seit gestern Dienstag und bis am 17. August zugänglich ist. Direkt darüber ist das Maskottchen der EM 2025 zu sehen: «Maddli». Der Name ist eine Hommage an Pionierin Madeleine Boll, die sagt: «Diese beiden Objekte zeigen eigentlich meine ganze Geschichte.»

Der Holzteller und das EM-Maskottchen «Maddli».
Der Holzteller und das EM-Maskottchen «Maddli».Bild: fifa museum

Wegen des Haushaltskurses konnte sie nicht mehr zum Fussball

Boll liess sich vom Entscheid des SFV damals nicht unterkriegen. Sie habe erst viel geweint, doch dann hatte sie das Glück, dass in Lausanne jeweils mittwochs ein Schülerturnier stattfand, bei dem sie auch ohne Spielerlizenz mitspielen durfte – noch immer war sie das einzige Mädchen unter lauter Jungs. Zwei Jahre reiste sie dafür jeweils aus ihrem Heimatdorf Granges nahe Sierre nach Lausanne. Dann musste sie an diesem Tag aber den für Mädchen obligatorischen Haushaltskurs besuchen. Ein weiteres Hindernis für Bolls Wunsch, Fussball spielen zu können. Als Ersatz begann sie mit dem Laufen. Die Leichtathletik gefiel ihr, aber die Liebe zum Fussball war immer grösser.

So war es ein grosser Glücksfall, dass ein Tessiner Anwalt, der von ihrer Geschichte gehört hatte, ihre Familie im Namen eines italienischen Klubs kontaktierte und sie auf die Möglichkeit hinwies, in der neu gegründeten Liga für Frauen zu spielen. Dies tat sie dann auch – trainieren durfte sie aber weiterhin in Sion. Nur für die Spiele reiste sie nach Italien. Fünf Jahre spielte sie für Gomma Gomma Milano, das erste sei das schönste gewesen. Mit dem Team nach Rom, Neapel oder Turin zu reisen, teilweise gar mit dem Flugzeug. «Magnifique», schwärmt Boll.

Während ihrer Zeit in Italien ging es in der Schweiz voran – auch dank Boll und ihrem Vater. In Sion gründete sie gemeinsam mit drei anderen Mädchen den Klub, der später zum FC Sion Féminin wurde, der Vater war der Präsident. Beim ersten inoffiziellen Länderspiel der Schweizerinnen im Jahr 1970 lief sie selbstverständlich ebenfalls auf, und auch bei den ersten offiziellen Länderspielen ab 1972. Nach ihrer Karriere, die sie 1978 im Alter von 25 Jahren beendete, arbeitete sie sowohl beim Walliser als auch beim Schweizerischen Fussballverband, begleitete die Nationalteams der Frauen bis 2011 als Delegationschefin. Boll hat also die gesamte Entwicklung des Frauenfussballs in der Schweiz mitbekommen – und auch geprägt.

Die 12 jährige Madeleine Boll aus Granges bei Sion erhaelt als erste Fussballerin in der Schweiz die Lizenz vom Schweizerischen Fussballverband SFV, aufgenommen am 24. September 1965 in Sion. Sie spie ...
Madeleine Boll im Alter von zwölf Jahren.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Der Fussball der Frauen wurde «fernsehtauglich»

Welche Rolle sie dabei gespielt hat, wurde ihr aber erst mit der Zeit bewusst. Damals ging es ihr nur darum, Fussball spielen zu dürfen, wie sie immer wieder betont. Dass die Europameisterschaft nun in ihrer Heimat stattfindet, bezeichnet sie als «immenses Geschenk». Besonders, dass drei Spiele in Sion ausgetragen werden, macht sie stolz.

Viel über den Fussball der Frauen in der Schweiz weiss auch Prisca Steinegger zu berichten. Zwischen 1996 und 2008 absolvierte die Innenverteidigerin 55 Länderspiele und sagt nun: «Taktisch und technisch hat der Fussball eine Riesenentwicklung gemacht. Er ist fernsehtauglich geworden und dadurch hat sich auch das mediale Interesse deutlich vergrössert.» Auch in der Schweiz konnte das Niveau durch frühere Förderung und besseres sowie strukturierteres und häufigeres Training verbessert werden.

