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Analyse

GameStop-Aktie: Warum wir die Börsen-Rebellion fürchten sollten

epa08972091 Activists gather in front of the New York Stock Exchange as part of a protest calling for an increase in the capital gains tax in New York, New York, USA, 28 January 2021. New York State i ...
Demonstranten an der Wall Street fordern eine Reichtumssteuer. Bild: keystone
Analyse

Warum wir die GameStop-Rebellion fürchten sollten

29.01.2021, 13:5929.01.2021, 17:41
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Natürlich platzen wir alle vor Schadenfreude. Eine Schar von mutigen Kleinaktionären nimmt den Kampf auf gegen die allmächtigen Masters of the Universe der Wall Street – verkloppt sie, und zwar so richtig. Das ist gewissermassen Braveheart mit einem Happyend. Hallelujah!

Nach der Euphorie sollte jedoch die Vernunft wieder Einzug halten. Und was uns zu denken geben sollte, ist die Tatsache, dass sowohl die progressive Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez wie auch der rechtsextreme Senator Ted Cruz die Rebellen anfeuern. Irgendetwas passt da nicht. Aber was?

Machen wir uns keine Illusionen: Was derzeit an der Wall Street abgeht, ist im höchsten Mass irrational. Natürlich haben die Spekulanten recht. Das Geschäftsmodell von GameStop hat keine Zukunft mehr, die Aktie zu shorten mag moralisch zweifelhaft sein, die wirtschaftliche Logik ist jedoch unanfechtbar.

Wenn also die Rebellen auf Wallstreetbets diese Aktie in absurde Höhen treiben, dann hat dies nichts mit Vernunft zu tun. Die Rebellen mögen sich heldenhaft ins finanzielle Desaster stürzen – oder zumindest so tun als ob –, trotzdem haben sie langfristig keine Chancen.

Absurde Börsenblasen hat es historisch gesehen immer wieder Mal gegeben. Das Tulpendesaster der Holländer im 17. Jahrhundert etwa, die Südseeblase zu Beginn des 18. Jahrhunderts in London, der Crash 1929, oder – näher an unserer Zeit – die Dotcomblase Ende der Neunzigerjahre. Alle haben in Tränen geendet.

Bei der aktuellen Blase hat alles harmlos begonnen. 2012 hat ein gewisser Jaime Rogozhinski den Finanz-Chatroom Wallstreetbets auf Reddit ins Leben gerufen. (Später sei er rausgeschmissen worden und heute sei er nicht mehr relevant, sagt mein Chef Patrick «Toggi» Toggweiler. Er wird wohl recht haben.)

Anyway: Dieser Chat unterscheidet sich fundamental von der klassischen Finanzforen. Man trifft dort weniger Finanzprofis mit MBAs in der Tasche. Es ist ein bunter Haufen von Investoren, die nicht im Finanzkauderwelsch diskutieren, sondern Tipps austauschen und auch freimütig Verluste zugeben.

Doch so harmonisch ist es nicht immer zugegangen. Gemäss «Wall Street Journal» macht etwa auch Martin Shkreli bei diesem Chat mit, zumindest bis er seine Haftstrafe antreten musste. Shkreli wurde als skrupelloser Finanzhai bekannt, der mit brachialen Methoden Pharmafirmen aufkaufte und die Preise der Medikamente um ein Vielfaches in die Höhe trieb.

Rogozhinski musste gemäss eigenen Angaben auch immer wieder Antisemiten und White Supremacists aus dem Chat werfen. Als Jude, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist, war ihm dies ein persönliches Anliegen.

Ich weiss, das wird mir viel Ärger eintragen, aber trotzdem: Die Wallstreetbets-Rebellen haben eine grosse Ähnlichkeit mit den Impfgegnern. Sie misstrauen den Eliten zutiefst und fühlen sich dank Internet und Apps in der Lage, ihr Finanzschicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Sie sind von einer Wut auf die Master of the Universe getrieben ähnlich wie die Impfgegner auf Bill Gates.

Dabei haben sie in einigen Punkten durchaus Recht: Die Banken sind von der Zentralbank immer wieder gerettet worden. Die Geldschwemme der jüngeren Vergangenheit haben die Monopolisierung begünstigt. Die Macht der Tech-Giganten ist beängstigend geworden. Und Eliten können arrogant und kaltherzig sein.

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Missbraucht die Rebellen bereits: Fox-News-Moderator Tucker Carlson.Bild: keystone

Doch die Rebellen werden bereits missbraucht. Fox News stilisiert sie zu Helden des kleinen Mannes herauf, die sich mutig in den Kampf gegen die übermächtigen Tech-Oligarchen und Washington-Eliten stürzen. Das alles hat einen üblen Nachgeschmack, vor allem, wenn man dem Star-Moderator Tucker Carlson zuhört.

