29 Fahrer zählte die Radsport-Statistik-Bibel «Procyclingstats» zum Zeitpunkt des Etappenstarts auf, die heute in Locarno nicht zur 6. Etappe der Tour de Suisse starten werden. Im Verlaufe des Morgens wurde die Liste länger und länger. Auf ihr finden sich zahlreiche prominente Namen: die Schweizer Marc Hirschi, Silvan Dillier und Stefan Bissegger ebenso wie der Gesamtführende Alexander Wlassow, Rigoberto Uran, Matteo Trentin oder Rui Costa.
Die Organisatoren der Tour de Suisse meldeten, dass das Rennen fortgeführt werde. Das habe man gemeinsam mit Vertretern der Teams, der Fahrer und des Weltverbands UCI beschlossen. «Alle Beteiligten sind aufgerufen, das geltende Corona-Schutzkonzept der Tour de Suisse konsequent einzuhalten», heisst es. Man werde die weitere Entwicklung beobachten und am Samstagmorgen die Lage erneut gemeinsam beurteilen.
Der Grund für die Absenz in den meisten Fällen: Corona. Nachdem das Virus schon am Donnerstag mehrere Fahrer aus dem Rennen nahm, scheint es nun das halbe Feld befallen zu haben. Denn die Betroffenen gehören unterschiedlichen Mannschaften an.
Das UAE Team Emirates meldete am Morgen zunächst positive Coronatests bei Hirschi und Mikkel Bjerg. Aus Sicherheitsgründen wurden daraufhin trotz negativer Tests auch ihre jeweiligen Zimmerkollegen Joel Suter und Vegard Stake Laengen abgezogen. Hirschi und Bjerg hätten derzeit nur leichte Symptome, berichtete Teamarzt Adrian Rotunno. «Leider haben wir wie viele andere Teams auch einen Anstieg der Covid-19-Fälle zu verzeichnen. Es ist schade, aber die Realität ist, dass das Virus immer noch unter uns ist. Wir überwachen unsere Athleten regelmässig, um so vorsichtig wie möglich zu sein.»
Es vergingen keine eineinhalb Stunden, als mit Diego Ulissi ein weiterer Fahrer der Equipe einen positiven Test ablegte. Daraufhin entschied das UAE-Team wie tags zuvor Jumbo-Visma, sich als ganzes von der Tour de Suisse zurückzuziehen. Den beiden Equipen gehören die Topfavoriten auf den Sieg an der Tour de France an, die Slowenen Tadej Pogacar (UAE) und Primoz Roglic. Sie sind beide nicht in der Schweiz dabei. Auch die Teams Bahrain-Victorious und Alpecin-Fenix zogen sich vollständig zurück.
Regelmässige Coronatests gehören auch bei anderen Mannschaften zur Routine – und auch dort brachten sie positive Fälle ans Licht. Bora-Hansgrohe meldete den Ausfall von Alexander Wlassow, der gestern das Leadertrikot erobert hatte, sowie jenen von Anton Palzer.
Bei EF Pro Cycling erwischte es gleich vier Fahrer: Stefan Bissegger, der sich am Sonntag gute Chancen auf den Sieg im Zeitfahren in Vaduz ausrechnen durfte, Rigoberto Uran, Hugh Carthy und Alberto Bettiol. Den zwei verbliebenen gesunden Fahrern, Jonas Rutsch und Neilson Powless, habe man die Wahl gelassen, im Rennen zu bleiben. Sie und sämtliche Staffmitglieder hätten keine Symptome und mehrere negative Tests abgeliefert. «Wir werden weiterhin zwei Mal täglich alle Personen testen», so das Team.
Die Tour de Suisse wird heute Freitag mit der ersten Bergankunft fortgeführt. Von Locarno geht es durchs Tessin und über den Nufenenpass ins Wallis, wo es hinauf auf die Moosalp geht. Nach dem Rückzug Wlassows ist der Däne Jakob Fuglsang der neue Führende in der Gesamtwertung, eine Sekunde vor dem Waliser Geraint Thomas. «Das ist eine etwas seltsame Situation, aber es ist, wie es ist», meinte Fuglsang im SRF.
Bester Schweizer ist neu auf Rang 4 Stefan Küng, der zehn Sekunden hinter Fuglsang liegt. Der Thurgauer sagte, eine leichte Verunsicherung sei da: «Aber wir sind alle geimpft und die, die es nun haben, sind fast symptomfrei. Wir sind an einem anderen Punkt der Pandemie als am Anfang.» Solange die gesunden Fahrer negativ getestet werden, sehe er keinen Grund, die Rundfahrt abzurechen, so Küng.
Möge die Rennleitung der Tour de Suisse diesen Entscheid nicht bereuen, im Interesse der noch im Rennen verbliebenen Fahrer.