Ein geläufiges Bonmot über Brasilien lautet: «Es ist das Land der Zukunft – und wird es immer bleiben.» Ältere Wirtschafts- und Wissenschaftsjournalisten haben gegenüber Wasserstoff eine ähnlich zynische Haltung entwickelt. Seit Jahrzehnten werden sie periodisch zu Anlässen eingeladen, in denen Wasserstoff als das Wunder beschrieben wird, das sämtliche Probleme der Menschheit lösen wird – ausser vielleicht Liebeskummer. Stets sind diese Versprechungen danach irgendwie versandet.
Andreas Züttel will dies ändern. Dem Professor an der ETH Lausanne (EPFL) ist es gelungen, eine Art «Wasserstoff»-Batterie zu entwickeln, die es erlaubt, sehr viel mehr dieser kostbaren Energie auf sehr viel kleinerem Raum zu speichern.
Aber der Reihe nach: Heute wird Wasserstoff meist mittels Dampfreformierung hergestellt. Als Rohstoff dient Erdgas. Man kann jedoch auch CO2 verwenden, das beispielsweise aus Kehrichtverbrennungsanlagen zurückgewonnen wird. Die Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse ist dagegen umweltfreundlich, aber teuer. Wasser wird dabei durch Zuführung von Strom in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Wird es verbrannt, bleibt nichts als Wasser übrig.
Theoretisch und ökologisch ist dieser Brennstoff daher optimal. In der Praxis ist es bin anhin an zwei Hürden gescheitert: Der hohe Stromverbrauch macht es unwirtschaftlich. Weil Wasserstoff sehr viel Platz beansprucht, war es bisher schwer zu transportieren und zu lagern.
Solar- und Windenergie sind im Begriff, das erste Problem zu lösen. Der Preis für erneuerbare Energie ist dramatisch gefallen und das Volumen ebenso dramatisch gestiegen. «Bereits in rund zehn Jahren werden wir theoretisch den gesamten Energiebedarf der Menschheit mit nachhaltiger Energie decken können», so Professor Züttel.
Billiger Strom plus CO2, das nicht aus fossilen Brennstoffen, sondern beispielsweise aus der Luft gewonnen wird, in Wasserstoff zu verwandeln, ist daher eine prima Sache, falls man diesen Energieträger auch noch speichern und transportieren kann.
Auftritt EPFL Lausanne: Einem Team um Professor Züttel ist es gelungen, eine Art «Metall-Schwamm» zu entwickeln – in der Fachsprache heissen die Dinger Metallhydrid . Ähnlich wie Spaghetti Wasser aufsaugen, saugt dieser Schwamm Wasserstoff auf. Auf diese Weise kann man diesen Energieträger viel verdichteter aufbewahren und transportieren. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Wasserstoff bei Autos geschaffen.
Dazu kommt, dass dieser «Metall-Schwamm» auch die Gefahr von Explosionen eliminiert. Wasserstoff kann dank dieser Erfindung betankt werden wie Benzin. Wasserstoff-Autos gibt es schon sehr lange.
Die heute gängigen Modelle haben einen Tank, der für eine Reichweite von rund 600 Kilometer reicht. Das ist prima, wann man sein Auto nur zum Pendeln braucht. Das ist suboptimal, wenn man damit auch mal in den Urlaub fahren will. Von einem flächendenkenden Wasserstoff-Tankstellennetz sind wir noch weit entfernt. Doch auch dieses Problem kann gelöst werden.
Die Messer Group aus Lenzburg ist seit mehr als 100 Jahren im Gasgeschäft rund um den Globus tätig und beschäftigt 11’000 Mitarbeiter. Wie man Gas lagert und transportiert, weiss man bei Messer. Wie man jedes Einfamilienhaus in eine Minitankstelle verwandeln kann, erklärt einer ihrer Ingenieure, Hans-Michael Kellner.
Bisher ist die Versorgung mit Wasserstoff mühsam und kostspielig. Es sind grosse Laster nötig, die den Treibstoff mit einem grossen Behälter herankarren. Das ist lärmig, teuer und braucht viel Platz. Dank dem «Metall-Schwamm» könnte dies ganz anders werden. Der Wasserstoff kann nun in verdichteter Form transportiert werden.
Wer grosse Mengen davon benötigt, – etwa eine Fabrik – kann sich einen Container vor das Haus stellen lassen und den Wasserstoff mit Abwärme gewinnen. Aber der «Metall-Schwamm» macht es auch möglich, dass kleine Mengen produziert und gar kommerziell genutzt werden können. Das bestehende Tankstellen-Netz könnte so auch wasserstoffkompatibel umgerüstet werden.
Es ist jedoch noch weit mehr möglich: Angenommen, du hast ein mit Solarzellen ausgerüstetes Einfamilienhaus. Scheint die Sonne, kannst du nun den überschüssigen Strom zur Produktion von Wasserstoff verwenden, diesen in einer «Metall-Schwamm»-Batterie lagern und weiterverkaufen. Im Nu hätten wir so ein dichtes und landesweites Wasserstoff-Tankstellennetz.
Okay, das mag noch ein bisschen utopisch klingen. Aber zusammen mit Entwicklungen in der Finanzindustrie – Apps, die Überweisungen auch von kleineren Beträgen zum Kinderspiel machen –, ist dies realistischer, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag.
Es ist daher weniger die Technik als die Politik, die sich etwas einfallen lassen sollte. Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen, die dafür sorgen, dass dem Wasserstoff endlich der Durchbruch gelingt. Gelingt es, müssen selbst die übelsten Zyniker unter den Journalisten klein beigeben.