Hedge-Fund-Manager sind Einzelkämpfer, keine Herdentiere. Sie essen, was sie töten, auch das Fleisch ihrer Artgenossen. Deshalb kämpfen sie nicht geschlossen gegen die Rebellen, sie spannen sie für die eigenen Zwecke ein. Wisst ihr, wer am meisten vom Höhenflug der GameStop-Aktien profitiert hat? BlackRock. Larry Fink & Co. sind dank den Rebellen über mehr als zwei Milliarden Dollar reicher geworden.

Des Pudels Kern der ganzen Sache ist die Ungleichheit. Diese ist dank der Geldflut der Notenbanken und dank Corona nochmals gewaltig vergrössert geworden. Die dreistelligen Milliardenvermögen von Jeff Bezos, Elon Musk & Co. lassen sich unter keinem Titel mehr rechtfertigen.

Bei den jüngsten Vermögenszuwächsen in zweistelliger Milliardenhöhe handelt es sich um sogenannte Windfall-Profite, will heissen: Sie sind dank günstigen Umständen entstanden. Man könnte sie auch als Lottogewinne bezeichnen.

Kara Swisher, Tech-Fachfrau in der «New York Times», schlägt daher vor, auf die Windfall-Profite eine Sondersteuer zu erheben. Das macht Sinn. Weder Apple noch Amazon noch Google haben sich diese Gewinne mit Innovation oder Kosteneinsparungen verdient. Das übliche Argument, mit einer Reichtumssteuer den Erfolg zu bestrafen, fällt daher weg.

FILE - This file combination of 2019-2020 photos shows Amazon CEO Jeff Bezos, Apple CEO Tim Cook, Google CEO Sundar Pichai and Facebook CEO Mark Zuckerberg.
Haben gewaltige Windfall-Profite eingefahren (von links nach rechts): Jeff Bezos (Amazon), Tim Cook Apple) , Sundar Pichai (Google) und Mark Zuckerberg (Facebook). Bild: keystone

Swisher schwebt daher eine Steuer vor, die in ihrem Charakter ähnlich ist wie die Tabak- oder Alkoholsteuer. Sie soll für eine begrenzte Zeit auf die Windfall-Gewinne erhoben und für die Milderung der Coronakrise verwendet werden.

Dies mag weniger spektakulär sein als kurzzeitige Triumphe über einen Hedge Fund. Doch die Wirkung ist weit nachhaltiger als die einer chancenlosen Anachro-Revolution. Und vergessen wir nicht, Revolutionen haben eine üble Eigenschaft: Sie fressen ihre eignen Kinder.

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187 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sapere Aude
29.01.2021 14:11registriert April 2015
Schon spannend. Sobald sich die Kleinen zusammen tun und das gleiche machen, wie die Grossen, dann ist gleich Feuer unter dem Dach und Alarmismus wird verbreitet.
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Statler
29.01.2021 16:32registriert März 2014
Netter framing Versuch, Herr Löpfe. Wie man den Kommentaren entnehmen kann, funktioniert es nicht.

Der Vergleich mit den Impfgegnern hinkt nicht nur, er ist kreuzfalsch. Denn während Impfgegner selten eine Ahnung haben, wie ein Vakzin eigentlich funktioniert, wissen die Rebels sehr genau, was sie da machen. Die kennen das System und machen genau das, was die WS-Zocker auch machen. Nur, statt dass jetzt GameStop den Bach runter geht, sind's halt die WS-Zocker.

Ihre «Analyse» klingt wie eine Version von: «Es gibt gerechte Bomben, die sind nur böse, wenn sie uns treffen»
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lkay
29.01.2021 22:43registriert Februar 2017
Nicht ganz akkurat was ihr da zusammenschreibt. Die Geschichte beginnt mit den Hedgefunds die darauf gewettet haben, dass Gamestop während der Pandemie Konkurs geht. Doch dann hat such das Blatt gedreht als sich Gamestop eine bekannte Persönlichkeit ins Board geholt hat, die auch bereits in der Vergangenheit Unternehmen mit einem sterbenden Geschäftsmodell wiederbelebt hat. Das war der grosse Auslöser für WSB. Sie sind auf den Zug aufgesprungen und haben fleissig Kohle nachgelegt.

Die Hedgefunds haben gehofft, dass tausende Menschen arbeitslos werden,ohne Skrupel. Aber darüber spricht niemand
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