Es ist einfach, jetzt auf die Schweizer Nationalspieler draufzuhauen. Oder auf ihren Trainer Murat Yakin. Zu sagen, dass der Einsatz nicht gestimmt habe, die taktische Umstellung vor diesem Spiel zu riskant gewesen sei, oder das Team schlicht und einfach nicht auf diesem Niveau mithalten könne.
Das mag alles stimmen. Die Defensive liess die Konsequenz und Sicherheit aus den Gruppenspielen vermissen und auch offensiv passte sehr wenig zusammen. Nach den kräfteraubenden Spielen gegen Brasilien und vor allem Serbien ging vielen die Puste aus. Die Schweiz ging unter, kassierte eine grobe Klatsche und ist krachend gescheitert. Oder wie SRF-Kommentator Sascha Ruefer sagt: «Die Schweiz wurde demoliert.» Es war eine Leistung, die eines Teams, das in der K.o.-Phase einer Weltmeisterschaft steht, nicht würdig ist.
Doch dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass mit Silvan Widmer einer der Leistungsträger kurzfristig ausgefallen ist. Sein Ersatzmann Edimilson Fernandes schien häufig überfordert, konnte nicht an die eigentlich starken Leistungen in dieser Saison bei Mainz anknüpfen. Auch Nico Elvedi war nicht fit genug für einen Einsatz. Zudem war Fabian Schär angeschlagen und musste nach der 1. Halbzeit ausgewechselt werden. Schwierige Voraussetzungen für ein Team, bei dem das Gefälle zwischen Stamm- und Ersatzspielern immer noch relativ gross ist.
In der Spitze hat die Schweiz mit Granit Xhaka, Manuel Akanji oder auch Yann Sommer hervorragende Spieler auf ihren Positionen, aber auf vielen Positionen fehlt es an Spielern, welche in die Bresche springen können, wenn die beste Option einmal ausfällt. Wenn man dann sieht, dass Portugal im Achtelfinal unter anderem Cristiano Ronaldo oder Rafael Leão von der Bank bringen kann, wird der Unterschied erst recht deutlich.
Auch deshalb ist die 1:6-Klatsche für die Schweiz kein Zeichen dafür, dass man jetzt alles wieder einreissen muss, und Yakin nach einem im Grossen und Ganzen erfolgreichen ersten Jahr als Nationaltrainer nicht mehr die richtige Wahl ist. Denn Portugal war ein sehr starker Gegner, der nicht umsonst zum engen Kreis der Titelkandidaten gezählt wird. Und die Schweiz gehört halt doch (noch) nicht zur Weltspitze.
Während Yakin sich mit seiner Systemumstellung verpokerte und dafür nun in der Kritik steht, wurde der Mut des portugiesischen Trainers Fernando Santos, den grössten Star seines Landes auf die Bank zu setzen, belohnt. Ohne Cristiano Ronaldo schien Portugals Offensive noch gefährlicher. Die Iberer werden ihren Gegnern auch im weiteren Verlauf des Turniers mit ihren flexiblen Angriffsspielern Probleme bereiten. Edimilson Fernandes und Ricardo Rodriguez werden nicht die letzten sein, die mit der Geschwindigkeit von João Felix, Bruno Fernandes und Co. Probleme bekommen. Und Yann Sommer wird nicht der letzte Goalie sein, der sich vergeblich nach den Schüssen von Gonçalo Ramos oder auch Rafael Leão streckt.
So muss die Schweiz sich nach diesem Spiel hinterfragen, die schwache Leistung analysieren. Aber sie muss sich für diesen Auftritt nicht schämen – und erst recht sollten die starken Leistungen in den Gruppenspielen aufgrund eines Abends zum Vergessen nicht zur Seite gekehrt werden.