Was hält heutzutage eigentlich noch für immer? Die Liebe vieler Fans für ihren Fussballklub! Fast jede zweite Ehe endet vor dem Scheidungsrichter – den Vereinsfarben hält man die Treue hingegen meist ein Leben lang.
Die Chance auf eine Liebe ohne Verfallsdatum ist wohl bei jenen Fans am höchsten, die ihr Fussballherz schon als Dreikäsehoch an einen Klub verschenken. Erwachsene Aarau-Fans können die Tristesse auf dem Brügglifeld heute vielleicht noch knapp ohne stimmungsaufhellende Medikamente ertragen, indem sie sich einfach mit Kindheitserinnerungen an den Stirnband-Bomber Petar Alexsandrov und den Meistertitel 1993 über Wasser halten.
Die Klubs sollten die Nachwuchs-Fans also nach allen Regeln der Kunst hofieren. Wenn es ihnen gelingt, die Knirpse heute um den Finger zu wickeln, dann bringen diese vielleicht noch jahrzehntelang Geld und Stimmung ins Stadion. Doch halten sich die Super-League-Vertreter an diesen guten Rat? Wir machen den Test und betteln im Namen eines kleinen Mädchens mit einem zuckersüssen Brief bei der ganzen Liga um Autogramme.
So beginnt die fingierte Liebeserklärung der Kleinen, die bei den Grasshoppers im Briefkasten landet. Auch alle anderen Klubs erhalten eine angepasste Version. Wir schmieren den Klubs ordentlich Honig ums Maul und verweisen auf das frankierte Antwortcouvert. Dann platzieren wir den Herzenswunsch der kleinen Viktoria:
Zusätzlich nennen wir einen Lieblingsspieler, der uns besonders wichtig ist. Dann noch eine Unterschrift in Schnürlischrift und Herzli auf dem «i» – und ab die Post. Nach knapp sechs Wochen folgt jetzt der Tag der Abrechnung. Die grosse Tabelle für kleine Autogrammjäger hält einige Überraschungen bereit.
Der FC St.Gallen reagiert als einziger Verein gar nicht auf unseren Bettelbrief und landet damit auf dem letzten Platz.
Medienchef Daniel Last hat keine Erklärung für das Missgeschick: «Grundsätzlich beantworten wir alle Anfragen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Wir können leider nicht nachvollziehen, was hier schief gelaufen ist. Wenn sich Kinder die Mühe machen und uns einen Brief schicken, dann erhalten sie in der Regel einen kompletten Satz Autogrammkarten.» Umso schlimmer für die kleine Viktoria, die sich so sehr über eine Antwort gefreut hätte.
Der FC Sion handelt die Anfrage schnörkellos und minimalistisch ab. Nach rund einem Monat schicken die Walliser kommentarlos eine einzelne unterschriebene Autogrammkarte des Lieblingsspielers Beg Ferati.
Der FC Zürich lässt ein Mannschaftsfoto im Mini-Format und eine unterschriebene Autogrammkarte des Lieblings springen. Unglücklicherweise ist dies Goalie David da Costa, der einen Tag zuvor aus der Mannschaft verbannt wurde. In seinem Begleitbrief verweist der FCZ für weitere Autogramme auf seinen Onlineshop. Dort soll die kleine Viktoria sagenhafte 50 Franken ihres Sackgelds in ein komplettes Set investieren. Happig!
Die Young Boys schicken zwar einen Bogen mit hübschen Klebern, doch Autogramme gibt es nur gegen Bares. Eine einzelne Karte ohne Unterschrift rücken die Berner raus – mehr sei wegen täglicher Anfragen «aus dem In- und Ausland» nicht möglich. «Es wäre unfair gegenüber jenen Fans, die für die Fanartikel bezahlen.» Im schludrig verfassten Begleitbrief wird die kleine Viktoria erst geduzt und dann gesiezt.
Der FC Luzern liefert solides Mittelmass. Sieben signierte Karten von Stammspielern flattern ohne Begleitbrief in Viktorias Briefkasten. Liebling Claudio Lustenberger ist auch dabei.
Der FC Vaduz punktet mit Klasse statt Masse. Die kleine Viktoria erhält eine Autogrammkarte mit persönlicher Widmung von ihrem Liebling Florian Stahel und ein kleines Poster der Mannschaft. Zudem benötigen die Liechtensteiner nur drei Tage für ihre Antwort und schicken das Couvert mit der Schweizer Briefmarke ungebraucht zurück.
Neben Viktorias Liebling Joel Mall schickt der FC Aarau fünf weitere Autogramme und ein Mannschaftsfoto im Postkartenformat. Damit ist der Abstiegskandidat Nummer 1 wenigstens hier in der oberen Ranglisten-Hälfte vertreten.
Die Grasshoppers brechen mit sagenhaften zwei Tagen Reaktionszeit den Geschwindigkeitsrekord. Und auch der Inhalt des Briefs aus Niederhasli kann sich sehen lassen: 20 unterschriebene Autogrammkarten, Liebling Munas Dabbur gibt es gleich doppelt. Mit der handgeschriebenen Begleitkarte obendrauf sichern sich die Hoppers den Derby-Sieg gegen den FCZ klar und landen auf dem Autogrammjäger-Treppchen der Liga.
Im Gegensatz zu den Young Boys hat der FC Basel die vielen Anfragen aus dem In- und Ausland scheinbar locker im Griff. Die Bebbi lassen auch in unserem Test die Muskeln spielen und schicken 33 signierte Autogrammkarten – darunter alle Stars, Präsident Heusler und der komplette Trainerstaff. Dazu gibt es ein Mannschaftsfoto im Kleinformat und eine handgeschriebene Begleitkarte mit rotblauen Grüssen. Champions-League-verdächtig!
Der Überraschungsmeister im Autogramm-Test kommt aber aus dem Berner Oberland. Anstatt eines Couverts schickt der FC Thun gleich ein ganzes Paket. Der Inhalt: 31 unterschriebene Autogrammkarten, diejenige von Viktorias Liebling Dennis Hediger sogar mit persönlicher Widmung. Dazu jede Menge Kleber, ein riesiges Poster und einen liebevollen handgeschriebenen Brief. Wow!
Solch fette Beute für die kleine Autogrammjägerin ist angesichts der finanziellen Schwierigkeiten des Klubs alles andere als selbstverständlich. Obwohl der FC Thun latent vor dem Kollaps steht, ist für die kleinen Fans offenbar kein Aufwand zu gross.
Medienchef Nik Thomi freut sich über das Resultat: «Wir haben nicht viel Geld, aber dafür den Ruf sympathisch zu sein. Das bestätigen sogar die meisten YB-Fans. Deshalb ist Grosszügigkeit für uns einfach normal. Wir können jeden Fan im Stadion gebrauchen und dann muss man dieser Beziehung eben auch Sorge tragen. Ich habe als Kind selbst einmal nach Autogrammen gefragt – und erinnere mich bis heute an den Tag, als die Antwort im Briefkasten lag.»
Ganz allgemein aber eher erbärmlich was die anderen Teams zu bieten haben, ausser die ersten 3.