Als Schiedsrichter Nicola Rizzoli am Sonntagabend in Rio das WM-Finale anpfiff, sass auf der Ehrentribüne ein Mann, der sich für Fussball nur am Rande interessiert: Wladimir Putin. Russlands Präsident macht nämlich keinen Hehl daraus, dass ihm «Fussball nicht besonders gefällt», so hat er kürzlich bekannt. Privat schaue er lieber Eishockey.
In Brasilien guckte er trotzdem zu, weil sein Land 2018 die Fussball-Weltmeisterschaft ausrichtet. Es ist das dritte Sportereignis von Weltrang nach der Leichtathletik-WM 2013 und den Olympischen Winterspielen in diesem Jahr. Zudem findet im Oktober erstmals ein Formel-1-Rennen in Sotschi statt. Russland soll zum «Zentrum der Sportwelt» werden, sagte Putins Sportminister Witali Mutko.
Mit der Ausrichtung von Grossereignissen will das Land seine Stärke demonstrieren. Zugleich sind sie ein Anlass, die dringend nötige Modernisierung der Infrastruktur zu beschleunigen. Sieben von zwölf WM-Arenen müssen neu gebaut werden, zwei werden grundlegend renoviert. Der Preis dafür ist hoch: Nach den 45 Milliarden Franken teuren Winterspielen in Sotschi steuert Russland geradewegs auf die nächste Materialschlacht zu. Auf 36,5 Milliarden Franken beziffert Mutkos Sportministerium die Gesamtausgaben für die WM 2018. Das ist mehr als doppelt so viel, wie Brasilien für die WM ausgegeben hat. Und die meisten Bauarbeiten haben in Russland noch gar nicht begonnen – womöglich wird es also noch mehr.
Die Kosten laufen aus dem Ruder, wegen schlechter Planung und weil viel Geld in dunklen Kanälen versickert. Schon jetzt ist klar: Die Stadien werden um ein Vielfaches teurer als bei allen vorangegangenen Turnieren. Forscher der Universität Zürich haben die Durchschnittskosten pro Sitzplatz ausgerechnet.
Am teuersten wird die WM-Arena in Sankt Petersburg mit umgerechnet 16'500 Dollar für jeden der rund 70'000 Zuschauerplätze. Seit 2007 wird an dem Stadion gebaut, die ursprünglich für Ende 2008 geplante Eröffnung wurde mehrfach verschoben. Mit 415 Millionen Dollar wurde der Bau zunächst veranschlagt, inzwischen ist die Rede von bis zu 1,2 Milliarden Dollar. Die Eröffnung ist nun für 2016 geplant. Sicherheitshalber hat die Stadt Sankt Petersburg zuletzt auch den Bau eines Reservestadions mit 25'000 Plätzen erwogen. Dort soll dann die zweite Mannschaft des Erstligisten Zenit Sankt Petersburg spielen.
Das Stadion in Sankt Petersburg ist kein Einzelfall: Im Dezember schreckte eine Meldung der angesehenen Tageszeitung «Wedomosti» die Öffentlichkeit auf, wonach die Renovierung des ehrwürdigen Moskauer Olympiastadions mit 2,5 Milliarden Dollar sogar noch teurer werden könnte. Die Pläne wurden daraufhin abgespeckt, der Umbau soll nun noch mit rund 650 Millionen Dollar zu Buche schlagen.
Nach dem Turnier droht vielen Stadien zudem der Leerstand. Die kleinste WM-Arena soll 42'000 Zuschauer fassen. Zu Spielen in Russlands erster Liga verlaufen sich im Schnitt aber nur 12'000 Fans. Hinzu kommt: Vier WM-Spielorte haben gar keinen Erstligisten. Die WM werde deshalb «wahrscheinlich zu einer schweren Bürde für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes werden», warnt Martin Müller von der Universität Zürich. Weil Russland seine Ressourcen an den falschen Stellen einsetze und viel Geld verschwende.
Sportminister Witali Mutko hat jüngst versucht, den Kostenexzessen einen Riegel vorzuschieben. Kein Stadion solle mehr als 15 Milliarden Rubel kosten, sagte er. Umgerechnet sind das 440 Millionen Dollar oder 325 Millionen Euro. Aber einflussreiche Bauunternehmer rebellieren bereits dagegen, allen voran Stroitransgas-Besitzer Gennadij Timtschenko.
Stroitransgas fordert 35 Prozent mehr Geld für die Stadien, als Mutko angeboten hat. Ob sich der Minister durchsetzen kann ist unklar. Timtschenko ist erst in der Putin-Ära in Russlands Oligarchen-Riege aufgestiegen, Moskauer Oppositionelle halten das für keinen Zufall: Timtschenko ist mit Putin seit langen Jahren gut bekannt.
Als die FIFA Anfang Dezember 2010 die WM an Russland vergab, meldete sich ein führender Berater des damaligen Präsidenten Dmitrij Medwedew per Twitter zu Wort. «Dawaite bes otkatow», schrieb er auf russisch, übersetzt heisst das soviel wie: Lasst es uns diesmal ohne Korruption versuchen. Viel spricht dafür, dass es bei einem frommen Wunsch geblieben ist.