Russland entdeckt den Sport wie wir ihn heute kennen erst spät. 1912 hatte sich ein 158-köpfiges Kontingent aus dem Zarenreich an den Spielen von Stockholm beteiligt. Nach der Revolution von 1917 bleibt Russland den Olympischen Spielen fern. Der Sport wird als bürgerliches Unterfangen der kapitalistischen Länder abgetan.
1948 reist eine zehnköpfige Delegation zur Beobachtung zu den Olympischen Winterspielen nach St. Moritz. Die kommunistische Führung erkennt nach dieser Inspektionsreise die Nützlichkeit des Sportes. 1952 wird die Sowjetunion erstmals bei Sommerspielen in Helsinki, 1954 bei der Eishockey-WM in Deutschland und 1956 bei den Winterspielen in Cortina dabei sein.
Sport ist also in der Sowjetunion von allem Anfang an ein Teil der Politik und vollständig vom Staat abhängig und kontrolliert. Eine Gewaltentrennung wie in den westlichen Ländern zwischen Staat und Sportverbänden hat es in der Sowjetunion nie gegeben und gibt es auch im heutigen Russland nicht. Um mit Clausewitz zu reden: Sport ist in Russland die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Den russischen Sport können wir nur verstehen, wenn wir diese Geschichte kennen. Der Sport gehört zu den Machtmitteln der russischen Regierung. So wie der Geheimdienst oder die Armee. Das erklärt auch, warum der Staat so tief in jeden Skandal rund um den russischen Sport verstrickt ist und warum wir es im Fall von Russland mit «Staats-Doping» zu tun haben: Anders als im Westen versucht der Staat nicht, Doping zu bekämpfen. Der Staat fördert in Russland alles, was Erfolg verspricht. Der Zweck heiligt die Mittel.
Unter dem kommunistischen Regime hatte der Sport eine zentrale Bedeutung im «Kampf der Systeme»: Der Sport sollte die Überlegenheit des Sozialismus aller Welt vor Augen führen. Zudem ermöglichte der Sport den Aufbau eines weitverzweigten, weitreichenden Beziehungsnetz in der westlichen, der feindlichen kapitalistischen Welt. Für die Informationsbeschaffung mindestens so effizient wie der Geheimdienst. Und nicht zu unterschätzen: Durch den Sport war es auch möglich, dringend benötigte Deviseneinnahmen zu erzielen – u.a. durch die Subventionen der nationalen Organisationen durch die internationalen Sportverbände.
Ist der Sport ein ernstzunehmendes Machtmittel von Wladimir Putin? Ja, weil der Sport mitgeholfen hat, die westliche Welt, insbesondere die Welt des Sportkapitalismus zu infiltrieren: Russische Oligarchen sind beispielsweise Besitzer oder Mitbesitzer von Sportunternehmen (wie Fussball- oder Hockeyklubs) und haben dadurch weitreichenden Einfluss auch auf die Medienwelt. Russische Unternehmen treten im Westen auch als Sponsoren auf. Wie etwa Nord Stream beim EV Zug.
Sport und Politik lässt sich nicht mehr auseinanderhalten. Der Sport ist politisch geworden. Aus den Investitionen der russischen Oligarchen im westlichen Sport entstehen Abhängigkeiten. In einem gewissen Sinne offenbart der Sport die Ohnmacht der Welt: Selbst klar nachgewiesene Dopingvergehen haben nicht zu einer geschlossenen Reaktion der Sportpolitik geführt. Das IOC hat sich nicht zu einem Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen durchringen können und die grossen Sportverbände scheuten bisher davor zurück, Russland von Titelkämpfen in wichtigen Sportarten auszuschliessen.
Im Eishockey ist Russlands Einfluss am grössten. 1954 sind die Russen erstmals bei einer WM angetreten, holten gleich den Titel und sind seither ausserhalb von Nordamerika die einflussreichste Hockey-Nation. Am Montag berät der Internationale Eishockey-Verband IIHF an einer Sitzung über das Vorgehen. Zentrales Traktandum: Soll Russland von der Eishockey-WM in Finnland (13. bis 29. Mai) ausgeschlossen werden? Wie nervös der neue IIHF-Präsident Luc Tardif ist, zeigt sich etwa daran, dass er für alle Mitglieder des IIHF-Councils (das Gremium müsste einen Ausschluss Russlands beschliessen) ein absolutes Redeverbot erlassen hat.
Ein Ausschluss von den Olympischen Spielen oder einer Eishockey-WM (Eishockey ist Russlands Nationalsport) würde den russischen Sport und die Regierung hart treffen. Weil es eine Blamage vor der Welt wäre.
Das IOC hat sich mit einem faulen Kompromiss aus der Verantwortung gestohlen: Russische Athletinnen und Athleten durften auch bei den Olympischen Spielen in Peking antreten. Aber nicht unter der Bezeichnung «RUS» (für Russland) sondern lediglich unter dem Kürzel «ROC» (Russian Olympic Comitee). Die russische Flagge und die russische Hymne durften nicht verwendet werden.
Tatsächlich hat die Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, dass es sich da um Sanktionen gehandelt hat. Die Russinnen und Russen waren da, ob unter dem Kürzel «RUS» oder «ROC» hat kaum jemanden gekümmert. Dieser billige Kompromiss zeigt, wie viel Einfluss und Macht die russischen Vertreter in den internationalen Sportverbänden haben. Oder besser: Wie viele einflussreiche Sportfunktionäre Verständnis für die Interessen Russlands haben oder sich sogar für Russland einsetzen.
Ein Ausschluss Russlands von der nächsten Eishockey-WM ist eher unwahrscheinlich. Es geht auch um viel Geld: Der Ausschluss der attraktivsten Mannschaft, des Olympiafinalisten, würde den sportlichen und kommerziellen Wert des Turniers erheblich verringern.
Was wohl im Zusammenhang mit dem Sport auch eine Rolle spielt: Der Sport hat der russischen Regierung gezeigt, dass der Westen grosse Mühe hat, geschlossen und wirkungsvoll gegen Russland aufzutreten. Wenn sich der Westen im Sport nicht zu einer einheitlichen, konsequenten Sanktions-Politik gegen Russland durchringen kann – wie sollte er denn in anderen Bereichen dazu in der Lage sein?
Putin Freund Fasel ist nicht mehr im IIHF und selten waren die andern Nationen derart geeint.
Ein Ausschluss würde Putin persönlich treffen als grossen Fan der Sbornaja.
Ich hoffe schwer, der Krieg in der Ukraine ist bald vorbei. Dass man aber danach weitermacht als ob nichts gewesen wäre, geht auch nicht.
Ich finde, Russland muss zu Hause bleiben.
So lange und genau das nicht schei**egal ist sind wir nichts als Sklaven!