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4 Dinge, die du über den Milliardenverlust der SNB wissen solltest

Thomas Jordan, Praesident der Schweizerischen Nationalbank SNB, spricht wahrend an einer Medienkonferenz ueber der Schweizerischen Nationalbank, am Donnerstag, 15. Juni 2017 in Bern. Themen des Medien ...
Muss tiefrote Zahlen vermelden: SNB-Präsident Thomas Jordan.Bild: KEYSTONE
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Vier Dinge, die du über den Milliardenverlust der SNB wissen solltest

Fast acht Milliarden Franken Verlust schreibt die Schweizerische Nationalbank nach nur neun Monaten in diesem Jahr. Werden jetzt die Steuern erhöht? Oder musst du um deinen Sparbatzen bangen?
31.10.2018, 16:1701.11.2018, 07:30
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Vielen von euch ist heute vielleicht beim Morgenessen das Gipfeli in die Kaffeetasse gefallen: 7,8 Milliarden Franken Verlust meldet die Schweizerische Nationalbank (SNB); und das, obwohl das Jahr noch nicht einmal zu Ende ist. Wer ein gutes Gedächtnis besitzt, kann sich jedoch erinnern, dass die SNB letztes Jahr noch einen Gewinn von sagenhaften 33,7 Milliarden Franken ausgewiesen hat.

Wie kommen diese gewaltigen Schwankungen in der Gewinn- und Verlustrechnung der SNB zustande? Und was bedeuten sie? Hier eine kurze Erklärung:

1. Wie sind die Nationalbanken entstanden?

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts reiste der englische König nach Amsterdam, um Geld für seine kostspieligen Kriege aufzunehmen, und der Monarch musste darauf hohe Zinsen entrichten. Gleichzeitig wussten die erfolgreichen Kaufleute Londons nicht, wie sie ihr Geld sicher anlegen konnten. Beide waren daher unzufrieden und suchten nach einer Lösung: Sie hiess Bank of England.

epaselect epa06354889 A pedestrian walks past the Bank of England in London, Britain, 28 November 2017. Bank of England Governor Mark Carney delivered the Banks Financial Stability Report 28 November. ...
Das Gebäude der Bank of England in London heute.Bild: EPA/EPA

Die Bank of England wurde 1694 gegründet und ist die zweitälteste Nationalbank der Welt. (Die älteste ist die Schwedische Reichsbank.) Dank ihr konnte sich der König fortan zu vernünftigen Bedingungen verschulden, und die Kaufleute hatten nun mit den Staatsanleihen eine sichere Anlagemöglichkeiten gefunden.

2. Was sind die Aufgaben einer Nationalbank?

Im 19. Jahrhundert herrschte in Sachen Geld ein Chaos. Währungen wurden manipuliert, Banken krachten zusammen. Beides fügte der Wirtschaft schweren Schaden zu. In den USA kam es 1907 wieder einmal zu einem Beinahe-Kollaps des Bankensystems. Der damals führende Banker JP Morgan konnte es nur verhindern, indem er die wichtigsten Vertreter der Wall Street in seine Bibliothek einsperrte und sie erst wieder herausliess, als sie sich auf einen Rettungsplan geeinigt hatten.

Wollte nicht mehr Notenbank spielen: JP Morgan. 
Wollte nicht mehr Notenbank spielen: JP Morgan. 

Morgan hatte jedoch die Nase gestrichen voll. Deshalb trieb er die Gründung einer amerikanischen Nationalbank energisch voran. 1913 war es so weit: Das Federal Reserve System (Fed) wurde aus der Taufe gehoben, um die Wiederholung eines Crashs des Finanzsystems zu verhindern.

Fassen wir zusammen: Nationalbanken müssen dafür sorgen, dass sich Staaten vernünftig finanzieren können und für die Stabilität der Währung und des Bankensystems sorgen. Der Aufgabenbereich kann erweitert werden. Die Fed beispielsweise ist auch für Vollbeschäftigung verantwortlich.

3. Wie erledigen die Nationalbanken ihre Aufgaben?

Nationalbanken können einerseits den Leitzins der kurzfristigen Staatsanleihen bestimmen. Erhöhen sie diesen Zinssatz, wird das Geld teurer, senken sie ihn, wird es billiger. Teureres oder billigeres Geld hat einen grossen Einfluss auf das Investitionsverhalten der Unternehmen und das Konsumverhalten der Menschen. Überhitzt die Konjunktur, dann erhöht die Nationalbank den Leitzins. Schwächelt die Wirtschaft, senkt sie ihn wieder.

Die Nationalbanken können den Preis des Geldes auch indirekt bestimmen. Sie tun dies, indem sie Staatsanleihen kaufen oder verkaufen. Kaufen sie die Anleihen, dann emittieren sie im Gegenzug Banknoten, erhöhen die Geldmenge und senken die Zinsen. Verkaufen sie Anleihen, geschieht das Gegenteil.

