Lieber Xherdan
Weisst du noch, damals in Vanderbijlpark? Das war dieses Resort im kalten Nirgendwo, in dem sich die Schweiz während der Fussball-WM 2010 in Südafrika einquartiert hatte.
Für dich war alles neu. Als 18-Jähriger durftest du erstmals Turnierluft schnuppern, auf und neben dem Rasen. Ich habe noch gut im Kopf, wie du in einer etwas zu grossen Lederjacke und mit grossen Augen alles um dich herum aufgesaugt hast, als ich dich nach dem Schweizer Ausscheiden im hoteleigenen Casino antraf.
Deine Karriere hatte gerade richtig Fahrt aufgenommen. Sie wurde ein wilder Ritt, gespickt mit vielen Pokalen.
Ich muss nicht in die Kommentarspalten schauen, ich weiss ohnehin, was da bemängelt wird. Dass du ja eh nur ein Bankdrücker gewesen seist und bei den grossen Klubs, bei denen du warst, kein wichtiges Element. Sollen sie doch.
Natürlich kann man darüber diskutieren, dass vielleicht mehr drin gelegen wäre. Aber wer weiss das schon. Am Ende zählt, was auf der Visitenkarte steht. Zwei Champions-League-Titel, drei Meisterschaften mit Bayern München und eine Meisterschaft mit dem FC Liverpool sprechen eine deutliche Sprache.
Und vor allem hast du in der Schweizer Nati fast immer geliefert. Du bist herausgestochen mit deinen Fabeltoren. Warst bis zuletzt stets der Liebling der Massen. Du hast dich vom Talent rasch zum «Fantasista» entwickelt, zu jener Art von Spielern, der immer und jederzeit etwas Magisches zugetraut wird.
Du hast der Schweiz in 125 Länderspielen ganz viele solcher Momente geschenkt. Etwa deinen Seitfallzieher an der EM 2016 gegen Polen. Deine Tore gegen Serbien an den letzten zwei Weltmeisterschaften. Zuletzt diesen Prachtstreffer an der EM gegen Schottland. Es war dein 32. und letztes Tor für die Schweiz, nur die Stürmer Alex Frei (42) und Kubilay Türkyilmaz (34) trafen öfter.
Und dann ist da ja noch dieser irrsinnige Was-wäre-wenn-Moment. Im EM-Viertelfinal gegen England, die Verlängerung ist schon fast zu Ende, hast du einen Geistesblitz. Versuchst, einen Corner direkt im Tor zu versenken. Der Ball klatscht ans Lattenkreuz. Wir werden in 50 Jahren noch davon sprechen, wie es herausgekommen wäre, hättest du auf diese unfassbare Art das Siegtor erzielt.
Diese eine Szene fasst eigentlich perfekt zusammen, wer du auf dem Spielfeld warst. Einer, der immer ein Frechdachs geblieben ist, verspielt und kreativ. Vielleicht hätte eine Flanke zu einem Kopfball und einem Schweizer Tor geführt. Aber das warst nicht du. Hattest du die Wahl zwischen Sicherheit und Risiko, hast du dich im Zweifel für Zweiteres entschieden. Kein Wunder, liebten dich die Fans dafür.
Einen Spieler wie dich hatte die Schweiz seit Hakan Yakin nicht mehr. Vom Frechdachs, der 2010 die grosse Bühne betrat, bist du zur Leaderfigur gereift, du wurdest zu einem der besten Fussballer in der Geschichte des Landes.
Xherdan, du hast die Fans glücklich gemacht. Das sollte im Fussball viel öfter im Fokus stehen als die Resultate. Es hat Spass gemacht, dir zuzuschauen. Nun drängt die fitte(re) Jugend nach, was es dir einfacher macht, deine Nati-Karriere zu beenden.
Ich weiss, ich spreche nicht für alle, aber für sehr, sehr viele Schweizer Fussballfans, wenn ich abschliesse:
PS: Zuletzt hast du durchblicken lassen, dass es dir in Chicago nicht mehr so gefällt. Wie wäre es, wenn du deine Karriere da beendest, wo alles angefangen hat? Du würdest der Super League guttun.