Herr Urbaniok, in Belgien hat sich ein verwahrter Häftling das Recht auf Sterbehilfe erstritten. Ist das richtig?
Frank Urbaniok: Wenn jemand aus einer Stimmung oder Depression heraus die Entscheidung trifft, sich aus dem Leben zu verabschieden, ist Sterbehilfe falsch. Wenn jemand aber urteilsfähig ist, und nach einer Bilanz seines Lebens auf dies als einzig mögliche Lösung kommt, kann Sterbehilfe diskutiert werden. Das gilt auch für Häftlinge. Was überhaupt nicht geht, ist, dass ein Inhaftierter in eine ausweglose Situation kommt, weil Therapiemöglichkeiten an ihm nicht ausgeschöpft wurden. Ob das in Belgien tatsächlich der Fall war, kann ich nicht beurteilen.
Gab es schon einmal einen ähnlichen Fall in der Schweiz?
Nein, wir wurden noch nie mit einem Wunsch nach Sterbehilfe konfrontiert. Klar sind die Haftbedingungen nie einfach. Aber ich kenne Menschen, die froh sind, dass sie unter gesicherten Bedingungen leben, vor ihren eigenen Taten geschützt sind und dann eigene Perspektiven innerhalb der Strafanstalt entwickeln.
Wenn eine Schweizer Justizvollzugsanstalt mit einem solchen Fall konfrontiert würde – was würde passieren?
Dazu gibt es keine Praxis. Wahrscheinlich müsste sich ein Gericht mit einem Präzendenzfall beschäftigen und zuletzt das Bundesgericht eine richtungsweisende Entscheidung fällen. Vollzugsbehörden würden so ein Anliegen zum heutigen Zeitpunkt ablehnen.
Warum?
Die Haftanstalten haben einen Resozialisierungsauftrag und eine Fürsorgepflicht. Sie sind für das Wohl des Insassen verantwortlich. Die Gesundheit der Häftlinge sollte erhalten und psychische Folgeschäden durch Haftbedingungen vermieden werden. Deshalb müssen Häftlinge – soweit das sinnvoll ist – Therapieangebote erhalten. Institutionen müssen Suizid verhindern, nicht fördern.
Und wenn trotz Therapie ein Häftling den Wunsch verspürt, zu sterben?
Bei Menschen, die über einen längeren Zeitraum fest entschlossen sind, zu sterben, ginge es dann praktisch nicht mehr um die Frage des «ob» sondern des «wie». Wenn ein Häftling wirklich sterben wollte, würde er das schaffen – ob begleitet oder nicht.