Devisen verkaufen muss die SNB eher selten

Dieser Mechanismus spielt nur im Inland. Die Nationalbank muss jedoch auch für die Stabilität der Währung auf den internationalen Devisenmärkten sorgen. Sie tut dies ebenfalls mit dem Kauf oder Verkauf von ausländischen Devisen und Wertpapieren. Will die SNB verhindern, dass der Franken zu stark wird, dann kauft sie deshalb Dollars, Euros, etc., aber auch deutsche Staatsanleihen oder Aktien von Apple oder VW. Damit erhöht sie das Franken-Angebot und senkt den Preis.

Der umgekehrte Fall, dass die SNB Devisen oder Gold verkaufen muss, um den Franken zu stärken, ist seit dem Zweiten Weltkrieg eher theoretisch geblieben.

4. Und was ist nun mit den Gewinnen und Verlusten?

Die SNB wurde 1906 als private Aktiengesellschaft gegründet. Das ist sie bis heute, obwohl sich die meisten Aktien im Besitz der öffentlichen Hand – hauptsächlich der Kantone – befinden. Das Ziel der SNB besteht jedoch nicht darin, ihren Gewinn zu optimieren. Wie gesagt muss sie sich um die Stabilität des Frankens und des Bankensystems kümmern und die Finanzierung des Staates sichern.

THEMENBILD ZU DEN VERLUSTEN DER SNB --- Die Schweizerische Nationalbank, am Mittwoch, 14. Maerz 2018 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Der SNB-Hauptsitz in Bern.Bild: KEYSTONE

Die Gewinne oder Verluste der SNB sind gewissermassen das Nebenprodukt ihrer zentralen Aufgaben. So hat die SNB nach wie vor grosse Goldbestände, um das Vertrauen in den Franken zu stärken. Der Goldpreis schwankt. In den letzten Monaten ist er gesunken und hat der SNB einen Verlust von 3,7 Milliarden Franken beschert. Auch der Wert der ausländischen Devisen ist massiv gesunken.

Der Wert ausländischer Staatsanleihen oder Aktien befindet sich ebenfalls auf einer Achterbahn. Die SNB erwirbt sie wie erwähnt, um den Kurs des Frankens stabil zu halten. Das kann jedoch nie hundertprozentig gelingen. Deshalb hat die SNB auf ihren Obligationen im letzten Quartal 8,5 Milliarden Franken verloren. Auf den Aktien hingegen hat sie 8,2 Milliarden Franken gewonnen.

Um das Bankensystem zu schützen, haben die Nationalbanken seit der Finanzkrise im grossen Stil Anleihen und Aktien aufgekauft. Sie haben, wie es in der Fachsprache heisst, ihre Bilanzen verlängert. Auch die Bilanzsumme der SNB hat sich in etwa vervierfacht. Das bedeutet auch, dass die Schwankungen in der Gewinn- und Verlustrechnung viel grösser geworden sind.

Zweistellige Milliardengewinne – noch vor zehn Jahren undenkbar –, sind heute normal geworden. So gesehen könnt ihr euer Gipfeli wieder aus dem Kaffee holen. Es ist (noch) alles im grünen Bereich.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hans Gsseh
31.10.2018 17:00registriert Mai 2017
Wo sind die Antworten auf die im Titel gestellten Fragen?
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Oh Dae-su
31.10.2018 16:55registriert Mai 2017
Die Ausschüttungsreserve der SNB beträgt übrigens momentan noch über 67 Milliarden CHF.
Die SNB müsste daher dieses Jahr schon einen enormen Verlust einfahren, damit Bund und Kantone keine Ausschüttung bekommen würden.
Das wäre so ziemlich der einzige Grund wieso ein Verlust der Nationalbank eine Steuererhöhung bedeuten könnte :P
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Normi
31.10.2018 16:36registriert April 2016
Ist das nicht so gewollt damit der Franken an Wert verliert und die CH so besser exportieren kann ?
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Warum so politisch? Wir müssen ändern, wie wir über 4-Tage-Wochen und Co. reden
Reden wir in der Schweiz über New Work, also neue Formen des Arbeitens, wird die Diskussion sofort politisch. Dabei sollten wir die Wissenschaft einfach in Ruhe dazu forschen und die Unternehmen ihre Wege finden lassen.

Ich stelle mir gerade vor, wie ich vor 50 Jahren meinen Job erledigt hätte. Alleine für diesen Artikel hätte ich mich in ein Archiv begeben müssen. Dann hätte ich mir Notizen gemacht, wäre zurück an meinen Arbeitsplatz und hätte in meine Schreibmaschine getippt. Wäre ein Tippfehler aufgetaucht, wovon ich schwer ausgehe, hätte ich das Blatt entfernen, den Fehler mit Tipp-Ex überstreichen und das Papier wieder einsetzen müssen. (So zumindest stellt man sich das als Gen Y vor.)

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