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Schweiz

HSG-Studie: Frauen werden beim Lohn kaum diskriminiert

Frauen werden beim Lohn kaum diskriminiert (sagt eine HSG-Studie des Arbeitgeberverbands)

13.06.2023, 09:3013.06.2023, 13:03
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Es gibt in der Schweiz kaum Lohnungleichheiten zwischen Mann und Frau: Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Arbeitgeberverband in Auftrag gegebene Untersuchung der Universität St.Gallen (HSG). In der Auswertung der Lohngleichheitsanalysen von 461 Unternehmen zeigten sich über 99 Prozent korrekt.

Die Gewerkschaften sehen das anders.

Doch von vorn.

Was sagt die Studie?

Frau schaut erstaunt.
3,3 Prozent der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau blieben unerklärt, sagt die Studie der HSG.Bild: Shutterstock

Die HSG trug für den Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) 615 Lohngleichheitsanalysen zusammen. Das entspricht etwa 10 Prozent der analysepflichtigen Unternehmen mit 550'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wie der Verband am Dienstag mitteilte. Seinen Angaben zufolge basiert die Erhebung auf der bisher grössten Datensammlung zum Thema.

Moment, was ist diese Lohngleichheitsanalyse?

Basierend auf dem Gleichstellungsgesetz müssen Betriebe mit über 100 Angestellten eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Diese soll die Löhne der Firmen auf eine Diskriminierung zwischen den Geschlechtern analysieren. Sie muss bis spätestens Ende Juni den Mitarbeitenden und dem Aktionariat vorgelegt werden.

Ok, und was hat die HSG nun herausgefunden?

Nun, gemäss der Studie zeigten 89 Prozent der erfassten Unternehmen keinen Geschlechtereffekt. 3,3 Prozent der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau blieben unerklärt.

Wegen der Vergleichbarkeit konzentrierte sich die Detailauswertung auf jene 461 Unternehmen, welche das Lohngleichheitsinstrument des Bundes benutzen. Von diesen hielten sich 99,3 Prozent an das Gleichstellungsgesetz. Drei Unternehmen hatten einen höheren Lohnunterschied als 5 Prozent, welchen der Bund noch toleriert.

Wie interpretieren die Arbeitgeber die Resultate?

Der Arbeitgeberverband sieht sich vom Befund bestätigt. Die von den Gewerkschaften in der politischen Debatte verwendeten Zahlen zur unerklärten Lohndifferenz seien überrissen.

Für den Verband zeigt die Erhebung, dass die Bundesvorgaben sowohl über die Branchen als auch über die Regionen hinweg eingehalten werden. Die Lohndifferenzen würden sich nur in einer engen Bandbreite bewegen.

Gleichzeitig falle die betriebliche Realität deutlich besser aus, als es die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (siehe unten) zeige. Die positiven Zahlen müssten in die Debatte einfliessen, verlangt der SAV. Die Unternehmen hätten grosse Fortschritte gemacht.

Dennoch sollten sie nicht lockerlassen. Gegen die Lohndifferenzen gelte es bei den Ursachen anzusetzen, hauptsächlich bei den häufigeren Unterbrüchen im Erwerbsleben von Frauen. Deshalb brauche es Bedingungen, welche Frauen erlaubten, in gleicher Weise zu arbeiten wie Männer.

Sehen die Gewerkschaften das gleich?

Jein. Der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse hatte Anfang Juni basierend auf den Angaben von rund 160 Firmen eigene Zahlen veröffentlicht. Die Angaben umfassen rund 18 Prozent aller Arbeitnehmenden in der Schweiz.

Die Zahlen der Gewerkschaften zeigen, dass rund 95 Prozent der Unternehmen eine unerklärliche Lohndifferenz zu Ungunsten der Frauen aufwiesen. Die maximale unerklärte Lohndifferenz betrug 15,7 Prozent.

Im Durchschnitt lag die unerklärte Lohndifferenz bei 3 Prozent – und damit tiefer als in der HSG-Studie des Arbeitgeberverbands.

Hä, verkehrte Welt also?

Nicht ganz. Travailsuisse wertet die Zahlen jener Firmen aus, die dem Gewerkschaftsdachverband die Resultate ihrer Lohnanalysen haben zukommen lassen. Es handle sich dabei nicht um eine repräsentative Zufallsstichprobe, sondern um Unternehmen, die das Problem der Lohndiskriminierung aktiv angehen wollten und die mehrheitlich in eine Sozialpartnerschaft eingebunden seien, so Tobias Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik von Travailsuisse. Sie würden deshalb auf der Weissen Liste der Webseite respect8-3.ch geführt.

Der Gewerkschaftsdachverband fordert Arbeitnehmende deshalb auf, anonym Unternehmen zu melden, die die im Gleichstellungsgesetz geforderte Lohngleichheitsanalyse nicht durchführen. Fehlbare Unternehmen sollen ab Mitte des laufenden Jahres auf einer Schwarzen Liste veröffentlicht werden.

Was sagt eigentlich der Bund?

Der Bund beziffert die unerklärte Lohndifferenz zwischen Mann und Frau in der Gesamtwirtschaft auf 7,8 Prozent. Das geht aus dem Schlussbericht der Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung hervor, den das Bundesamt für Statistik (BFS) im April veröffentlicht hat.

Die unerklärte Lohndifferenz sei im Vergleich zu 2018 ganz leicht gesunken. Damals lag sie bei 8,1 Prozent.

Laut BFS liegt die gesamte mittlere Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern in der Gesamtwirtschaft bei rund 16,4 Prozent. Davon könne rund die Hälfte durch Einflussfaktoren wie Alter, Ausbildungsniveau, Branche und Beruf erklärt werden.

(sda/mlu)

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308 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chris69
13.06.2023 11:25registriert Juni 2015
Was als Gender Paygap seit Jahren als Diskriminierung propagiert wird, ist eigentlich ein Eltern-Paygab. Das Problem sind die Unterbrüche im Erwerbsleben, welche leider meist Frauen betrifft, da sie (freiwillig, mit Absprache des Partners) eher ihr Erwerbsleben unterbrechen. Von Diskriminierung zu sprechen wäre, wenn eine Frau, die voll auf Karriere setzt, keine Kinder hat, weniger verdienen würde wie ein Mann. Das glaube ich, ist nicht der Fall
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Menel
13.06.2023 11:37registriert Februar 2015
Und wieder; die Lösung wäre Lohntransparenz. Dann hört das ganze Spekulieren und Mutmassen endlich auf und Unternehmen sind gezwungen, ihre Löhne zu begründen.
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Raber
13.06.2023 12:41registriert Januar 2019
Hat nicht letztes Jahr eine von der Stadt Zureich in Auftrag gegebener Studie ein ähnliches Bild gezeichnet. Zuerst kamen sie auf den Unterschied von 5-6% , aber wenn man dann dann Dienstjahre, Erfahrungen etc miteinberechnete,war der Unterschied noch gut 1%. Das finde ich dann kaum mehr einen Unterschied,um gross das Patriarchat zu zerschlagen.
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