Was hat die Organisatoren des Länderspiels zwischen Ungarn und Kolumbien denn da geritten? Einer ungarischen Quelle entnehmen wir bloss, dass es das Publikum «eher verwirrt als begeistert» aufgenommen habe, dass eine halbnackte Frau den Anstoss ausführte. Zu den Gründen erfahren wir nichts.
Heute würde das wohl nicht mehr so gemacht werden. Aber im Sommer 1990, als sich Osteuropa dem Westen öffnet, herrscht ein Gefühl von Aufbruch und Freiheit. (Eiserner) Vorhang auf – für die unbekannte Brünette, die nur mit einem Tanga bekleidet und auf Stöckelschuhen über den Rasen des Fáy-Utcai-Stadions in Budapest schreitet:
Vielleicht ist der Einsatz der Dame ja ein taktischer Schachzug der Ungarn, um den gegnerischen Spielern den Kopf zu verdrehen. Denn die Ungarn gewinnen das Freundschaftsspiel gegen den WM-Teilnehmer mit 3:1. «Es war eine sehr schwierige Begegnung, wir haben nicht gut gespielt», hält Carlos Valderrama fest. Ein Statement des kolumbianischen Captains zum ungewöhnlichen Kick-off ist leider nicht überliefert.
Eine Woche später beginnt für Kolumbien die WM in Italien. Nach einem 2:0-Sieg gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und einer 0:1-Niederlage gegen Jugoslawien benötigen die Südamerikaner gegen die BRD einen Punkt, um in die Achtelfinals zu kommen. Das gelingt: Gegen den nachmaligen Weltmeister erzielt Freddy Rincón in der Nachspielzeit den Ausgleich zum 1:1.
Rincón spielt später bei Real Madrid und Napoli, aber die Stars der Truppe sind andere: Spielmacher Carlos Valderrama mit seinen goldenen Zapfenlocken und René Higuita, der durchgeknallte Goalie.
«El Loco» macht seinem Ruf alle Ehre, indem er massgeblich am WM-Ausscheiden beteiligt ist. Im Achtelfinal gegen Aussenseiter Kamerun verdribbelt sich Higuita weit vor dem Tor gegen Roger Milla. Der Oldie stibitzt dem Keeper in der Verlängerung den Ball, ist auf und davon und schiesst die Afrikaner eine Runde weiter.
Auch Andrés Escobar gehört 1990 zum WM-Team der Kolumbianer. Der Verteidiger, in der Saison 1989/90 bei den Berner Young Boys, wird vier Jahre später in den USA zur tragischen Figur.
Kolumbien scheidet an der WM 1994 schon nach der Vorrunde aus, trotz eines 2:0-Siegs gegen die Schweiz. Escobar bezahlt dafür mit seinem Leben. Weil er beim 1:2 gegen Gastgeber USA ein Eigentor erzielt und die Wettspielmafia viel Geld verliert, wird er kurz nach der WM in Medellín erschossen.
Nach Valderrama und Co. dauert es zwei Jahrzehnte, ehe Kolumbien wieder ein schlagkräftiges Team beisammenhat. An der WM 2014 in Brasilien führt James Rodríguez, der mit sechs Treffern Torschützenkönig wird, seine Auswahl in die Viertelfinals. Dort scheitert Kolumbien an Gastgeber Brasilien.
Que calidad! 30 alos despues
— Carlos Valderrama (@PibeValderramaP) 11. Mai 2017
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