Nun hofft die 47-Jährige, dass der Effekt durch die EM noch einmal verstärkt werden kann. «Mein grosser Wunsch wäre, dass jedes Mädchen und jede Frau, die Fussball spielen möchte, das auch kann, entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert wird und gross träumen darf», so Steinegger. Dafür brauche es jedoch die Infrastruktur und das Personal – also Trainerinnen, Schiedsrichter und Funktionärinnen. Dies sei gerade in der Schweiz der Knackpunkt. «Da sind wir am Limit, nicht nur bei den Mädchen. Ich hoffe, dass wir da bereit sind, wenn nach der EM hoffentlich noch mehr Frauen und Mädchen spielen wollen.»

Prisca Steinegger in der Pop-Up-Ausstellung der FIFA zum Frauenfussball Fussball in Zürich.
Prisca Steinegger spielte einst selbst für die Schweizer Nati.Bild: watson

«Der Fussball muss professionalisiert werden»

Davon, was passieren muss, damit die Entwicklung des Frauenfussballs auch in der Schweiz weiter vorangetrieben und der Rückstand im Vergleich zu anderen Ländern aufgeholt werden kann, hat auch Madeleine Boll klare Vorstellungen: «Es muss noch mehr investiert und der Fussball professionalisiert werden. Wir verlangen von den Mädchen viel, unter anderem viermal die Woche zu trainieren. Deshalb müssen die Spielerinnen anständig bezahlt werden.»

Mit Blick auf die bevorstehende Heim-EM sieht Boll aber dennoch Chancen für das Schweizer Nationalteam. Norwegen sei wahrscheinlich das beste Team der Gruppe – das Gespräch fand vor der 0:1-Niederlage der Nati am Dienstag statt – doch seien Finnland und Island machbare Gegner. Ein Weiterkommen hält auch Prisca Steinegger für realistisch. Danach sei zwar alles möglich, «aber dann kommen eben auch die wirklich schwierigen Gegner». Wird die Schweiz Zweiter der Gruppe, droht Weltmeister Spanien, Bolls grosser Favorit.

Bei einem sind sich die beiden Ex-Nationalspielerinnen aber sicher: «Die EM wird ein grosses Fest.»

Mehr zur Ausstellung
«Here to Play – The History of Women’s Football in Switzerland» ist Teil des FIFA-Museums. Die Ausstellung zeigt einige bedeutende Objekte aus dem Schweizer Frauenfussball wie den Holzteller, den Madeleine Boll vom Schweizer Fussballverband erhielt, oder die Captainbinde von Lia Wälti.

Ergänzt werden diese durch einen interaktiven Touchscreen, auf dem sich Besucherinnen und Besucher durch die Biografien 14 bedeutender Persönlichkeiten im Schweizer Fussball der Frauen navigieren können.

Die Ausstellung dauert vom 3. Juni bis am 17. August.
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Hier werden die Spiele der EM der Frauen 2025 ausgetragen
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quelle: shutterstock
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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Shinobi
04.06.2025 13:41registriert November 2016
Absolut mindblowing wie rückständig und patriarchisch wir noch vor wenigen Jahrzehnten waren - erstaunt mich immer wieder - wie auch Beispiel Frauenstimmrecht.
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DoMeBE19
04.06.2025 13:56registriert August 2014
Eine wahrhaftig inspirierende Geschichte von der guten Frau Boll! Auch richtig cool dass Sie nach Ihrem Rücktritt die Schweizer Nati auf jedem Schritt begleiten konnte.
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m:k:
04.06.2025 16:06registriert Mai 2014
Sehr schön, dass Frau Boll nun sehen kann, dass sich dank ihrem Durchhaltevermögen so viel geändert hat. Eine sehr inspirierende Geschichte!
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