«Ich empfehle den Gästen immer: Ab Mitternacht nicht mehr schlafen. Weil man nie genau weiss, wann der Zug ankommt und die Haltestellen werden nicht angesagt», erklärt mir die Dame am Bahnschalter in Libreville.
Wenige Stunden später klingelt mein Wecker, um Mitternacht. Ich sitze im Zug, der durch die Dunkelheit wackelt und knarrt. Draussen sehe ich nichts. Fast eine Stunde später hält er an. Draussen: noch immer nur dunkle Nacht. Mein GPS auf dem Handy zeigt: Hier müsste Lopé sein.
Ich öffne die Türe und schaue raus. Rechts schwarze Nacht, links zirka 200 Meter weiter vorne ein spärlich beleuchtetes Gebäude. Ein Schaffner kommt vorbei. «Lopé?», frage ich. Er nickt. Ich hüpfe aus dem Zug auf das Kies neben den Bahngleisen.
Ziemlich genau sieben Stunden vorher stieg ich in das gelbblaue Ungetüm, das mehrere hundert Meter lang ist. Der Bahnhof Owendo in Libreville wirkte dabei erstaunlich aufgeräumt und sauber. Tickets in der 1. Klasse empfahl man mir. Die Klimaanlage kühle diese Waggons zwar extrem herunter, aber es sei angenehmer und auch nicht teuer. Bis der Zug abfährt geniesse ich in der Bar neben dem Bahnhof das «Public Viewing»:
Pünktlich fährt der Zug ab. Und wer jetzt an indisch überfüllte Wagen, Chaos, sowie Hühner, Ziegen und Körbe voller Fische denkt: Das könnt ihr gleich wieder aus eurer Vorstellung streichen.
Der Zug bietet komfortable Polstersitze, die Rückenlehne ist verstellbar, jeder Sitz reserviert und von Chaos ist rein gar nichts zu sehen. Die Klimaanlage kühlt zwar tatsächlich, aber entgegen einigen Berichten, empfinde ich es nicht als kalt.
Schade ist auf der gut 350 Kilometer langen Strecke einzig, dass die Nacht kurz nach Abfahrt über uns hereinbricht und man die Landschaft nicht sieht. Aber so funktioniert der Transgabonais nun mal: In der Nacht für Touristen, tagsüber transportieren kilometerlange Züge Holz oder Mangan (ein eisenähnliches Metall) aus dem Herzen Gabuns nach Libreville und auf den Weltmarkt.
Ich habe Glück: Dem Zug kann immer was passieren. Lokomotiven, die aussteigen oder sonst irgendwelche Dinge, welche die Fahrt stundenlang verzögern können, passieren nicht. Es läuft eigentlich alles wunderbar. Das einzige, was ich vermisse: eine Decke. Weil die ganze Zeit über Licht den Wagen beleuchtet, komme ich nur zu wenig Schlaf, im Gegensatz zu meinen Mitreisenden:
Die meisten fahren bis Franceville, wo der Zug im Normalfall um etwa 8 Uhr morgens ankommt. Die Schiene gilt als weitaus verlässlicher, als der sehr mühsame Weg auf teilweise extrem schlechten Strassen. In Lopé steigt ausser mir scheinbar niemand aus. Ich bin fürs Erste etwas unsicher, laufe aber mal zum Bahnhof.
Dort wartet tatsächlich Rémy auf mich. «Zum Hotel Lopé?», fragt er. Ich bejahe erleichtert. Wir hüpfen auf seinen Geländewagen und fahren durch die Nacht. Das 600-Seelennest Lopé lassen wir hinter uns, etwas ausserhalb liegt meine Unterkunft.
Am nächsten Morgen erst bemerke ich die grossartige Lage. Der Fluss Ogooué fliesst an den zirka 30 Hütten vorbei, ein Swimmingpool lockt und neben mir ist nur ein einziger Gast da. Das Programm ist ausgefüllt. Weil es danach zu heiss wird, wandern wir schon um 7.30 Uhr auf den Mont Brazza (ca. 500 Meter über Meer).
Am Abend geht es in der Savannen- und Urwaldlandschaft auf Safari. Elefanten, Büffel, Antilopen und Affen entdecken wir. Wer mehr Zeit hat und tiefer in den Nationalpark rein kann, hat gute Chancen auf Flachlandgorillas zu stossen. Mit sehr viel Glück sieht man Leoparde.
Giraffen, Nashörner, Nilpferde, Geparde oder Löwen gibt es im Park nicht. Allerdings sei erst kürzlich ein Löwe vom Kongo her nach Gabun eingewandert. Im Park hofft man, den König der Tiere bald wieder zu haben. Vor Jahren wurde er ausgerottet. Wer wegen den Tieren kommt, der ist hier wohl falsch. Aber die Gegend und die Ruhe sind erstklassig.
Lopé ist einer von den 13 Nationalparks Gabuns, die rund zehn Prozent der Landesfläche abdecken. Man versucht sich hier ein Standbein aufzubauen, falls die Ölkrise andauert. Allerdings verirren sich bisher nur wenige Touristen hierher, obwohl Lopé als einfach und einigermassen preiswert zu erreichen gilt. Höhepunkt jeder Gabun-Reise wäre übrigens der Loango Park an der Atlantikküste.
Elefanten, Gorillas, Schildkröten, Wale und Delfine tummeln sich dort. Und mit viel Glück kann man die legendären surfenden Nilpferde im Meer sehen. Sie strecken in den Wellen ihre Füsse von sich und lassen sich von der Brandung zurück ans Ufer spülen. Mein Guide, der zwei Jahre dort arbeitete, erzählt, dass er nie etwas Unglaublicheres sah. Allerdings braucht es auch hier sehr viel Glück.
Mein Aufenthalt im Landesinneren endet schon in der Nacht wieder. Um Mitternacht werde ich am Bahnhof abgesetzt. 1,5 Stunden später kommt der Zug endlich. Dieses Mal schlafe ich sofort ein. Denn Libreville ist am nächsten Morgen Endstation, ich kann mein Ziel also nicht verpennen.