Vincent Kriechmayr feiert den grössten Erfolg seiner Karriere: Der Österreicher wird in Cortina d'Ampezzo Weltmeister im Super-G. Die Schweizer enttäuschen mit den Rängen 10 für Beat Feuz und 11 für Marco Odermatt.
Sehr viel zu reden gibt die Schlüsselstelle des Rennens, dessen Kurs der italienische Trainer Alberto Ghidoni gesetzt hat. Hinter einer Kuppe hat er die Tore so in den Hang platziert, dass sämtliche Fahrer Schwierigkeiten haben, bei hohem Tempo die enge Linie zu halten.
Loïc #Meillard und Mauro #Caviezel verpassen auf der schwierigen Super-G-Strecke beim Vertigine-Sprung wie einige Fahrer das nächste Tor. @fisalpine @swissskiteam #FIS #Cortina2021 #SkiWM #srfsport #srfski pic.twitter.com/7X9xe76kDw
— SRF Sport (@srfsport) February 11, 2021
Natürlich ist das Jammern gross. Als die ersten drei Fahrer alle an der gleichen Stelle ausscheiden, schreibe ich in unsere WhatsApp-Gruppe, dass heute wohl der argentinische Hinterherfahrer Cristian Javier Simari-Birkner gewinne. Weil er als einziger langsam genug sei für diese Kurve.
Doch die Info über die Schlüsselstelle des WM-Super-Gs findet rasch ihren Weg an den Start. «Wären alle so gefahren, wie sie besichtigt hatten, wären wir alle nur so weit gekommen wie die ersten drei Gestarteten», gibt Olympiasieger Matthias Mayer im ORF zu. Es gilt also, sich rasch so auf die Begebenheiten einzustellen, wie sie sich im Renntempo präsentieren.
Für die Schweizer Loic Meillard (Startnummer 2) und Mauro Caviezel (3) wie auch für den Österreicher Christian Walder (1) kommt diese Erkenntnis zu spät. Sie werden als «Testpiloten» verheizt. Das ist für das Trio sehr bitter und doch ist es leider ein Teil des Spiels im Super-G, wo es anders als in der Abfahrt keine Trainings gibt. Caviezel pokert und wählt fürs Rennen die Startnummer 3 aus. Dieser Poker geht nicht auf.
Mit dem Österreicher Vincent Kriechmayr wird jener Fahrer Weltmeister, der im Weltcup die letzten beiden Rennen in dieser Disziplin gewonnen hat und in der Disziplinenwertung führt. Das belegt: Die Kurssetzung in Cortina d’Ampezzo ist zwar verwegen. Aber sie ist nicht unfair, wenn am Ende der beste Fahrer des Winters gewinnt. Und ganz sicher ist es so gerechter, als wenn die Strecke keine Tücken hat und stattdessen Wind und Wetter einen Einfluss haben.
Cristian Javier Simari-Birkner ist heute übrigens gar nicht am Start, für Argentinien tritt Juan Pablo Vallecillo an. Er wird an dieser WM chancenlos sein. Anders als die Schweizer Männer, die noch zahlreiche Möglichkeiten haben, eine Medaille zu gewinnen.
Es stimmt, der Super-G ist immer eine Lotterie. Doch im Normalfall kennen die Fahrer zwar nicht den Kurs, aber die Strecke – wenigstens durch ein Abfahrtstraining. In Cortina ist das nicht der Fall und so verkommen die ersten drei Fahrer zu chancenlosen Testpiloten. Das kann nicht sein und ist einer WM unwürdig.
Die FIS und die Veranstalter hätten reagieren müssen. Der Super-G darf bei einer komplett neuen Strecke nicht das allererste Rennen sein. Zudem ist die Kurssetzung generell äusserst fragwürdig. Um die Kurve nach dem eigentlich schönen und spektakulären Vertigine-Sprung zu erwischen, müssen die Fahrer voll auf die Bremse treten und sich irgendwie durchmurksen. Auch das kann nicht das Ziel sein in einem Speed-Rennen. Die Verantwortlichen haben Glück, dass sich beim Reinwürgen in das strittige Tor niemand verletzt hat.
Die Ausrede, dass das Rennen trotzdem fair sei, weil mit Kriechmayr einer der Besten der Saison gewonnen hat, gilt nicht. Kriechmayr, er trug die 5, wäre mit einer noch früheren Startnummer genau so chancenlos gewesen wie Caviezel oder Meillard. Dass es nun gleich zwei Swiss-Ski-Athleten mit so frühen Startnummern erwischt hat, macht das Ganze aus Schweizer Sicht natürlich noch bitterer.
Die FIS und die Organisatoren der Weltmeisterschaft in Cortina haben hier versagt. In einem WM-Rennen müssen diejenigen Faktoren, die anders als das Wetter beeinflusst werden können wie etwa eine Kurssetzung, von der ersten bis zur letzten Startnummer gleich sein.