Unsere Wälder sind eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. Sie sind die «grünen Lungen» unseres Planeten: Aufgrund ihrer Fähigkeit, CO2 aus der Luft aufzunehmen und zu speichern, sind sie der wohl grösste Gegenspieler des menschengemachten Klimawandels.
Um die beschlossenen Klimaschutzziele zu erreichen, sind wir stark von unseren Wäldern abhängig. Ohne sie läge die Mitteltemperatur auf der Erde im Schnitt etwa ein Grad höher. Ausserdem spielen Waldflächen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Artenvielfalt.
Doch die Fläche unserer Wälder schrumpft immer mehr. In den letzten 8000 Jahren halbierte sich fast die gesamte Waldfläche auf der Erde – und dies in erster Linie aufgrund von menschlichen Aktivitäten.
Eine Studie untersuchte von diesen 8000 Jahren jetzt die Entwicklung in der Neuzeit, und zwar in den Jahren zwischen 1960 und 2019. Ronald Estoque vom Waldforschungsinstitut in Japan und seine Kollegen werteten dafür Satellitendaten zur weltweiten Landnutzung aus. Das sind ihre wichtigsten Erkenntnisse.
Ronald Estoque und seine Kollegen zeigen klar: In den letzten 60 Jahren hat sich die globale Waldfläche verringert. Einerseits gab es zwar durchaus Waldzuwächse: Gesamthaft kam in dieser Zeit eine Fläche von rund 355 Millionen Hektar dazu. Dies entweder mittels Aufforstung durch den Menschen, durch natürliche Regeneration – oder das klimabedingte Vordringen von Bäumen in zuvor baumlose Gebiete.
In der gleichen Zeit sind aber auch rund 437,3 Millionen Hektar Wald verschwunden. Diese Fläche wurde entweder gerodet, durch Waldbrände zerstört oder ist auf andere Weise verloren gegangen.
Insgesamt kommen die Forscher also auf einen Nettoverlust an globaler Waldfläche von rund 81,7 Millionen Hektar.
Eine weitere schlechte Nachricht, die Estoque und Kollegen überbringen: Der Verlust hat sich im letzten Jahrzehnt beschleunigt. 1990 bis 2000 lag der Netto-Waldverlust noch bei 14,8 Millionen Hektar, im letzten Jahrzehnt verdoppelte er sich auf gut 35,5 Millionen Hektar.
Dabei sind es keinesfalls alle Länder, die in dieser Zeit Waldfläche verloren. Besonders im Globalen Norden gab es sogar zahlreiche Staaten, die über die Zeitspanne von 1960 bis 2019 konstant an Waldfläche gewannen. Darunter zwei der grössten Länder, Russland und USA, sowie viele in Zentraleuropa, aber auch in Südasien wie Indien oder Vietnam.
Wie die obige Grafik zeigt, gehören zu den Ländern mit dem höchsten Nettoverlust vor allem solche aus dem Globalen Süden. Spitzenreiter ist Indonesien, gefolgt von Brasilien und der Demokratischen Republik Kongo.
Zu den Ländern mit dem höchsten Wald-Nettozuwachs gehören unter anderem die grossen Staaten wie Australien, Indien, die USA, China und Russland. In Europa gibt es den grössten Zuwachs an Bäumen in Spanien, Frankreich und Schweden.
Allerdings: Diese Tabelle entlastet diese Nationen nicht. Wie die Forscher schreiben, erklären sie sich die Aufforstung dort zwar einerseits durch strengere Umwelt-Richtlinien und eine bessere Überwachung.
Eine grosse Rolle spiele aber auch die Globalisierung: Weil es billiger ist, Holz- sowie Landwirtschaftsprodukte in ärmeren Ländern zu produzieren, wurde die Waldrodung lediglich in solche Länder verlagert. Denn: Die Nachfrage nach Holz und Landwirtschaftsflächen hat keineswegs abgenommen.
In den Daten der Studie ist also eine Verlagerung des Waldverlusts von reicheren zu ärmeren Ländern zu sehen. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen die sogenannte «Forest Transition»-Theorie bestätigt.
Diese Theorie wurde in den frühen 1990er Jahren aufgestellt. Sie besagt, dass die Veränderungen der Waldfläche eines Landes und seine sozioökonomische Entwicklung eng aneinander gekoppelt sind – allerdings nicht linear. Das heisst: Zu Beginn nimmt Waldverlust mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung zu. Dann gibt es aber einen Wendepunkt – und zwar mit zunehmender Industrialisierung –, an dem sich die Waldfläche wieder vergrössert.
Trotzdem rufen die Forscher dazu auf, die Entwicklung der globalen Waldflächen dringend umzukehren oder zumindest den Verlust abzuflachen. Der Waldschwund betreffe nicht nur die Natur, sondern auch das Leben von mindestens 1,6 Milliarden Menschen weltweit, die auf verschiedene Weise von Wäldern abhängig seien, so die Forscher.
Wie sieht es denn nun bei uns aus? Für einige vielleicht etwas überraschend, gehört die Schweiz zu denjenigen Ländern, die seit 1960 konstant an Waldfläche dazugewannen.
Konkret stand man 1960 bei etwas über einer Million Hektar Waldfläche. 2019 waren es bereits mehr als 1,3 Millionen Hektar.