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Chris McSorley zwischen General und kanadischer Karikatur

Chris McSorley: Wenn er so tobt, dann steht es nicht gut um sein Servette.
Chris McSorley: Wenn er so tobt, dann steht es nicht gut um sein Servette.Bild: KEYSTONE
Vor 4. Halbfinalspiel

Chris McSorley zwischen General und kanadischer Karikatur

Servette-General Chris McSorley zeigt schon wieder Nerven. Die ZSC Lions führen 2:1 und können sich nur noch selber besiegen. 
03.04.2014, 07:1803.04.2014, 09:52
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Kluge Bauern brauchen keinen Wetterbericht. Aus der Flughöhe der Schwalben, der Tonlage des abendlichen Vogelgesanges oder der Dichte des Haarkleides ihres Hofhundes sie zuverlässiger das kurz- und langfristige Wetter herauslesen. 

Genauso ist es in Zeiten der Playoffs mit Servette. Es braucht keine Statistiken und Videostudien, um die Verfassung der Mannschaft zu ergründen. Es reicht, das Verhalten von Chris McSorley zu studieren. 

McSorley der Feuerkopf.
McSorley der Feuerkopf.Bild: KEYSTONE

Wenn das Charisma des feuerköpfigen Nordamerikaners seine Mannschaft wärmt wie ein Kaminfeuer, dann ist Gefahr für die Gegner im Anzug. So war es beispielsweise beim Spengler Cup. Chris McSorley war freundlich, ausgeglichen und hatte nichts zu kritisieren. Weil er wusste, dass ein Sieg möglich ist. So war es weitgehend auch noch im Viertelfinal gegen Lugano. Er war sicher, dass er gegen Luganos Trainer-Zauberlehrling Patrick Fischer nicht verlieren würde. 

McSorley versucht sich auf Nebenschauplätzen

Nun haben wir im Halbfinale gegen die ZSC Lions eine neue Ausgangslage. Und Chris McSorley wird unruhig. Er ahnt, dass es gegen die Zürcher unter normalen Umständen nicht reicht. Deshalb inszenierte er nach der 2:6-Niederlage in Zürich wieder einmal ein lächerliches Theater. Wenn an der sportlichen Hauptfront eine Niederlage droht, dann kann es hilfreich sein, zur Entlastung Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen. Er bejammerte das Verhalten der ZSC-Stürmer beim Bully. Diese verschaffen sich, so schwadronierte der grosse Servette-Zampano, auf illegale Art und Weise Vorteile. Und wurde in der Sache doch tatsächlich bei Schiedsrichter-Chef Reto Bertolotti vorstellig. 

Es ist also wieder soweit. Chris McSorley verliert die Nerven und der Untergang von Servette hat begonnen. Wenn die ZSC Lions diese Serie jetzt noch verlieren, dann ist das eine bittere Schmach. Sie können sich nur noch durch Arroganz selber besiegen. 

Die Frage ist natürlich, warum sich der Perfektionist Chris McSorley in der entscheidenden Phase der Meisterschaft immer wieder in der Rolle des Rumpelstilzchens lächerlich macht. 

McSorley erkennt, wenn taktisch und spielerisch nichts mehr möglich ist

Chris McSorley ist eben durch und durch ein Kanadier. Man kann Chris McSorley zwar aus Kanada herausnehmen – aber nicht den Kanadier aus Chris McSorley. Zu dieser Mentalität gehört, alles für den Sieg zu tun. Einerseits durch die Beachtung aller Details in der Vorbereitung und im Spiel – und andererseits ist es wichtig, nach aussen zu demonstrieren, dass man sich nichts bieten lässt und alles, wirklich alles tut, um eine Partie oder eine Serie zu gewinnen. 

Wenn das taktisch und spielerisch nicht mehr möglich ist – und Chris McSorley ist der erste, der erkennt, wenn eine Sache verloren ist – dann bleibt nur das Zündeln mit den Emotionen. Am besten mit dem Beschwören des frankophonen Patriotismus: «Wir armen Welschen gegen die bösen Deutschschweizer.» Nichts eignet sich besser dafür als Klagen über die mit den reichen Deutschschweizern unter einer Decke steckenden Schiedsrichtern. Jetzt tolerieren die ja gar noch illegales Verhalten der ZSC-Stürmer beim Bully. Skandal! 

Klagen gegen Schiedsrichter, welche die Deutschschweizer Klubs bevorteilen gehört zu den Lieblingsausreden von McSorley.
Klagen gegen Schiedsrichter, welche die Deutschschweizer Klubs bevorteilen gehört zu den Lieblingsausreden von McSorley.Bild: KEYSTONE

Emotionen als Stärke – aber auch Schwäche

Dieses totale Engagement ist Chris McSorleys Stärke. Sie hat es ihm ermöglicht, Servette zum erfolgreichsten Sportunternehmen des Welschlandes zu machen. Dieses totale Engagement ist aber zugleich seine Schwäche. Bis heute fehlt ihm die Coolness für die alles entscheidenden Spiele. Auch deshalb ist er bisher am Schluss immer gescheitert. 

Chris McSorley ist eben beides: Das Musterbeispiel eines charismatischen nordamerikanischen Sportmanagers und -Trainers. Aber eben auch die leicht durchschaubare Karikatur eines nordamerikanischen Sportmanagers und -Trainers. Er hat mir einmal so eindringlich dargelegt, warum Servette in einer von Deutschschweizern dominierten Liga nicht Meister werden dürfe, dass ich sicher bin: Chris McSorley glaubt den Unsinn, den er erzählt, selber. Unvergessen seine Verschwörungstheorien während der Viertelfinalserie im letzten Frühjahr gegen den SC Bern. Servette verlor trotz einer 3:1-Führung. 

Marc Crawford darf die Serie gegen Servette nicht mehr verlieren.
Marc Crawford darf die Serie gegen Servette nicht mehr verlieren.Bild: Alain Grosclaude

Wie ein Clown, der nicht lustig ist

Um es etwas bösartig zu sagen: Chris McSorley wirkt in Extremsituationen wie ein Clown, der nicht lustig ist. Es wäre für ZSC-Cheftrainer und Stanley-Cup-Sieger Marc Crawford eine bittere Schmach, gegen einen Clown eine Playoffserie zu verlieren. 

watson tickert heute Abend das vierte Halbfinal-Spiel zwischen Servette und den ZSC Lions ab 19.45 Uhr live.

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